PETERSEN
VON HEINZ HARTWIG
Zwei Jahre Gefängnis auf Steuerbord —
auf Backbord dagegen drei Tote!
Die Waage der Göttin Justitia
ist wieder einmal im Lote.
3 Junge Matrosen auf „Fahnenflucht",
am 9. Mai 45!
Da hatte wohl jeder die Fahne verflucht,
in der er so tief hat geirrt sich.
Sie wurden gefaßt. Man saß zu Gericht.
Vernommen, verurteilt, erschossen.
Herr Petersen hielt das noch immer für „Pflicht".
Zu wenig Blut schien vergossen.
Vier Jahre später da klagt man ihn an.
MORD, MORD und MORD! Kommodore!
Doch war die Gerechtigkeit nicht momentan;
sie stand grad versteinert am Tore . ..
Doch hätten drei blaue Jungens vielleicht
Herrn Petersen damals erschossen,
gäb's 1 5 Jahr Zuchthaus für jeden. Wenn's reicht!
Ja: Fiat Justitia, Genossen.
DEUTSCHE DENNOCH-DICHTUNG
1949
Das von vielen schmerzlich empfundene Dunkel,
das in den letzten Jahren über dem Schaffen
einiger der hellsten Geister unseres freiheit-
lichen Schrifttums lag, beginnt sich langsam zu
lichten. Die ersten Dennoch-Dichtungen sind da,
und wenn sie auch noch nicht zum Druck ge-
langten, so zeigen sie doch für jedermann deutlich
den Druck, der sie erzeugt hat und gegen den
sie sich richten. Die hoffnungsvoll angelaufene
neue Produktion straft das Ammenmärchen vom
„Schweigen der Saturierten" endlich Lügen.
Habemus papami Wir haben wieder eine Avant-
garde gegen Kommiß und Kadavergehorsam,
Polizeistaat und behördliche Bevormundung, —
und siehe da: es ist die alte Garde! Nicht einer
fehlt in ihren tapferen Reihen Wir erkennen
jeden sofort wieder an seinem persönlichen Ton,
seiner überzeugenden Gestaltungskraft, seinem
ungebrochenen Oppositionsgeist. Im nachstehen-
den veröffentlichen wir die ersten .Heroldsrufe"
der Freiheit.
ERICH KÄSTNER
besaß durch seine Jugendbücher und seine schar-
fen satirischen Gedichte schon lange vor 1933
einen großen Namen. Seine stärksten Erfolge
waren: „Emil und die Detektive" und „Drei
Männer im Schnee". Kästners neuer Gedicht-
sammlung „Mit verbissenem Herzen" (1945 bis 49)
entnehmen wir als Probe das Gedicht
„Ich hab's gewagt . .."
Ich hab nun mal 'nen Piek au! die Kasernen,
Der läßt mich auch im Vierten Reich nicht los —
Es wäre Zeit, sie endlich zu entfernen,
(Ich bin darin bekanntlich rigoros.)
Ob an der Um, ob an der Pleiße Fluten,
Ob Rhein entlang die Schilderhäuschen steh'n,
Der Tatbesland genügt: Man schleilt Rekruten,
Und dieser Schliü darf so nicht weitergeh'n!
Hör' ich das Kriegsbeil beiderseitig wetzen,
Werd' ich —■ verzeih'n Sie — im Gesichte grün,
Der Neo-Stacheldraht und sein Entsetzen
Macht mich zu meiner Selbstverwund'rung kühn.
Die Freiheit und das Recht verlangt nach Taten,
Es trügt uns nimmermehr ihr „kalter" Schein .. .
Kasernen, „Heldentum" und Asiaten:
Wir wollen frei von allen dreien sein!
Ich hab's gewagt vor 25 Jahren,
Ich wag' es heute wiederum, obwohl . ..
Sie wissen selbst: man soll Courage sparen ...
Heil dir, mein Pieck, ich sag's au!s Grotewohl.
CARL ZUCKMAYER
dessen Werke seit 1945 wieder in allen deutschen
Zonen gespielt wc rden, schenkte der deutschen
Jugend nach seinen früheier. Erfolgsstücken „Der
Hauptmann von Köpenick" und „Des Teufels
General" nunmehr die längst von ihm erwartete
Komödie: „Der Obeist von Karlshorst". Wir las-
sen die folgende Szene für sich und den Dichter
selbst sprechen, der z. Zt. in der Zurückgezogen-
heit eines süddeutschen Sanatoriums an einem
der Gemeinde Möln zugesagten Eulenspiegelspiel
arbeiten dürfte.
Freier Laden in der Friedrichstraße
1. Verkäufer: Schlechtet Jeschäft heute. Ick werd'
ma' pinkeln gehn . . .
2. Verkäufer: Ick gloobe, da kommt einer! Haste
det Mikrophon einjestellt?
1. Verkäufer: Mach' du mal! Ick bin gleich Widder
da . . . (Ab zur Toilette)
2. Verkäufer (hebt eine große Käse-Attrappe auf,
unter der ein Mikrophon sichtbar wird. An dem
Apparat hantierend): Allens in Ordnung. Looft
schon ... (Er stülpt die Käse-Attrappe wieder
über das Mikrophon)
Maxe (kommt von der Straße): Könnt' ick viel-
leicht ... Ick wollte nur ma' fragen . . .
1. Verkäufer (kommt zurück. Während er noch
an seiner Hose herumnestelt): Sehr schöner Käse,
mein Herr, ganz frisch . . . Hier, bitte sehr . . .
2. Verkäufer: Dürfen et 100 Gramm sein . . .?
Maxe: Nee, nee ... Ick ... ick wollte mir näm-
lich bloß ma' nach meinem Kollegen erkundigen.
Der is vorgestern hier bei Sie in'n Laden je-
wesen . . . Und . . . äh . . . nu wissense ja: wenn
eener 'n bisken anjetrunken is und bei Ihnen die
Preise hört . . .
1. Verkäufer (interessiert): Unsere Preise sind
bedeutend gesunken, mein Herr . . . Hier der
Käse, mein Herr . . .
2. Verkäufer: Der Herr wollte erst noch was von
seinem Kollegen erzählen. Ist der Kollege Kunde
bei uns?
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VON HEINZ HARTWIG
Zwei Jahre Gefängnis auf Steuerbord —
auf Backbord dagegen drei Tote!
Die Waage der Göttin Justitia
ist wieder einmal im Lote.
3 Junge Matrosen auf „Fahnenflucht",
am 9. Mai 45!
Da hatte wohl jeder die Fahne verflucht,
in der er so tief hat geirrt sich.
Sie wurden gefaßt. Man saß zu Gericht.
Vernommen, verurteilt, erschossen.
Herr Petersen hielt das noch immer für „Pflicht".
Zu wenig Blut schien vergossen.
Vier Jahre später da klagt man ihn an.
MORD, MORD und MORD! Kommodore!
Doch war die Gerechtigkeit nicht momentan;
sie stand grad versteinert am Tore . ..
Doch hätten drei blaue Jungens vielleicht
Herrn Petersen damals erschossen,
gäb's 1 5 Jahr Zuchthaus für jeden. Wenn's reicht!
Ja: Fiat Justitia, Genossen.
DEUTSCHE DENNOCH-DICHTUNG
1949
Das von vielen schmerzlich empfundene Dunkel,
das in den letzten Jahren über dem Schaffen
einiger der hellsten Geister unseres freiheit-
lichen Schrifttums lag, beginnt sich langsam zu
lichten. Die ersten Dennoch-Dichtungen sind da,
und wenn sie auch noch nicht zum Druck ge-
langten, so zeigen sie doch für jedermann deutlich
den Druck, der sie erzeugt hat und gegen den
sie sich richten. Die hoffnungsvoll angelaufene
neue Produktion straft das Ammenmärchen vom
„Schweigen der Saturierten" endlich Lügen.
Habemus papami Wir haben wieder eine Avant-
garde gegen Kommiß und Kadavergehorsam,
Polizeistaat und behördliche Bevormundung, —
und siehe da: es ist die alte Garde! Nicht einer
fehlt in ihren tapferen Reihen Wir erkennen
jeden sofort wieder an seinem persönlichen Ton,
seiner überzeugenden Gestaltungskraft, seinem
ungebrochenen Oppositionsgeist. Im nachstehen-
den veröffentlichen wir die ersten .Heroldsrufe"
der Freiheit.
ERICH KÄSTNER
besaß durch seine Jugendbücher und seine schar-
fen satirischen Gedichte schon lange vor 1933
einen großen Namen. Seine stärksten Erfolge
waren: „Emil und die Detektive" und „Drei
Männer im Schnee". Kästners neuer Gedicht-
sammlung „Mit verbissenem Herzen" (1945 bis 49)
entnehmen wir als Probe das Gedicht
„Ich hab's gewagt . .."
Ich hab nun mal 'nen Piek au! die Kasernen,
Der läßt mich auch im Vierten Reich nicht los —
Es wäre Zeit, sie endlich zu entfernen,
(Ich bin darin bekanntlich rigoros.)
Ob an der Um, ob an der Pleiße Fluten,
Ob Rhein entlang die Schilderhäuschen steh'n,
Der Tatbesland genügt: Man schleilt Rekruten,
Und dieser Schliü darf so nicht weitergeh'n!
Hör' ich das Kriegsbeil beiderseitig wetzen,
Werd' ich —■ verzeih'n Sie — im Gesichte grün,
Der Neo-Stacheldraht und sein Entsetzen
Macht mich zu meiner Selbstverwund'rung kühn.
Die Freiheit und das Recht verlangt nach Taten,
Es trügt uns nimmermehr ihr „kalter" Schein .. .
Kasernen, „Heldentum" und Asiaten:
Wir wollen frei von allen dreien sein!
Ich hab's gewagt vor 25 Jahren,
Ich wag' es heute wiederum, obwohl . ..
Sie wissen selbst: man soll Courage sparen ...
Heil dir, mein Pieck, ich sag's au!s Grotewohl.
CARL ZUCKMAYER
dessen Werke seit 1945 wieder in allen deutschen
Zonen gespielt wc rden, schenkte der deutschen
Jugend nach seinen früheier. Erfolgsstücken „Der
Hauptmann von Köpenick" und „Des Teufels
General" nunmehr die längst von ihm erwartete
Komödie: „Der Obeist von Karlshorst". Wir las-
sen die folgende Szene für sich und den Dichter
selbst sprechen, der z. Zt. in der Zurückgezogen-
heit eines süddeutschen Sanatoriums an einem
der Gemeinde Möln zugesagten Eulenspiegelspiel
arbeiten dürfte.
Freier Laden in der Friedrichstraße
1. Verkäufer: Schlechtet Jeschäft heute. Ick werd'
ma' pinkeln gehn . . .
2. Verkäufer: Ick gloobe, da kommt einer! Haste
det Mikrophon einjestellt?
1. Verkäufer: Mach' du mal! Ick bin gleich Widder
da . . . (Ab zur Toilette)
2. Verkäufer (hebt eine große Käse-Attrappe auf,
unter der ein Mikrophon sichtbar wird. An dem
Apparat hantierend): Allens in Ordnung. Looft
schon ... (Er stülpt die Käse-Attrappe wieder
über das Mikrophon)
Maxe (kommt von der Straße): Könnt' ick viel-
leicht ... Ick wollte nur ma' fragen . . .
1. Verkäufer (kommt zurück. Während er noch
an seiner Hose herumnestelt): Sehr schöner Käse,
mein Herr, ganz frisch . . . Hier, bitte sehr . . .
2. Verkäufer: Dürfen et 100 Gramm sein . . .?
Maxe: Nee, nee ... Ick ... ick wollte mir näm-
lich bloß ma' nach meinem Kollegen erkundigen.
Der is vorgestern hier bei Sie in'n Laden je-
wesen . . . Und . . . äh . . . nu wissense ja: wenn
eener 'n bisken anjetrunken is und bei Ihnen die
Preise hört . . .
1. Verkäufer (interessiert): Unsere Preise sind
bedeutend gesunken, mein Herr . . . Hier der
Käse, mein Herr . . .
2. Verkäufer: Der Herr wollte erst noch was von
seinem Kollegen erzählen. Ist der Kollege Kunde
bei uns?
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Der Simpl
Titel
Titel/Objekt
"Das singende Nilpferd"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Der Simpl: Kunst - Karikatur - Kritik
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-11-5 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Der Simpl, 4.1949, Nr. 19, S. 218.
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg