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0 Verzeihung, die Herren/

LUFTRATIONIERUNG

Der bayerische Luftverteiler hat am Mittwoch für Bayern Luftabschaltungen
angeordnet, die ab kommenden Montag gebietsweise durchgeführt werden.
Die Abschaltungen sind nach einer Verlautbarung des Landeslastenver-
teilers notwendig geworden, weil ein Großteil der Bevölkerung einem
geradezu hemmungslosen Verbrauch von Sauerstoff huldigt, so daß an
Stelle des „Krisenfalles" in der Luftversorgung (gemäß Verordnung über
die Atmungsbeschränkung vom 26. 7. 48) der „Katastrophenfall" ein-
getreten ist.

Mit der Befreiung der Wirtschaft von der Papiermilliardenlast eröffnete
der 20. Juni 48 zum erstenmal die Aussicht, nach 15 Jahren windigster
Zustände zu sauberen Luftverhältnissen zurückkehren zu können. Wille
und Absicht hierzu waren zweifellos in allen Bereichen unseres Lebens von
starken Impulsen getragen. Es hat sich jedoch rasch gezeigt, daß die Un-
zulänglichkeiten der Geldreform die Hoffnung auf eine gesunde Atmosphäre
so gut wie zunichte gemacht haben. Vom ersten Tag an beherrschte die
Pyramide des blauen Dunstes den Kreislauf in unseren Atmungsprganen
sowie den Ablauf der Wirtschaft im allgemeinen, so daß eine nüchterne
Betrachtung der Tatsachen zu dem Ergebnis kommen muß: Der graue
Sektor beeinflußt und bestimmt die Tätigkeit unserer Lungen!
Millionen von Kubikmetern unehrlicher Luft liegen heute noch in den
Hortungslagern und Schwarzhandelsgeschäfte mit Ozon sind an der Tages-
ordnung. Waggonweise wird Luft nach der Ostzone, der Tschechoslowakei
und Oesterreich verschoben. Was auf dem flachen Lande noch übrigbleibt,
verfällt der Beschlagnahme durch die Besatzungsmacht. Dabei ist die vom
Auslande hereinkommende Atmosphäre keineswegs von einer Beschaffenheit,
die den Normalverbraucher ermutigen würde, tief aufzuatmen. Luftmassen,

welche vom Norden her illegal über die grüne Grenze bei Hof eindringen,
sind häufig mit aufrührerischen Bakterien durchsetzt und führen zu Rei-
zungen bodenständiger Schleimhäute. Sauerstoffsendungen aus anderen
Ländern dagegen erweisen sich vielfach als zu dünn, so daß die beabsich-
tigte Schwellung der Brust beim Inhalieren ausbleibt. Unter solchen Um-
ständen ist es kaum verwunderlich, daß sich der Lufthunger der Bevölke-
rung in wilden Luftkäufen Luft machte.

Menschlich verständlich, wie dieses Gebahren sein mag, führt es zu schweren
Schädigungen des Volksoberkörpers und stellt damit unsere gesamte hei-
mische Luftversorgung in Frage.
Es wird daher verfügt:

a) In Ausdehnung der bereits angeordneten täglichen Abschaltezeiten hat
jeder Einwohner von 8 bis 12 Uhr und von 15 bis 18 Uhr die Luft
anzuhalten, es sei denn, er befinde sich in seiner Wohnung oder einem
sonstigen, nicht über 4 cbm großen Raum, dessen Türen geschlossen
gehalten werden können.

b) Beim Abhören von Radionachrichten, Rundfunkvorträgen und amtlichen
Verlautbarungen hat der Atem so lange auszusetzen, bis die Sendung
beendet bzw. abgeschaltet ist.

c) Das Lüften von Schlafzimmern, Küchen und sonstigen Räumen, in denen
geatmet wird, hat bis auf weiteres zu unterbleiben.

d) Ausgenommen von diesen Bestimmungen sind die Prioritätsgruppen der
ehemaligen Nazis und Militaristen sowie die Angehörigen derjenigen,
durch vertrauliche Mitteilung verständigten Parteien und Organisationen,
welche Morgenluft wittern.

Entsprechende weitere Einschränkungen der Atmungsmöglichkeiten bzw.
des Luftverbrauches erfolgen durch Sonderregelung. W. F. K.

STAUT BEI NACHT

Die Nacht liegt drückend zwischen den Ruinenstraßen,

Am Fahrrad-Rad summt monoton der Dynamo.

Der Pneu frißt singend den Asphalt, den nassen,

Ein kleiner Hund quitscht frierend irgendwo.

Die feuchte Nachtluft kühlt empfindlich meine Stirne,

Ein Amipärchen spielt vertrautes Glück,

Der Nebel schluckt das Licht der Fahrradbirne

Und läßt ein schwaches Bündel ohne Schein zurück.

Zyklopen-Auto-Augen stoßen sich durchs Trübe,

Ein anschlußloses spätes Nüttchen balanciert am Bordsteinrand,

Der alte Bettler auf der Parkbank träumt von seiner Jugendliebe

Und krümmt im Schlafe zärtlich die zerfurchte Hand.

Ein militantes Auto sucht den Weg zu der Kaserne,

Vom Regenkendel tropft der feuchte Tau

Und ganz dort hinten in der Trümmerferne

Zeigt ein Ruinenfenster die Konturen einer nackten Frau.

Ein später Reisender berechnet fröstelnd die Prozente.

Der Fahrradlenker zittert durch ein Bombenloch.

Der Polizist der Runde reibt die klammen Hände,

Ein halbverschlafner Untermieter schloß das Lokusfenster, weil es zog.

Ein Taschendieb zählt unter einer Straßenlampe seine Beute,

Ein vollgesoffner Kerl rülpst immerzu.

In einer Gartenhütte gehn zwei alte Leute

Nach einem schweren Tage zur verdienten Ruh.

Ein schwarzer Kater schleicht geschmeidig um die Ecke,

In einer Kneipe gibt es Keilerei.

Die Nacht liegt über einem eingestürzten Haus wie eine Decke.
Die feuchte Luft strömt kühl an meiner Stirn vorbei. GE

R. Kriesch
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"O Verzeihung, die Herren"; "Luftrationierung"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Der Simpl: Kunst - Karikatur - Kritik
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-11-5 Folio RES

Objektbeschreibung

Objektbeschreibung
Bildunterschrift: "O Verzeihung, die Herren"
Kommentar
Signatur: Krebs

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Kriesch, Rudolf
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Alle Rechte vorbehalten - Freier Zugang
Creditline
Der Simpl, 4.1949, Nr. 5, S. 50.
 
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