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Zeichnungen : Fr. Bilek

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Albumblatt für einen Star

Man sendet Dir galante Grüße,
bald mehr, bald weniger formell.
Man wirft Dir Herzen vor die Füße,
bald sehr privat, bald offiziell.

Man schickt Dir blaue Orchideen,
Dein Autogramm ist hochbegehrt,
und Deine rotlackierten Zehen,
sie haben fast schon Sammlerwert.

An jeder Ecke steht die Presse,
mit Blei und Ohren scharf gespitzt,
Du bist auch dann von Interesse,
wenn Du im stillen Winkel sitzt.

Dein Nachthemd hat aparte Biesen,
Dein Papagei ist frisch getrimmt,
Dein Goldfisch mußte dreimal niesen,
die Presse schreibt es — und es stimmt.

Mit Deinem Namen treibt man Kulte,
man tritt Dich in Berühmtheit breit,
wo Du erscheinst, entstehn Tumulte.
Die Politik — sie platzt vor Neid.

Dein Foto grüßt aus allen Ecken,
man staunt Dich an — Du lächelst bloß
und blickst, geheftet mit vier Zwecken,
von den Tapeten der Büros.

Man würde manches darum geben,
erführe man gelegentlich
Dessins aus Deinem Innenleben.
Doch die behältst Du schön für Dich.

Es gäb' auch gar nichts zu enthüllen,

man würde kein Dessin gewahr.

Es spricht für Dich, daß Du im stillen

ein Mensch bist — und durchaus kein Star!

mst.

ZWILLINGE

ERZÄHLUNG VON OSKAR MARIA GRAF

Im Bayerischen Wald, jenem seltsam unentdeckten Gebirge um Passau und
Zwiesel herum, fällt im Winter oft so viel Schnee, daß die Bewohner der
entlegenen Bergdörfer und Einöden erst bei Tauwetter wieder zu Tal
kommen können. Stirbt nun jemand, so wird die Leiche auf sogenannte
Totenbretter in den Keller gelegt, bis ein geeignet schöner Tag kommt, wo
man die Beerdigung im Pfarrdorf abhalten kann.

Und auch mit den Kindstaufen ist es so. Man muß sich nach dem Wetter
richten und die Neugeborenen bleiben oft zwei oder drei Monate ungetauft,
bis man sie zum Pfarrdorf bringen kann.

Beim Schmauß gab es mitten im Winter Zwillinge. Aber der Schnee lag
haushoch. An eine Taufe war nicht zu denken. Inzwischen hatten die Ehe-
leute Zeit, sich darüber zu streiten, wie man die Zwillinge heißen sollte.
„I sog, mir hoaß'n s' Marie und Zenzl", bestand der Schmaußbauer, „Marie
hot mei Muatter selig ghoassn und Zenzl die Dei'. . .

„Ah, Marie und Zenzl. .. Geh ... I hoaß doch auch net wia mei Muatta
selig, i hoaß Amalie und mei Schwester hoaßt Liesl", warf die Bäuerin ein
und schließlich, als endlich ein Tag kam, an dem man taufen lassen konnte,
hatte man sich geeinigt. „Amalie" und „Elisabeth" sollten die Zwillinge
heißen.

Der Himmel hing über die Berge, trüb und schneeschwer.
Der Schmaußbauer bestand darauf, daß er die Taufe — um jede große
Umständlichkeit zu vermeiden — schon allein bewerkstelligen könnte. Man
einigte sich, wickelte die Zwillinge dick ein und packte sie in einen Tragkorb,
deckte den noch einmal mit einem wollenen Tuch zu und alsdann machte
sich der Bauer auf den Weg ins Pfarrdorf im Tal.

Beschwerlich war der Abstieg. Erst tief am Nachmittag kam der Bauer

drunten an, begab sich sofort zum hochwürdigen Herrn Pfarrer, aber der

geistliche Herr war leider nicht da. Er sei fort ins nächste Dorf, um einem

Todkranken die Sterbsakramente zu bringen, sagte die Köchin.

„No", meinte der Schmaußbauer, „no, nacher sitz' i mich halt derweil zum

Unterwirt umi und wenn der hochwürdige Herr kimmt, nachher sogst mir's

halt."

Die Köchin versprach es und der Bauer hockte sich zum Unterwirt in die
warm geheizte Stube, trank eine Halbe um die andere, es fing draußen zu
schneien an und es wurde auch schon dunkel, es war langweilig und der
Schmaußbauer war froh, daß mit der Zeit etliche Leute kamen, mit denen
er tarocken konnte. Den Korb mit den warm eingepackten Zwillingen hatte
er vorsichtig an den brühwarmen Ofen gestellt und die Neugeb°renen taten
keinen Muckser. Sie schliefen.

Es wird spät und später. Keine Pfarrerköchin kommt. Der Schmaußbauer
wird immer hitziger im Spiel und vergißt alles.

Endlich fragt ihn die Wirtin, auf den Korb weisend: „Ja, wos host D' denn

eigentli' do drinna, Schmaußbauer . .."

Der Bauer erinnert sich und steht lächelnd auf.

„Ja, do paß auf! Ganz wos Schön's", sagt er, geht zum Ofen, wickelt
umständlich einen Zwilling aus den vielen Decken und hebt ihn in die Höhe.
Aber das Kind rührt sich nicht mehr. Er schüttelt es — es ist tot. Der Bauer
glotzt einen Augenblick und macht ein sonderbar hilfloses Gesicht.
„Hm", bringt er endlich heraus: „Hm, lach'n tat i, wenn jetzt dös andere
auch tot waar ..."

DER WINTER

Alle Jahre wieder wird es Winter. Der Schnee rieselt herab und alles ist
weiß, wie Weste und Stehkragen von Dr. Schacht. Darüber freut sich die
Christenheit, obwohl sich Temperatur und Liebe zur Demokratie merklich
abgekühlt haben, denn eine eisige Atmosphäre hat sich durch östliche Winde
herausgebildet. Es pfeift der Sturm und das Publikum im Landtag. Wer
aber an der Haltestelle auf die Elektrische wartet, den überläuft eine Gänse-
haut, wie einem Redakteur, der einen Artikel über ein DP-Lager ver-
öffentlicht.

Die sportgestählte Jugend aber begibt sich aufs Glatteis, wie Minister Schlögl
in seinen Appellen an den NS- (Nunmehr Schwerreichen) Bauernstand zwecks
Ablieferung der Agrarprodukte. „O du fröhliche" tönt es weithin, und abends
leuchten Lichtlein aus den Häusern von arm und reich, was aber nur an
der Stromsperre und nicht am Advent liegt.

Advent — Ankunft — ja so ist es, der Lastenausgleich ist angekommen
aus einer CSU-Wurzel zart. Eine schöne Bescherung, denkt der kleine Mann
und auch der Ausgebombte summt: „O Tannenbaum, o Tannenbaum, hätte
ich nur einen Strick, um mich an dir aufzuhängen."

Doch gottlob ist der Winter eine gesunde Zeit. Der Skifahrer und die Preise
klettern empor, das Wild aber versteckt sich in den Wäldern, soweit der
Vorrat noch reicht.

Nachts steigen Nebel auf und alles ist unklar wie die Absichten der Regie-
rung. Ein großes Schweigen liegt über der Natur und Alfred Loritz, doch
weiß kein Mensch, wie lange es dauert. Vom Rupprecht hat man auch nichts
mehr gehört, wenngleich Christa und Maxi sowie die Bayernpartei recht
sehr hoffen, daß er bald an die Türe pocht.

Nicht so die KPD, die laut behauptet: „Morgen, Kinder, wird's was geben."
Doch dann ist es stille Nacht, schwarz wie die Regierungspartei, wo sich wie
bei den Sennen die großen Tiere zur Futterkrippe drängen.

Bis es Frühling wird und der ganze Zauber dahinschmilzt. G. W. Borth

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Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Albumblatt für einen Star"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Der Simpl: Kunst - Karikatur - Kritik
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-11-5 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Bilek, Franziska
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Der Simpl, 3.1948, Nr. 24, S. 278.

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