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AM TURM I> K Ä BLAUEN PFERDE

Ist Ihnen eigentlich schon einmal autgefallen, daß
die Welt aus den Fugen geraten ist? Stellen Sie
sich vor, ein Mensch, der etwa 1912 gestorben ist,
würde irgendwie wieder lebendig. (Bei den Fort-
schritten der sowjetischen Wissenschaft ist nichts
mehr unmöglich.) Was, meinen Sie, würde dieser
Mensch zu der Gegenwart sagen? Da man in jener
Zeit noch höflich war, sowohl in Diplomaten- wie
auch in anderen Kreisen, würde er wahrscheinlich
Z'J dem Urteil kommen, daß sich der Welt eine
milde Form von Irrsinn bemächtigt hat — nahezu
euf ahen Gebieten des Daseins, mit einer einzigen
Ausnahme: Die Poeten, vor allem die, die Ge-
dichte schreiben. Denn noch immer reimt sich
Frühlingslnft auf Blütenduft, wie einst in der
Gartenlaube.

Da gibt es eine große Stadt, die zwei Oberbürger-
meister und zwei Polizeihäuptlinge hat, und jeder
möchte den anderen am liebster, einsperren und
totschlagen. Obwohl es Straßen, Eisenbahnen und
Wasserwege gibt, werden die Nahrungsmittel, die
Kohlen und die ausländischen Staatsbesuche auf
dem Luftwege in die Stadt hineingeflogen, d. h. in
den einen Teil, — von Maschinen der gleichen
Art, die derselben Stadt erst mit zu ihrem heutigen
Bild verholten haben. Immer noch gibt es soge-
nannte Anhalte- und Konzentrationslager, wo Men-
schen, die zufällig nicht an die Einheit der Klasse
glauben, konzentriert zum Sterben angehalten wer-
den. Diese Lager werden von den gleichen Leuten
in Betrieb gehalten, die die früheren Inhaber und
Manager dieser Einrichtung eben deswegen im
Namen der Menschlichkeit mit zum Tode verurteilt
haben. Die Dichter aber reimer noch immer Stell-
dichein auf Mondenschein. Daß sich sowohl die
Reinheit der Rasse als auch die Einheit der Klasse
vortrefflich auf die Gemeinheit der Gasse reimt,
das haben sie anscheinend noch nicht entdeckt.
Da werden mehrstöckige Warenhäuser aufgebaut,
während Tausende noch in Kellerlöchern hausen;
junge Ärzte verdienen ihren Lebensunterhalt als
Barmixer in Nachtklubs von fremden Soldaten;
politische Parteien, die früher die Internationale
gesungen haben, treten am wildesten für (so-
genannte) nationale Belange ein; Skribenten, die
wahrscheinlich nie im Kriege oder auch nur in

einer Kaserne waren, schreiben von der Not-
wendigkeit der Remilitarisierung; reichgewordene
(Zeit)Genossen fahren in Luxuswagen zu ihren
Sechszimmerwohnungen, aber ein heimgekehrter
Kriegsgefangener begeht Selbstmord aus Ver-
zweiflung, weil er keine Zuzugsgenehmigung be-

RED AKT ION ELLE MITTEILUNG

„Ich will's auch ganz gewiß
nicht wieder tun. Mr. Clark!"

kommt. Und in den Gedichten heißt es nach wie
voi: . . . ach komm zurück, Du bist mein Glück!
Seit fast vier Jahren haben wir Aschermittwoch.
Trotzdem hat keiner den Mut die Maske vom
Gesicht zu reißen und sich als Mensch zu zeigen;
alle spielen mit, und jeder wil1 den Nächsten an
Sinnlosigkeit übertreffen. Zar Weihnachtsprozes-
sion nach Bethlehem muß man Gasmaske und
Stahlhelm mitbringen; Kirchenväter werden vor
Gericht gestellt, und Schwergewichtsboxer ver-
dienen mit einem Knockout mjhr Geld, als einer
ganzen Universität im Jahre zur Verfügung steht.
Gandhi und Bernadotte sind meuchlings ermordet
worden, weil sie Frieden bringen wollten; Uhren-
fabriken werden als Rüstungswerke demontiert,
und eine Postkarte von Kassel nach Eisenach
dauert länger als ein Brief von San Francisco nach
Assisi Nur die Gedichte sind, wie gesagt, noch
normal, Überbleibsel einer Zeit, die weit hinter
uns liegt.

Stellen Sie sich vor, ein junger Mann in Pelz-
mantel, Turnschuhen und Strohhut stellt sich
irgendwo mitten auf dem Markt auf eine Bock-
leiter und beginnt nach der Melodie „Am Brunnen
vor dem Tore" zu singen:

Am Turm der blauen Pferde, Ein Bleistift rannte eilig
Da saß ein Känguruh; Vorbei, mit deutschem Gruß.

Den Beutel füllt's mit Erde Das Curuh sprach ihn heilig
Und pfiff Lehär dazu. Und biß ihn in den Fuß.

Auf ceinem Rücken druckte Ein gelbes Nashorn bellte,
Ernst Rowohlt ein Gedicht, Als es die Szene sah,
Das Guruh aber muckte, Und sprach: „Bei dieser Kälte —

Ihm lag der Rhythmus nicht. Wer weiß, wie das geschah . . ."

Wo dieser junge Mann ea&ua würcie isi ganz
klar: in der Heilanstalt. Für verrückte Einzelwesen
hat man die nötigen Aufbewahrungs und Besse-
rungsanstalten; plötzlich den Verstand verlierende
Völker werden militärisch besiegt und an-
schließend umgeschult, wenigstens meistens Nur
gegen das Delirium, das sich der gesamten
Menschheit bemächtigt hat, gibt es offensichtlich
kein Mittel. Die Gesellschaft weiß sich gegen
anomales Verhalten des Individuums zu schützen
— wie aber schützt sich der einzelne gegen ano-
males Verhalten der Gesamtheit? Rudolf Ernst

sowie aus anderen überseeischen Ländern beweisen, daß
die wohlbekannten KU PF ERB ERG-Marken überall
sich nach wie vor ihres guten Rufes erfreuen. Heute sogar
ganz besonders, denn jede Flasche ist 5 bis 8 Jahre alt!

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"Redaktionelle Mitteilung"
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Der Simpl: Kunst - Karikatur - Kritik
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G 5442-11-5 Folio RES

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München

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Der Simpl, 4.1949, Nr. 3, S. 30.

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