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Herrmann: Was! Helakon! Das liegt in Asche schon.
Ich meine, was jetzt eben Feuer griff?
Erster Ältester Ganz recht' Das ist Thuiskon, mein
Gebieter!

Die Flamme schlägt jetzt übern Wald empor . . .
Erster Ältester: Drei deiner blühendsten Plätze sind

geplündert,
Entflohn die Horden,

Alle Hütten und Gezelte den Flammen preisgegeben!
Herrmann (heimlich und freudig): Geh, geh Siegrest!

Spreng aus, es wären sieben!
Zweiter Ältester: Was — was gebeut mein König?
Eginhard!: Herrmann sagt — (er nimmt ihn beiseite).

Hier unterbreche ich meinen Oberlehrer und nehme
ihm das Buch aus der Hand. Steht das wirklich in
der Herrmannsschlacht? Tatsächlich — da steht's.
Während Eginhardt-Goebbels den etwas begriffs-
stutzigen zweiten Ältesten über die Kriegslist aus
drei sieben zu machen aufklärt, kommt ein Bote mit
Hiobsnachrichten-

Mein Fürst, man schickt von Herthakon mich her,

Dir eine gräßliche Begebenheit zu melden!

Ein Römer ist in diesem armen Ort mit einer Wöchnerin
in Streit geraten

Und hat des Kindes Schädel

An seiner Mutter Schädel eingeschlagen.

Die Feldherren, denen man die Greueltat gemeldet,

Die Achseln haben sie gezuckt, die Leichen

In eine Grube heimlich werfen lassen.

Herrmann: Geh! Fleuch! Verbreit es in dem PlatzGovin,

Versidiere von mir, den Vater hätten sie lebendig,

Weil er zürnte, nachgeworfen!

Bote: Wie? Mein erlauchter Herr???

Eginhardt (nimmt ihn beim Arm): Ich will dir sagen (er
spricht heimlich mit ihm).

Ein Weib: Beim Himmel, da erscheint der dritte schon.

2. Bote: Mein Fürst, du mußt dich eiligst jetzt nach

Helakon verfügen,
Die Römer fällten dort, man sagt mir aus Versehen,
Der tausendjähr'gen Eichen eine . . .
Herrmann: Man hat mir hier gesagt, die Römer hätten

die Gefangenen
gezwungen, Zeus, ihren Greuelgott, kniend anzubeten.
2. Bote: Nein, mein Gebieter, davon weiß ich nichts.
Herrmann: Nicht? Nicht? — Ich hab' es von dir selbst

gehört.
2. Bote: Wie? Was?

Herrmann (in den Bart): Wie? Was? Die deutschen
Uren!

— Bedeut ihm, was die List sei, Eginhardt.

Eginhardt: Versteh, Freund Ottokar, der König meint —

(er nimmt ihn beim Arm und spricht heimlich mit ihm)

Kleist beschränkt sich nicht etwa darauf uns zu
zeigen, wie man in Gauleiterkreisen die Propa-
gandamaschine ankurbelt, sondern er zeigt uns auch
die Wirkung auf die gutgläubigen Germanen. Ein
altes Weib sagt im Vertrauen auf diese auf-
gebauschte Stimmungsmache:

Ein Weib: Solche Zügellosigkeit, beim hohen Himmel,

In Freundes Land noch obendrein,

Ward doch, seitdem die Welt steht, nicht erlebt!

Hier haben wir wieder einen typischen Fall von
Kollektivschuld. Wenn wir uns ausrechnen, daß
dieses Weib in rund 1900 Jahren bei germanischer
Gebärfreudigkeit nach dreißig Jahren nur vier Enkel
bekam und jeder von diesen Enkeln bekam dann
wieder je vier Kinder, Enkel usw. usw., so darf ich
Ihnen in diesem allzu leichtgläubigen Weib die
Stammutter unserer heutigen Mitläufer vorstellen.
Inzwischen bemüht sich Herrmann nicht nur seine
Germanen aufzuhetzen, sondern auch seine eigene
Frau, die er ausgerechnet „Thuschen" nennt:

Herrmann (heiter): Ei, Thuschen! Sieh mein Stern! Was

Bringst du mir? Nun, Herzchen sprich,

Wie geht's dir, mein Planet. Was macht

Ventidius, dein Mond? Du sahst ihn?

Thusnelda: Aus meinem Zimmer eben ging er tort.
Dieses Thuschen scheint wirklich ein „Herzchen" zu
sein und Herrmann paßt dieser Flirt nicht. Darum
erzählt er auch ihr seine bewährten Greuelmärchen:

Herrmann: Thuschen, Thuschen. Wie wirst du aussehn
Liebste,

Wenn du mit einem kahlen Kopf wirst gehen . .
Sie scheren dich so kahl wie eine Ratze.
Thusnelda: Wer wird den Kopf mir . . .?
Herrmann: Wer? Ei, Quintilius Varus und die Römer

— Die röm'schen Damen müssen doch, wenn sie sich

schmücken,
hübsche Haare haben.

Thusnelda: Nun, haben denn die röm'schen Damen keine?
Herrmann: Nein, sag ich! Schwarze, schwarz und fett

wie Hexen,
Nicht hübsche, trockne, goldene, so wie du.
Die schwarzen Haare schneiden sie sich ab
Und hängen unsre blonden um die Platte.
Thusnelda (glühend): Bei allen Rachegöttern!
Mit welchem Recht, wenn dem so ist,
Vom Kopf uns aber nehmen sie sie weg?

Nun ist Thusnelda ebenso in Fahrt gekommen wie
das Weib vorher:

Thusnelda: Das sind ja Tiere, Querkopf du, und keine
Menschen.

Herrmann: Ja, mein Thuschen, was ist der Deutsche

in der Römer Augen.
Thusnelda: Nun doch kein Tier hoff ich —?
Herrmann: Was? — Eine Bestie, die auf vier Füßen

in den Wäldern
läuft, ein Tier, das ausgeweidet und gepelzt dann wird.
Thusnelda: Ei, die verwünschte Menschenjägerei,
Ei, der Dämonenstolz, der Hohn der Hölle.
Herrmann (lacht): Nun wird ihr bang um ihre blonden

Haare.

Ei, d«r Potz — böse ist Thuschen, bitterböse. Von
Eginhardt-Goebbels bekommt Herrmann die „Schrek-
kensnachricht", daß die Römer sich anständig be-
nehmen. Sie sind friedlich ausTeutoburg abgezogen.

Herrmann: Ich aber rechnete auf Feuer, Raub. Gewalt
und Mord

Und alle Greuel des fessellosen Krieges.
Was brauch ich Römer, die mir Gutes tun?
Kann ich den Römerhaß in der Cherusker Herzen nicht
entfesseln,

So scheitert meine ganze Unternehmung. —
Verflucht sei diese Zucht in den Kohorten,
Ich stecke, wenn sich niemand rührt,
Ganz Teutoburg an allen Ecken an.
Eginhardt: Nun — nun, es wird sich wohl ein Frevel
finden.

Herrmann: Komm, laß uns heimlich durch die Gassen
schleichen

Und sehn, ob uns der Zufall etwas beut. —
Und siehe: Der liebe deus-ex-machina-Zufall wai
so nett und kam zu Hilfe: Hally, die Tochter des
Schneiders Teuthold, nahm den Schleier. Wohl-
gemerkt, sie wurde nicht etwa Nonne, sondern ganz
im Gegenteil. Sie ließ sich den bunten Schleier
schenken, den die Besatzungstruppen nach Germa-
nien mitgebracht hatten, um sich bei den „Fräulein"
beliebt zu machen. Heute nennt der Landser das
„Nahkampfspangen". Auf Vater Teuthold hatte der
bunte Schleier wie ein rotes Tuch gewirkt, und ei
hatte seine Tochter kurzerhand erstochen. Herr-
mann und Eginhardt, auf der Suche nach „Zwischen-
fällen", kommen hinzu und lassen sich berichten:
Der 1. Cherusker: Eine ganze Meute von geilen Römern
Hat bei der Dämm'rung schamlos eben jetzt . . .
Herrmann (zum Vater): Brich auf und trage die Jungfrau,
Die Geschändete, in einen Winkel deines Hauses hin!
Wir zählen 15 Stämme der Germanen. In 15 Stücke mit

des Schwertes
Schärfe teil ihren Leib, und schick mit 15 Boten,
Ich will dir 15 Pferde dazu geben, den 15 Stämmen ihn
Germaniens.

Der (Leib) wird in Deutschland dir zur Rache werben. . .
Das Volk: Empörung, Rache, Freiheit!---

Während Teuthold seine Tochter tranchiert und sich
überlegt, welchen der 15 Teile er an welchen der
15 Stämme schicken soll, wird der erste Gefangene
eingebracht, der Römer Septimius.

Septimius: Hier ist mein Schwert!

Herrmann: Führt ihn hinweg und laßt sein Blut

des Vaterlandes dürren Boden trinken!

Septimius: Wie, du Barbar? Mein Blut? Das wirst du

nicht —
Herrmann: Warum nicht?

Septimius (mit Würde): Weil ich dein Gefangener bin!

An deine Siegerpflicht erinn'r ich dich.

Herrmann: An Pflicht und Recht! Sieh da, er hat das

Buch von Cicero gelesen.
Was müßt ich tun, sag an nach diesem Werk?
Septimius: Mein Haupt, das wehrlos vor dir steht
Soll deiner Rache heilig sein.
Also gebeut dir das Gefühl des Rechts
In deines Busens Blättern aufgeschrieben.
Herrmann: Nehmt eine Keule doppelten Gewichts
Und schlagt ihn tot.

Septimius: Hier unterlieg ich, weil ich mit Helden

würdig nicht zu tun.
Der das Geschlecht der königlichen Menschen
Besiegt in Ost und West, der ward
Von Hunden in Germanien zerrissen.
Das wird die Inschrift meines Grabmals sein.
Das Heer (in der Ferne): Hurra, hurra — der Nornen-

tag bricht an!

Herrmann hat seinem Thuschen erzählt, daß angeb-
lich ein Bote des Legaten Ventidius abgefaßt sei
den der Römer an seine Kaiserin Livia mit einem
Brief geschickt habe. Dem Brief habe eine blonde
Locke Thuschens beigelegen, die Ventidius ihr ge-
raubt habe. Der Brief ging als „Muster ohne Wert",
denn er kündigt der Kaiserin Livia an, daß der
gesamte Zopf Thuschens als Wertpaket folgen
werde, sobald Ventidius erst einmal bei einem
Schäferstündchen Gelegenheit haben werde, der
Cheruskerfürstin die „Platte" kahl zu scheren.
Thuschen lädt den Römer Ventidius zum Stelldich-
ein, und „auf die Lispelfrage: wo?" bezeichnet sie
ihm eine einsame Felsschlucht. Dort „heißer Brunst
voll harrt sie schon auf ihn". Thuschen führt ihren
Ventidius an der Hand durch ein Tor, stößt ihn hin-
ein und wirft das Tor hinter ihm zu. Er befindet sich
unvermutet im Käfig der „zottelschwarzen Bärin von
Cheruska". Ventidius berichtet uns nach Art eines
Sportberichterstatters oder Rundfunkansagers, was
er dort im Käfig alles erlebt:

Ventidius (mit Entsetzen): Zeus, du der Götter und der
Menschen Vater. Was für ein Höllenungetüm erblick
ich?

Thusnelda (durch das Gitter): Was gibt's. Ventidius,
was erschreckt dich so?

Ventidius: Die zottelschwarze Bärin von Cheruska

Steht mit gezückten Pranken neben mir.

Thusnelda: O nein, Thusnelda ist's, die Fürstin.

Von deren Haupt, der Livia zur Probe,

Du jüngst die seidne Locke angelöst.

Laß die Gelegenheit dir nicht entschlüpfen

Und ganz die Stirn jetzt schmeichelnd scher ihr ab.

Ventidius: Zeus, du der Götter und der Menschen Vater,

Sie bäumt sich auf, es ist um midi geschehn!

Thusnelda (durch das Gitter): Ach, wie die Borsten,
Liebster, schwarz und starr,

Der Livia, deiner Kaiserin, werden stehen.

Ventidius: Zeus, du der Götter und der Menschen Vater

Sie schlägt die Klauen in meine weiche Brust.

Childerich (Zwingerwärter): Wo ist der Schlüssel?

Ventidius (schmerzvoll): Weh mir, weh mir.

Ach, o des Jammers, weh mir! O Thusnelda.
Immerhin besitzt Thuschen nach dieser scheußlichen
Szene noch soviel Geschmack, daß sie ihrer Diene-
rin „sinnberaubt in den Arm" fällt, „die Gräßliche".
Die Schlacht im Teutoburger Wald ist geschlagen.
Von allen „32 Seiten" wird Sieg verkündet. Plötzlich
kommen Eginhardt-Goebbels doch Bedenken, und
er sagt zu Herrmann:

Eginhardt: Doch hier, o Herr, schau her! Das sind die
Folgen

Des Kampfes mit den Römern. Ganz Teutoburg siehst
du in Schutt und Asche.

Herrmann: Mag sein! Wir bauen uns ein schönres auf.
Als Gefangener wird Aristan, Fürst der Ubier, vor-
geführt. Kurzerhand sagt

Herrmann: Führt ihn hinweg und werft das Haupt
ihm nieder!

Aristan: Wie, du Tyrann, du scheutest dich so wenig?

Herrmann: Führt ihn hinweg! Was kann er sagen, das
ich nicht schon weiß?
Man sieht, von zeitraubenden Gerichtsverfahren hat
man in Deutschland schon vor fast 2000 Jahren
nichts gehalten,

Heiter, wie sich Herrmann von seinen Zuhörern ver-
abschiedet:

Herrmann: Und nun — nach Rom! Wir oder unsre Enkel.

Denn eh doch — seh ich ein (!) — erschwingt (!) der
Kreis der Welt

Vor dieser Mordbrut keine Ruhe,

Als bis das Raubnest ganz zerstört

Und nichts, als eine schwarze Fahne,

Von seinem öden Trümmerhaufen weht.

Alle: Heil Herrmann, Heil! Deutschlands Befreier Heil!
Am heitersten die Tatsache, daß dieses Stück, in
dem all das enthalten ist, was wir besser verlernen
sollten, heute wieder auf dem Lehrplan der höheren
Lehranstalten steht.

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München23, Werneckstr. 15a. Fernruf: 362072. Postscheckkonto: München, Freitag-Verlag Gm.b.H. 91930. — Herausgeber u. allein verantwortlicher Chefredakteur: Willi Ernst Freitag. — Redaktion:
M. Schrimpf. — Sprechstunden: Dienstag u. Donnerstag v. 9 bis 12 Uhr. — Für unverlangt eingesandte Manuskripte u. Zeichnungen wird keine Gewähr übernommen. Freiumschlag ist beizulegen. —
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