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«P atirische Zeitschriften sind nun einmal die
Nachfahren der schon fast legendären Hofnarren.
Hofnarren hatten bekanntlich die unbequeme Auf-
gabe, ihre Umwelt zu glossieren, dem Volke bei
der Obrigkeit die Stimme zu reden, allerlei Späße
zu erfinden und die nicht ungefährliche Freiheit,
die Leute zum Narren zu halten oder beispiels-
weise auch einmal einen Minister am Barte zu
zupfen. Freilich, wir haben auch von bestraften
Hofnarren gehört, doch lag die Strafgewalt stets
bei dem, der den Hofnarren bezahlte. Nun, weder
Herr Dr. Hundhammer finanziert den Simpl,
noch der bayerische Staat. Das letzte Wort liegt
allein beim Leser!

Unter Leser verstehen wir im allgemeinen nicht
Minister, die zugegebenermaßen den Simpl noch
vor Erscheinen frisch aus der Druckerei vorgelegt
bekommen, wiewohl diese rege Anteilnahme fast
schmeichelhaft anmutet. Wir verstehen darunter
vielmehr jene große Zahl braver Staatsbürger, die
in unserer „Demokratie" absolut nichts zu melden
hat und von denen ein amtierender bayerischer
Minister herzlich wenig zu wissen scheint. Woher
sollte er auch wissen, daß das, was er als Staats-
mann glaubt sich nicht bieten lassen zu dürfen,
seinen Untertanen nicht zuletzt durch seine eigene
Mitwirkung völlig gleichgültig geworden ist?
Wenn allenthalben „mitgelaufene" Lehrer, Stu-
dienräte und Universitätsprofessoren wieder ihre
Posten einnehmen dürfen — um nur im Schul-
sektor zu bleiben — wer fände schon etwas dabei,
wenn der, der die vielen Mitläufer wieder einsetzt,
selbst mitgelaufen wäre? Schön, Herr Dr. Dr.
Hundhammer ist nicht mitgelaufen, aber auch das
ist dem Volk vermutlich schon völlig gleichgültig.

Fall den Beleidigungsprozeß Simpl—Hundham-
mer im Jahre 1947, verweisen. Geg^n das, was
der Simpl zum Beweis seiner Unschuld unbe-
quemer Weise vorbrachte, gibt es für den Staats-
anwalt eine bequeme juristische Formulierung:
„Mit diesen Einlassungen können die Beklagten
nicht gehört werden." Die durchaus demokrati-
sche Abwandlung der Formel, daß etwa „ein
Minister mit seinen Auslassungen ebenfalls nicht
gehört werden kann", ist bei uns kaum populär
und kommt zweifellos gleich hinter Blasphemie.

Würden tatsächlich weder die Ein- noch Auslas-
sungen gehört, so müßte ein Minister, wenn er
sich beleidigt fühlt, auf eine Person zurückgreifen,
von der das Publikum offenbar fälschlicherweise
annimmt, sie würde eigens für solche Zwecke mit-

O. Nückel

bezahlt, nämlich auf den Pressereferenten seines
Ministeriums. Der Pressereferent würde in einem
solchen Falle von der betreffenden Zeitschrift
Richtigstellung oder Platz für eine ministerielle
Erwiderung fordern; erst nach Ablehnung dieser
Forderung könnte die Staatsanwaltschaft ein
Offizialverfahren einleiten, wenn unsere Recht-
sprechung Anspruch darauf erhöbe, für demokra-
tisch zu gelten. Nun, der Hinweis des Simpls,
Herrn Dr. Hundhammer von sich aus eine Rich-
tigstellung angeboten zu haben, zählte zu den
„Einlassungen der Beklagten, mit denen sie nicht
gehört werden konnten."

Vollbartträger Westdeutschlands mal herhören!
Reichen Sie sofort beim Amtsgericht München
Klage ein! Der Simpl hat sie in seinen Heft 9/48
(beim Verlag noch erhältlich) auf das empfind-
lichste beleidigt, weil er Sie dort in zweideutiger
Weise reproduziert hat, ohne Ihren Namen zu
nennen. Das Bild stellt zwar ebensowenig Sie wie
den bayerischen Kultusminister Dr. Hundhammer
dar, aber eine der Bedingungen des Begleittextes
wird schon zutreffen: — Entweder Sie waren Mit-
läufer, dann genießen Sie automatisch die beson-
dere Sympathie hoher kirchlicher Würdenträger,
oder Sie waren kein Mitläufer und genießen aus
anderen Gründen die gleiche Sympathie, oder Sie
waren nicht Mitläufer, weil Sie die besondere
Sympathie hoher kirchlicher Würdenträger ge-
nossen. Dr. Hundhammer war kein Mitläufer, er
war beleidigt! Sie haben ebenfalls beleidigt zu
sein, verstanden! — Außerdem riskieren Sie dabei
nichts, denn wer in Bayern dem Beispiel des Kul-
tusministers folgt, hat sich noch nie blamiert! —
Weggetreten! DER SIMPL

Wer hat überhaupt gesagt, er sei mitgelaufen?
Der1 Simpl jedenfalls nicht, das mußte sogar
das Gericht in seiner Urteilsbegründung einräumen.
Um dennoch zu einer Bestrafung zu gelangen, galt
es den Nachweis zu führen, daß a) Der Simpl
den Vorsatz hatte, Dr. Hundhammer zu beleidigen,
und b), er die bärtige Figur in Hitlers Umgebung
so präsentierte, daß jeder Leser zwangsläufig
glauben mußte, es handele sich um Dr. Hund-
hammer. Der Staatsanwalt versuchte dann auch
den Nachweis dieser Zwangsläufigkeit zu erbrin-
gen, indem er sich selbst als Musterbeispiel für
einen Leser anbot, der von vorneherein erkannt
hat, daß es sich nicht um Dr. Hundhammer
handelt. Er wirkte zumindest damit recht über-
zeugend.

Zum Beweis der beleidigenden Absicht konnte das
Gericht nur auf „frühere Vorgänge", in diesem

DIE MITARBEITER DES HEFTES,

soweit sie in den bisherigen Heften noch nicht erschienen sind:
Alois S?idl, 4. 11. 1397 in München; Alhard von der Borch,
1. 2. 1916 in Berlin; Fritz Berkhahn, 23. 3. 1914 in Berlin;
Hans Gebauhr, 7.3. 1919 in Berlin; Wolfg. Schäfer, Daten folgen.

„DER SIMPL" erscheint im Monat zweimal

Bezugspreis im Vierteljahr DM 3.— ztraügl. 25 Pfg. Zustellgebühr.
Verlag „DER SIMPL" (Freitag-Verlag), München 23, Werneck-
straße 15a. Fernruf: 362072. Postscheckkonto: DER SIMPL, Mün-
chen Nr. 91999. — Herausgeber: Willi Ernst Freitag. — Red.
M. Schrimpf. — Sprechstunden: Dienstag und Donnerstag von
9 bis 12 Uhr. — Für unverlangt eingesandte Manuskripte und
Zeichnungen wird keine Gewähr übernommen Freiumschlag ist
beizulegen. — Anzeigen nach Preisliste 1 vom 1. 9. 1948. An-
zeigen-Verwaltung: Neue Haasenstein & Vogler Gesellschaft für
Wirtschaftswerbung m.b.H., München 1, Roman-Mayr-Haus (Kau-
fingerstr. 1/2). — Klischees: Brend'amour, Simhart & Co., Gra-
phische Kunstanstalt, München. — Druck: Süddeutscher Verlag
GmbH., München 2, Sendlinger Str. 80. — Auflage: 79 000. —
Copyright by Freitag-Verlag 1946. — Published under Military-
Governmcnt Information Control License No US-E-148.

SIMPL-BRIEFKASTEN

Einfach und praktisch. Sie als Untermieterin haben an
dem Ofenrohr, das aus ihrem Schlaf- und Wohnräum-
chen durchs Fenster direkt ins Freie führt, ein ebenso
praktisches wie zweckmäßiges Instrument zum Bügeln,
Trocknen und Wärmen. Dafür, daß Sie neumodischer-
weise Ihre Rocksäume verlängert haben und diese nun
glattbügeln müssen, kann natürlich der Wohnungs-
fnhaber, dem sie für Licht monatlich nur sechs Mark
zahlen, nicht auch noch den Strom liefern. Also feuch-
ten Sie die Rocksäume innen ■— am besten und spar-
samsten mit Spucke — an und ziehen sie dieselben
überm heißen Ofenrohr glatt. Haben Sie Strümpfe auf
ihrem Nachtkästchen gewaschen, so wickeln sie diese
abends, wenn der Ofen erkaltet ist, ums lauwarme
Rohr — Sie werden erfreut sein, sie am andern Mor-
gen schon leicht angesengt und trocken zu finden.

Kampf dem Schieri! Sehr richtig: Sport muß Kampf
sein, Kampf kennt keine Rücksicht, also hinein mit
der Faust ins Gesicht des gegnerischen Torwarts, hin-
aus mit den Andersdenkenden aus der Zuschauertribüne.
Haut sie, zertrampelt sie, schmeißt ihnen den nächst-
besten Rasenbrocken auf den Hut — aber vergeflt über
all diesen bedeutsamen Tätlichkeiten der Sportfreunde
nicht das wichtigste: den Kampf gegen den Schieds-
richter! Ihr werdet doch nicht nach seiner Pfeife tan-
zen, Sport ist eine zum Fanatismus verpflichtende
Mission, wie es unser Führer in Unkenntnis des Sportes
seinerzeit der Kunst zugeschrieben hat. Jeder heile
Schiedsrichter ist eine Schande für die Anhänger und
Freunde einer unterlegenen Fußballmannschaft.

Wozu Berufsorganisation? Organisationen freier Berufe
haben tiefe Gründe. Erstens will der Verwaltungsappa-
rat leben und zweitens soll sich der freiberuflich Tätige
denn doch nicht ganz so frei fühlen, wie er gern
möchte! Darum hört man immer gern, wenn eine Be-
rufsorganisation, wie etwa der Journalistenverband, sich
meldet und strafend Urteil spricht, wenn eines Ihrer
Schäflein einen Fehler gemacht hat.

Wieso dann Leistungssteigerung? Sie irren. Unsere
Preise haben mit Qualitätssteigerung nichts zu tun: der
Zentner Kartoffeln hat seinen Frankfurter Festpreis,
ganz gleich, ob der Oekonom Ihnen köstliche weiße
Erdäpfel oder kleine, grüne, schwarzfleckige und viel-
äugige Futterkartoffeln liefert. Beim Kaffee aber kommt
es nicht darauf an, wieviel Sie zahlen, sondern welchen
Ihr Lieferant erwischt hat: je nachdem haben Sie ein
Getränk mit Kaffeegeschmack, mit Lysolaroma, mit
Essigzusatz oder schlicht und einfach Petroleumaufguß.
Sie sehen, es hat sich nichts verändert — wie bei den
Bomben heißt es immer noch: Glück muß man haben!

ßoll ich barfuß laufen? Nein, tragen Sie die Selbst-
binder Ihres Mannes als Fußlappen, Sie werden rasch
merken, wie weich, warm und angenehm solche Fuß-
bekleidung ist. Das Tragen von Nylonstrümpfen ist nur
höheren Einkommensträgerinnen möglich, da das Paar
der Hauchdünnen zwischen 45 und 50 Mark liegt. Die
Höhe des Preises ist vor allem darauf zurückzuführen,
daß Nylon im Winter ein sicheres Kältegefühl garan-
tiert und die Trägerin vor lästigem Fußschweiß sichert.

Das Durchgangszimmer. Ja, Hochmut muß sich zwicken
lassen. Da Sie nun einmal in einem „Herrschaftshaus"
wohnen, wird Ihnen freilich nicht erlaubt, das feine
Haus herunterzuziehen dadurch, daß Sie von Ihrem
Zimmer aus eine direkte Tür in die Küche anbringen
lassen. Gehen Sie weiterhin durch den Schlaf-Wohn-
raum des vielbesuchten Untermieters aus und ein —
Hauptsache, für spätere Zeiten bleibt der vornehme Bau
der Kleinwohnung gesichert, wie es den Vorstellungen
Ihrer „Hausverwaltung" entspricht.

Zu genaul Sie wundern sich, daß Sie als sechzigjähriger
Großvater auf dem polizeilichen Anmeldeschein immer
noch genaue Angaben über Vater und Mutter sowie
über deren Hochzeitstag und -ort machen müssen? Ja,
wir können Ihnen leider auch nicht sagen, ob dies
wegen des Ariernachweises, wegen Familtenzusammen-
legung, wegen der Neugier der Hausmeisterin bezüg-
lich der unehelichen Herkunft oder wegen eventueller
Sippenhaft so angeordnet ist — auf jeden Fall aber
dient es der Vereinfachung behördlicher Buchungen

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Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Satirische Zeitschriften sind nun einmal die Nachfahren der schon fast legendären Hofnarren."
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Der Simpl: Kunst - Karikatur - Kritik
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-11-5 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Nückel, Otto
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

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Reproduktionstyp
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In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Der Simpl, 3.1948, Nr. 23, S. 271.

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