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DER MIT DEN

STEIN BEILEN

Schuld allein hat nur jener Troglodyte!

Statt des üblichen einen Beiles besaß er 'deren vier. Pfiffig, wie er war, verlieh
er drei davon an seine Gefährten. Gegen fünfzigprozentige Beteiligung am
Jagdertrag. Und konstituierte damit das Zinswesen.

Die vier Steinbeile waren totes Kapital, eines gerade konnte er selbst gebrau-
chen. Da kam er auf die Idee, die anderen durch Ausleihen zu rentabilisieren:
„Ihr habt keine Beile mehr, Höhlengenossen, müßt jämmerlich hungern, wenn
das Dörrfleisch aus- und die Jagd angeht! Mache Euch einen Vorschlag: Jeder
bekommt von mir ein Beil! Und liefert dafür von seinem Fleisch ab — sagen
wir fifty-fifty!"

„Okeh!", erwiderten die Beillosen, nahmen den Kredit auf und wurden Zins-
zahler beim Steinbeilkapitalisten.

Der lebte von nun an nicht schlecht. Nach dem inzwischen berühmt gewordenen
Grundsatz, andere für sich arbeiten zu lassen. Da er selbst auch auf die Jagd
ging, besaß er Fleisch in Hülle und Fülle. Das tauschte er bei älteren Troglo-
dytenwitwen gegen die Beile ihrer verstorbenen Männer ein. Rüstete weitere
Genossen damit aus und vergrößerte im Handumdrehen seine Firma.
Die kräftigsten der Angestellten schickte er auf Mammuts, die weniger musku-
lösen auf Wildpferde. Die listigsten aber mußten sich auf die selten gewor-
denen Iguanodons spezialisieren. So brachte er Zug in die Sache, die Arbeit
wurde aufgeteilt, und die Mammut- oder Wildpferdspezialisten erbeuteten
mehr als die anderen Troglodyten, die heute einem Archäopteryx, morgen
einem Molchfisch nachstellten.

Eines Tages waren die Iguanodons ausgestorben. „Eigentlich müßte ich Euch
entlassen", sagte der mit den Steinbeilen zu den Iguanodonleuten, aber ich

will nicht so sein--Ihr geht künftig auch auf Mammuts! Bloß fifty-fifty, das

is' nich' mehr! Ihr versteht nicht viel von Mammuts--sagen wir vierzig

Prozent für Euch, den Rest für mich!"

Die neuen Mammutjäger murrten. Dann aber meinten sie: „Ehe wir stempeln
gehen ..."

Das Geschäft des Pfiffigen florierte immer mehr.

Eines Tages bekam er Krach mit einem aus der Nachbarsiedlung. Das war der
gröbste unter allen Troglodyten weit und breit und hatte einen Bizeps wie 'ne
Kokosnuß. „Morgen komme ich", brüllte er, „und verpasse dir eine Naht, du —
du mit deinen vier Steinbeilen!"

„Siebenzehn sind es jetzt", antwortete schlicht der andere, „und du darfst ruhig
kommen!"

Er kam und ward von den siebenzehn Beilen zu Beefsteak Tartar verarbeitet.
Noch bei anderer Gelegenheit bewies der Steinbeilkapitalist, daß Eigentum
auch physische Kraft zu ersetzen vermag.

Als er starb, hinterließ er seinen Erben außer den Beilen noch einen Sack mit
guten Ratschlägen. Leider hatte der ein Loch, und so sickerte manches durch.
Es entstanden nach und nach ähnliche Unternehmen, die nach gleichen Prin-
zipien arbeiteten.

Jahrtausende vergingen, der Sakko verdrängte den Fellumhang, die Maschi-
nenpistole das Steinbeil, und die Troglodyten wohnten nunmehr in künstlichen
Höhlen, rauchten Chesterfield und waren auf die Zeitung abonniert. Mam-
muts konnten sie nicht mehr jagen, die gab es schon lange nicht mehr, statt
dessen fabrizierten sie Uhrräder, schrieben Bücher oder verpackten Orangen in
Holzkisten: Auch damit verdiente man sein Brot.

Sonst änderte sich nicht viel. Den Spezialisten ging es wie früher, sogar noch
etwas schlechter, denn im Zuge der fortschreitenden Arbeitsteilung hatten sich
alle und noch weiter spezialisieren müssen. War die Lage auf dem Orangen-
markt mies, so sagte der Südfruchtimporteur zu seinen Packern: „Habe jetzt
keine Arbeit für Euch, Ihr wißt ja — die Orangen! Aber ich will nicht so sein
— Ihr könnt kalifornische Äpfel in Papier wickeln. Bloß fünfunddreißig die
Woche is' nich' mehr--neunundzwanzig!"

Und die Orangenpacker murrten. Dann aber meinten sie: „Ehe wir stempeln
gehen ..."

Es blieb im Grunde alles, wie es war, der Unternehmer und Vermittler lebte
besser als der von ihm Gedungene, und je mehr sich die Verhältnisse kompli-
zierten, je spezialisierter die Spezialisten wurden, desto größer wurde die Kluft
zwischen arm und reich, desto unerquicklicher die Verhältnisse.
Eines Tages rottete sich ein Haufen beschäftigungsloser Troglodyten zusam-
men: „Schluß, Schluß mit dem Unternehmertum, dem Privatkapitalismus, dem
gehorteten Eigentum! Aller Besitz der Allgemeinheit! Das Kollektiv soll ihn
in unserem Interesse verwalten!" Und sie enteigneten in ihrem Lande die Ka-
pitalisten, verstaatlichten die Fabriken, machten aus Gütern Kolchosen und
wählten Funktionäre, die alles zu überwachen hatten: „Jetzt wird's besser,
jetzt arbeiten wir nicht für den Privatunternehmer, sondern für den Staat, und
alles kommt uns zugute!"

Es kam ihnen nichts zugute. Die Funktionäre benahmen sich um kein Jota
besser als die Unternehmer. Muckste man auf, drohten sie mit der Polizei: „Wir
sind hier keine Privatanstalt, wo jeder tun und lassen kann, was er will! Wir

arbeiten für den Staat. Wer die Arbeit verweigert, ist Saboteur und wird--

also tut was befohlen und bedenkt, daß wir den Privatkapitalismus in den
anderen Ländern zerschlagen müssen!"

Bei den Troglodyten, die noch nach dem alten System arbeiteten, wurde ähn-
liches geredet: „Der Staatskapitalismus will Eure Freiheit vernichten und Euch
zu Sklaven machen. Darum Schluß mit Streiks, tut Eure Pflicht in den Fabriken,
wir müssen bereit sein, wenn der Feind angreift!"

Mit der Zeit wurden die Worte immer schärfer, sie hallten hinüber und her-
über. Schließlich beschloß jede der beiden Troglodytenparteien, daß der Welt-
friede gefährdet sei — durch die andere. Und fing an, Atombomben statt Uhr-
räder zu bauen. Und dann--

Ja, hier wird das Märchen Wirklichkeit.

Und ich sage es noch einmal: Schuld an allem ist nur jener verfluchte Kerl mit
seinen vier Steinbeilen! W. Köhler

'///

A, Thiermann: ROTER MAIN BEI KULMBACH

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Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Roter Main bei Kulmbach"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Der Simpl: Kunst - Karikatur - Kritik
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-11-5 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Thiermann, Adolf
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Der Simpl, 4.1949, Nr. 23, S. 275.

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CC0 1.0 Public Domain Dedication
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