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C Sturtzkopf

MEMOIREN EINES HAUSKNECHTES

Die Artikelserie „Der große Liebhaber Adolf Hitler", die in der Zeitschrift
„Revue" am Ii. September dem Tag der Opfer des Faschismus, begann, hat
durch die Verhaftung ihres Verfassers, des Reichspropagandaleiters a. D. Her-
mann Esser, glücklicherweise keine Unterbrechung erlitten.
Ein seltsamer Zufall will es, daß zu der gleichen Zeit, in der Esser Enthül-
lungen über Hitler veröffentlicht, ein neuer, bisher unbekannter Autor seine
Erinnerungen an Esser der Öffentlichkeit übergibt.

„Der große Trinker Hermann Esser" betitelt sich ein Tatsachenbericht aus
der Feder Anton Süffelhausers, des einstigen Hausknechtes und späteren
Chauffeurs bei der Familie des ehemaligen Fremdenverkehrsgewaltigen. Die
Memoiren dieses schlichten Mannes, der in der Glanzzeit des Dritten Reiches
mit vielen Persönlichkeiten der nationalsozialistischen und internationalen
Welt in Berührung kam, zeichnen sich durch drastische Unmittelbarkeit und
Klarheit der Beobachtung aus. Sie erscheinen demnächst in der reich bebil-
derten Wochenschrift „Morgenluft" und werden das ihrige dazu beitragen,
die Prominenten des Hitlerregimes der heutigen Leserschaft menschlich
näherzubringen.

Ein Hausknechtsleben, von der 'Erlebniswelt des Modernen her gesehen,
bietet manches, was dem Auge des politischen Beschauers, der nur die große
Linie verfolgt, verborgen bleibt. Aus dem wilden Streit um die Ideale der
Menschlichkeit und des Liberalismus, in dem wir heute abermals stehen,
erhebt sich als Mittelpunkt in versunkener Beschaulichkeit die Maß Bier.
Siiffelhauser erlebt den Menschen Esser — wie auch den Menschen über-
haupt — als Einheit von Gurgel, Magen und Blase. Mit gedanklicher Schärfe
versteht ei es, zentrale Fragen zu durchleuchten und das Bedeutsame auf
knappem Raum, zuverlässig und dennoch in fesselnder Form darzubieten. Im
Chaos des Münchener Getriebes vor dem zweiten Weltkrieg siegt der ge-
sunde Durst Essers über allzu wirres Wollen, bewahrt ihn vor der Teil-
nahme an aufsehenerregenden Greueltaten und geleitet ihn schließlich durch
die Wogen des Zusammenbruches in die wohltuende Stille einer bürgerlichen
Untergrundexistenz.

In kaleidoskopartiger Buntheit ziehen erstklassige geschichtliche Gestalten
am Auge des Lesers vorüber. Agha Khan, der Herzog von Windsor, der

Großmufti — Süffelhauser hat sie alle aus nächster Nähe gesehen. Mit dem
Kraftfahrer Mussolinis führt er ein halbstündiges Gespräch über die zweck-
mäßigste Methode, kleine Reifendefekte durch Anwendung von Gummilösung
provisorisch zu beheben. Daladier bedachte ihn mit einem Trinkgeld, als
er dessen zu Boden gefallenen Herbstüberzieher aufhob und mit der Hand
abstaubte . . -.

Die bekannte Hofbräuhausaffäre Essers, bei der dieser von dem Vater des
Mädchens, dem er nachstellte, Prügel erhalten haben soll, bezeichnet Süffel-
hauser als glatte Erfindung. Das Liebesleben seines Herrn kennzeichnet er
als das einfachste und geradlinigste, das von einem Mann in seiner Position
erwartet werden konnte. Mit Verführungen befaßte sich Esser nie und mit
leichten Mädchen hatte er nicht das geringste zu tun Höchstens, daß er bis-
weilen die eine oder andere Schöne mit in sein Zimmer nahm und mit ihr
nächtigte. Das war aber auch alles.

Süffelhauser ist der Meinung, daß eine Verständigung mit England möglich
gewesen wäre, hätte man Esser mehr Gelegenheit zu selbständigem Handeln
gewährt Als oberste Instanz für den deutschen Fremdenverkehr war ihm
vor allem daran gelegen, die Aufmerksamkeit der angelsächsischen Welt auf
das Münchener Hofbräuhaus zu lenken, dessen süffiges Gebräu sehr wohl ais-
glättendes öl auf dem erregten Meer der Politik gewirkt hätte. Leider wurde
die Stimme des Bieres und der Vernunft innerhalb der Partei nicht genügend
gewürdigt. Gegen Ende des Werkes unterläuft dem Schriftsteller ein verzeih-
licher Irrtum. Er ist inzwischen durch die Ereignisse überholt. Wie aus einigen
Sätzen hervorgeht, wähnt der aufrechte Chauffeur seinen ehemaligen Brot-
herrn in Argentinien. Natürlich konnte ei nicht ahnen, daß dieser schon ge-
raume Zeit in Neubiberg bei München ansässig war.

Süffelhausers Aufzeichnungen stellen eine wertvolle Ergänzung zu dem
„Tagebuch der Eva Braun" und zahlreichen anderen Publikationen dar, in
denen Nazis über Nazis schreiben. Denn, je mehr Nichtigkeiten aus dem
Leben der braunen Führer ans Tageslicht gezerrrt werden, desto eher besteht
die Aussicht, daß das Wesentliche, das sie repräsentierten, in Vergessenheit
gerät. Und das ist doch anerkanntermaßen das vordringlichste Anliegen
unserer Presse! Fast der gesamten ... W. F. K.

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Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Hitler besiegen konnte schließlich jeder"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Der Simpl: Kunst - Karikatur - Kritik
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-11-5 Folio RES

Objektbeschreibung

Objektbeschreibung
Bildunterschrift: "Hitler besiegen konnte schließlich jeder, aber als Verleger ohne Hitler leben, das machen sie mir erst mal vor!" Bildbeschriftung: "Extrablatt. Hitler und der § 175"

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Sturtzkopf, Carl
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Der Simpl, 4.1949, Nr. 21, S. 247.

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