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APHRODITE KALLIPYGOS

VON WALTER F. KLOECK

Nach der Thronbesteigung der Touristenkönigin
„Miß Fremdenverkehr 1949", die, gewollt oder
ungewollt, überall zur Ernennung lokaler und
regionaler Schönheitsköniginnen geführt hatte, er-
folgte am 23. Januar 49 die Wahl des „Schönsten
Mannes" der bayerischen Landeshauptstadt.
Die Prämiierung weiterer schöner Männer soll,
wie wir erfahren, bereits in Aussicht genommen
sein. Gerüchten zufolge stehen die Wahlen des
schönsten Landtagsabgeordneten, des schönsten
Sonderbeauftragten für das Flüchtlingswesen, des
schönsten Ministers und schließlich — im Rahmen

des Länderrates — die Wahl des schönsten Mi-
nisterpräsidenten der Bizone („Mr. West State")
vor der Tür.

Mit Beifall stellt der kulturell Interessierte an-
dererseits fest, daß man von der Preiskrönung
kompletter Personen allmählich abrückt und zur
Prämiierung einzelner Körperteile übergegangen
ist. Schon am 16. Januar 49 wurde der Anfang
hiezu mit einem Wettbewerb im Etablissement
Moulin Rouge geniacht, in welchem die schönsten
Frauenbeine Münchens bestimmt und in den kö-
niglichen Rang erhoben wurden. Wie erinnerlich
gingen damals aus einer Gesamtzahl von 326
Beinen (163 Bewerberinnen) die von Fräulein
Herta Altburger als Siegerpaar hervor.
Es ist klar, daß man, — der allgemeinen Auf-
wärtsbewegung unserer Entwicklung Rechnung
tragend, — von den Beinen aus nur nach oben
vordringen konnte. So kam es, wenige Wochen
später, zur Auswahl und Preiskrönung des schön-
sten Popos.

*

Unter dem Motto: „Im Reiche der Aphrodite
Kallipygos", — so betitelt nach dem bekannten,

formvollendeten Standbild der „schöngesäßigen
Venus" im Museum zu Neapel, — präsentierten
sich in den Räumen des Tabarin Bleu-blanc die
anmutigsten Hinterbacken des Landes einer aus-
erlesenen Jury von Gesäßspezialisten und, dar-
über hinaus, einem kunstbegeisterten, heimat-
treuen Publikum. Außer namhaften Kunsthistori-
kern, Künstlern und Wissenschaftlern waren in
dem Schiedsrichterkollegium auch Erzieher ver-
treten. Den Vorsitz führte der weit über Bayerns
Grenzen hinaus bekannte Schönheitsenthusiast
Dr. kondit. h. c. Charles Sargnagel, dem als Bei-
sitzer die Filmschauspielerin Mlle. Rose Pompon
und der italienische Heilgymnastiker Signor Mus-
culi Glutaei zur Seite standen.
Der beispiellose Erfolg des Abends war ein zwei-
facher. Nicht nur dem schönsten Popo als solchem
galt die Huldigung des schönheitstrunkenen Pu-
blikums, — in Verbindung mit dem Wettbewerb
wurde auch als neueste Modeschöpfung zum
erstenmal das sogenannte gesäßfreie Abendkleid
gezeigt.

Während die meisten Bewerberinnen — aus 3000
waren ihrer ein Dutzend zur engeren Wahl her-
angezogen worden — züchtig über die Bühne
schritten und dabei ihren Allerwertesten zeigten,
steigerten einige besonders elegante Damen die
Darbietungen der Veranstaltung bis zur Sensa-
tion: Die von ihnen bei dieser Gelegenheit vor-
geführten Abendkleider, Kreationen der Firma
Apfelwang, waren am Halse hochgeschlossen und
verlegten das Decollete — um diesen Ausdruck
zu gebrauchen — auf die nach unten verlängerte
Linie des F».ückens! Eine vornehme Wendung nach
rückwärts genügte, um dem Beschauer die ganze
dezente Pfirsichpracht der Trägerin zu offenbaren.
Stürme von Begeisterung, begleitet von heftigem
Händeklatschen und gellenden Hochrufen, bewie-
sen, daß sich die neue Mode alle Herzen im
Sturme erobert hatte.

Danach zog sich die Jury zurück, um nach kurzer
Beratung einstimmig die 23jährige Annemarie
Pölsterl, Sennerin aus der Umgebung von Mies-
bach, zur „Miß Gesäß 1949" auszurufen.
Fräulein Pölsterl war nach der hohen Ehrung,
die ihr zuteil geworden war, zunächst ganz be-
nommen. „Ja, da leckst mi... !", sagte sie schlicht
und erstaunt.

Wie uns mitgeteilt wird, hat Frl. Pölsterl außer
zahlreichen Heiratsanträgen noch am selben Abend
ein Angebot von einer amerikanischen Film-
gesellschaft erhalten. Sie soll demnächst nach
Hollywood verpflichtet werden, um nach entspre-
chender Schulung die Hauptrolle in dem Bild-

streifen „If Mr. Goetz had known . .." („Wenn
Götz v. Berlichingen gewußt hätte.... !") zu
übernehmen, — ein surrealistisches Spiel um den
Geist des Helden aus dem bekannten Drama von
Schiller. Um die Erlaubnis, Photographien der
„Gesäßfürstin 1949" zu Reklamezwecken verwen-
den zu dürfen, haben sich seither beworben: Eine
Fabrik, die sich mit dem Vertrieb von frän-
kischem Preßschinken befaßt, ein Hersteller von
Hautcremen und eine Großfirma der Zahnpasten-
branche.

*

Es liegt im Wesen der menschlichen Natur, sich
niemals mit Erreichtem zufrieden zu geben. Auf
dem einmal beschrittenen Weg muß weiterer
Fortschritt erzielt werden! In diesem Sinne allen
berufenen Erforschern und Begutachtern physi-
scher Schönheit ein dreimaliges, donnerndes
vivat corpus! Hoch! Hoch!

Zeichnungen: Fr. Bilek
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Aphrodite Kallipygos"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Der Simpl: Kunst - Karikatur - Kritik
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-11-5 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Bilek, Franziska
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Der Simpl, 4.1949, Nr. 5, S. 59.

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