W. Schäfer
SCHILLER UNTER UNS
„Können Sie nicht warten?"
„Entschuldigen S', ischt hier die Schreibstube des Flüchtlingslagers?'
„Dös sammer. Warten S' bis halt dran san."
„Pardon!"
„Sie, nachmaulen gibt's fei net!"
„Der nächste! Sie heißen?"
„Friedrich Schiller."
„Sie kommen woher?"
„Aus Weimar."
„Herr Gschaftlhuber, schreiben S' den Herrn auf die Listen. Illegal aus der
russischen Zone. Zurück nach Gutenfürst."
„Aber ich will nicht zurück."
„Freilich. Dös sagen alle."
„Ich bin Dichter und brauche die Freiheit!"
„Ja mei. Schlawina ham mer selber gnua."
„So hören Sie doch — Sie müssen eine Ausnahme mit mir machen. Fragen
Sie doch bei Ihrem Kultusministerium an. Man kennt mich dort."
„So? Was haben S' denn geschrieben? Kriminalromane?"
„Nein. Theaterstücke. Gedichte. Zum Beispiel:
Festgemauert in der Erden
steht die Form aus Lehm gebrannt —"
„Ah, der san Sie! Dös kenn i freilich:
Alles Vergängliche ist nur ein Gleichnüs,
alles Bedenkliche hier ward's Ereignüs —
Aber Sie san a Saupreiß."
„Aber nein. Ich bin ein Schwabe. A Schwöb bin i. In Marbach bin ich geboren.
Hier ist mein Geburtsschein —!"
„Ja dann. Xaverl, schau emal: A Nordlicht is dös net."
„Nacha laßt'n halt eini."
„Alsdann —."
„Freude, schöner Götterfunken!"
„Langt scho'. Da is' Ihr Schein. Aber geb'n S' fei Obacht, gelnd . . ."
„Könnte ich den Herrn Intendanten sprechen?"
„Nee!"
„Verzeihung — mein Name ist Schiller."
„Na und?"
„Ich bin der Schiller."
„Ah — so — ja — gestatten: Dr. Müslein, Chefdramaturg. Also Sie sind
der — wie war doch Ihr werter Name? — Pardon, natürlich, erinnere mich
dunkel. Sie haben doch dies herrliche Stück — ach nee, das war von Girau-
doux. —"
„Adieu."
„He, Sie — Moment — na, denn nich' —."
Der Intendant: „Wer war denn das?"
„Nur ein deutscher Autor."
„Nee, können wir diese Spielzeit nich' brauchen. Hab noch die SPANISCHE
FLIEGE und den KRACH IM HINTERHAUS vor, nee, kann- ich nich' machen.
Wirkt sonst zu national. Aber sonst gerne."
„Ist hier das Arbeitsamt?"
„Ja, aber ohne Zuzug —."
„Ich bin Friedrich Schiller."
„Berufsgruppe?"
„Wie bitte?"
„Hier interessiert nur Ihre Berufsgruppe. Was sind Sie denn?"
„Dichter."
„Ich will nicht wissen, ob Sie . spinnen. Sie müssen doch was Anständiges
gelernt haben?"
„Du liabs Herrgöttle — Medizin hab ich studiert."
„Also Arzt sind Se. Dann gehen Se mal zur Ärztekammer. Aber machen Se
sich keene Hoffnungen —!"
„Adieu."
„Kommt gar nicht in Frage. Wissen Sie, wieviel Ärzte wir zu betreuen haben?
Mensch, fünfzig Prozent aller Schlaflosen in Bayern sind Ärzte, die nicht
wissen, von welchem Daumen sie am nächsten Tag zu beißen — ne, ne —
gehen Se mal, woher Se gekommen sind — und überhaupt —."
— und danken wir Ihnen für Einsendung Ihres Artikels, den wir Ihnen
wegen Platzmangels anbei zurückreichen. Künftige Einsendungen können nur
zurückgesandt werden, wenn Rückporto beiliegt. Mit der Rückgabe ist kein
Werturteil verbunden. Die Feuilletonredaktion.
„Wat denn, Mensch, siehst doch sonst so intellijent aus. Vom Iwan kommste?
Mensch, geh zuerst mal zum CIG und denn sieh zu, daß de zum Ami —."
EXIT-PERMIT.
To whom it may concern:
Friedrich von Schüler, Dr. med., physician —
allowance to enter the United States of America for taking a Position in
the teaching-staff of the COLVMBIA-UNIVERSITY of NEW YORK ...
„Äh — Presse — ist dies der Dampfer MANHATTAN? Hier soll'n gewisser
SCHILLER — sind Se selber? — Angenehm. — Bin vom DPD. — Haben Sie
noch einige Abschiedsworte an das deutsche Volk —?"
„Bye, bye!"
„Wie bitte?"
„Bye, bye!"
„Ach so — also bye, bye, Mister Schiller. Bye, bye!" G.W. Borth
M. Weingärtner: SEHNSUCHT
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SCHILLER UNTER UNS
„Können Sie nicht warten?"
„Entschuldigen S', ischt hier die Schreibstube des Flüchtlingslagers?'
„Dös sammer. Warten S' bis halt dran san."
„Pardon!"
„Sie, nachmaulen gibt's fei net!"
„Der nächste! Sie heißen?"
„Friedrich Schiller."
„Sie kommen woher?"
„Aus Weimar."
„Herr Gschaftlhuber, schreiben S' den Herrn auf die Listen. Illegal aus der
russischen Zone. Zurück nach Gutenfürst."
„Aber ich will nicht zurück."
„Freilich. Dös sagen alle."
„Ich bin Dichter und brauche die Freiheit!"
„Ja mei. Schlawina ham mer selber gnua."
„So hören Sie doch — Sie müssen eine Ausnahme mit mir machen. Fragen
Sie doch bei Ihrem Kultusministerium an. Man kennt mich dort."
„So? Was haben S' denn geschrieben? Kriminalromane?"
„Nein. Theaterstücke. Gedichte. Zum Beispiel:
Festgemauert in der Erden
steht die Form aus Lehm gebrannt —"
„Ah, der san Sie! Dös kenn i freilich:
Alles Vergängliche ist nur ein Gleichnüs,
alles Bedenkliche hier ward's Ereignüs —
Aber Sie san a Saupreiß."
„Aber nein. Ich bin ein Schwabe. A Schwöb bin i. In Marbach bin ich geboren.
Hier ist mein Geburtsschein —!"
„Ja dann. Xaverl, schau emal: A Nordlicht is dös net."
„Nacha laßt'n halt eini."
„Alsdann —."
„Freude, schöner Götterfunken!"
„Langt scho'. Da is' Ihr Schein. Aber geb'n S' fei Obacht, gelnd . . ."
„Könnte ich den Herrn Intendanten sprechen?"
„Nee!"
„Verzeihung — mein Name ist Schiller."
„Na und?"
„Ich bin der Schiller."
„Ah — so — ja — gestatten: Dr. Müslein, Chefdramaturg. Also Sie sind
der — wie war doch Ihr werter Name? — Pardon, natürlich, erinnere mich
dunkel. Sie haben doch dies herrliche Stück — ach nee, das war von Girau-
doux. —"
„Adieu."
„He, Sie — Moment — na, denn nich' —."
Der Intendant: „Wer war denn das?"
„Nur ein deutscher Autor."
„Nee, können wir diese Spielzeit nich' brauchen. Hab noch die SPANISCHE
FLIEGE und den KRACH IM HINTERHAUS vor, nee, kann- ich nich' machen.
Wirkt sonst zu national. Aber sonst gerne."
„Ist hier das Arbeitsamt?"
„Ja, aber ohne Zuzug —."
„Ich bin Friedrich Schiller."
„Berufsgruppe?"
„Wie bitte?"
„Hier interessiert nur Ihre Berufsgruppe. Was sind Sie denn?"
„Dichter."
„Ich will nicht wissen, ob Sie . spinnen. Sie müssen doch was Anständiges
gelernt haben?"
„Du liabs Herrgöttle — Medizin hab ich studiert."
„Also Arzt sind Se. Dann gehen Se mal zur Ärztekammer. Aber machen Se
sich keene Hoffnungen —!"
„Adieu."
„Kommt gar nicht in Frage. Wissen Sie, wieviel Ärzte wir zu betreuen haben?
Mensch, fünfzig Prozent aller Schlaflosen in Bayern sind Ärzte, die nicht
wissen, von welchem Daumen sie am nächsten Tag zu beißen — ne, ne —
gehen Se mal, woher Se gekommen sind — und überhaupt —."
— und danken wir Ihnen für Einsendung Ihres Artikels, den wir Ihnen
wegen Platzmangels anbei zurückreichen. Künftige Einsendungen können nur
zurückgesandt werden, wenn Rückporto beiliegt. Mit der Rückgabe ist kein
Werturteil verbunden. Die Feuilletonredaktion.
„Wat denn, Mensch, siehst doch sonst so intellijent aus. Vom Iwan kommste?
Mensch, geh zuerst mal zum CIG und denn sieh zu, daß de zum Ami —."
EXIT-PERMIT.
To whom it may concern:
Friedrich von Schüler, Dr. med., physician —
allowance to enter the United States of America for taking a Position in
the teaching-staff of the COLVMBIA-UNIVERSITY of NEW YORK ...
„Äh — Presse — ist dies der Dampfer MANHATTAN? Hier soll'n gewisser
SCHILLER — sind Se selber? — Angenehm. — Bin vom DPD. — Haben Sie
noch einige Abschiedsworte an das deutsche Volk —?"
„Bye, bye!"
„Wie bitte?"
„Bye, bye!"
„Ach so — also bye, bye, Mister Schiller. Bye, bye!" G.W. Borth
M. Weingärtner: SEHNSUCHT
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Der Simpl
Titel
Titel/Objekt
"Sehnsucht"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Der Simpl: Kunst - Karikatur - Kritik
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-11-5 Folio RES
Objektbeschreibung
Kommentar
Signatur: M. Weingärtner
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Der Simpl, 4.1949, Nr. 3, S. 27.
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg