,,\ch hab' dir's ja gleich gesagt, du hättest ihnen nicht für 250 Mark das freie Durchfahrtsrecht gewähren sollen!"
FORTSCHRITT
Allzulange hatte sich die Vergangenheit auf soge-
nannte „Meisterwerke", das heißt, auf die Bewer-
tung von Qualität, eingestellt. Es soll und will nun
keinesfalls verkannt werden, daß etwa Rembrandt
als begabter und tüchtiger Meister seines Faches
gelten darf. Bildet uns Heutigen aber die Qualität
seiner Werke den einzigen und entscheidenden
Maßstab? Oder, um diese Frage auf Persönlichkeiten
anzuwenden, die uns zeitlich näherstehen: kann
der Ruhm eines Caruso, Renoir, Gerhart Haupt-
mann vor unseren anders gearteten Ansprüchen
noch bestehen? Denn das Kriterium hat sich ver-
lagert, und die Frage lautet heute: wie lange
konnten diese Männer vor dem Flügel oder der
Staffelei stehen, wie lange dichtend am Schreibtisch
sitzen, ohne zu ermüden? Uberprüfen wir daraufhin
Ihre Werke, so mag sein, daß heute mancher bisher
Unbekannte ihren Ruhm überstrahlt. Im fortschritt-
lichen Zeitalter der Sechstagerennen ist uns die
Dauerleistung zum Maßstab der Bewertung gewor-
den. Es darf als Kuriosum der Geschichte gelten,
daß auf einem ganz anderen Gebiet schon vor
40 und 50 Jahren die Dauerleistung anerkannt
wurde und ihre Triumphe feiern konnte. So be-
richtete beispielsweise eine Sonderausgabe der
Würzburger Zeitung „Marktbärbele" vom Jahre 1902
über einen Rekord im Schaffkopfen, der damals —
die Zeit wird sich seither noch verbessert haben —
mit einer Dauer von 68 Stunden, 31 Minuten allge-
meines Aufsehen erregte. Erst in neueste/ Zeit aber
haben sich auch Tanz und Musik der modernen
Forderung angepaßt, und so würden denn etwa
Isidora Duncan oder Paganini mit ihren qualitativ
guten, zeitlich aber sehr mäßigen Leistungen weit
hinter dem heutigen Dauertanz und der heutigen
Dauermusik (amerikanischer Weltrekord: 96 Stun-
den) liegen. Als neuester Wettbewerb darf aber
wohl das kürzlich ausgetragene Dauerküssen mit
seiner erstaunlichen Spitzenleistung von 86 Stunden,
32 Minuten, 6V2 Sekunden gelten. Wir folgen im
weiteren dem Bericht der Illustrierten Zeitschrift
„FRACK UND ABENDKLEID".
Zu einem der größten Ereignisse dieser Saison
wurde der am 17. Dezember im Hotel „Atlantis" aus-
getragene Preiswettbewerb im Dauerküssen. Kaum
vermochte der geräumige Saal die Masse jener zu
fassen, die Zeugen dieser einzigartigen Veranstal-
tung sein wollten. Geheimrat Kümmerlein vom
Krankenhaus der Barmherzigen Schwestern hatte
sich anerkennenswerterweise in den Dienst des
Abends gestellt, und seiner gewissenhaften ärzt-
lichen Vorsicht ist es zu verdanken, daß bereits bei
Denn wir fahren ...
Der Bundes-Käptn fuhr hinaus
trotz Klippen, Sturm und Riffe.
Wir hab'n nun mal den Bogen raus
und kriegen jetzt mehr Schiffel
Hochstapellauf um höchste Gunst!
„Werft" Sekt an Bug und Hecken!
Pferdmengt es mit der großen Kunst,
sich nach dem Deck zu strecken!
Die Bundes-Reederei in Bonn
erfaßt ein holder Schauer.
O rühre, rühre nicht daran ...
Ahoi, a Cloy, A'dnauer. H. H.
der Voruntersuchung von den 29 angemeldeten Kuß-
paaren zweiundzwanzig wegen Unterernährung von
der Konkurrenz ausgeschlossen wurden. Punkt
20 Uhr begann das Küssen der sieben zugelassenen
Paare. Sehr rasch, das heißt, nach acht Stunden
schon schied das Ehepaar Kumpfmüller aus der Kon-
kurrenz. Die Erklärung des Ehemannes, im Küssen
einer fremden Dame hätte er vermutlich einen Welt-
rekord aufgestellt, wurde verständnisvoll aufge-
nommen. In der 26. Stunde mußte Fräulein Hühner-
wadl wegen eines über vierzehn Minuten andauern-
den sogenannten „Schwesternkusses" disqualifiziert
werden, weil dieser die Lippenmuskulatur nicht
beansprucht und deshalb verboten war. Vom Tanz-
paar 4 erlitt Herr Brosam einen Kinnladenkrampf,
doch gibt sein Befinden im Krankenhaus zu keiner
Besorgnis Anlaß. Der Wettkampf der restlichen
vier Paare nahm von Kuß zu Kuß an Härte zu, wäh-
rend die erregten, durch einen Totalisator in-
teressierten Zuschauer ihre Favoritenpaare mit Zu-
rufen wie „Küssen ist keine Sünd'!" zum Durch-
halten anfeuerter^^Nach weiteren 15 Stunden er-
eignete sich bei P?Hr 2 der einzige Todesfall des
Abends durch Herzschlag. Von Paar 3 mußte der
männliche Partner nach weiteren sieben Stunden
disqualifiziert werden, weil er, im Halbschlaf be-
reits und wohl daran gewöhnt, statt des Mundes das
Ohrläppchen seiner Partnerin küßte. Das vorletzte,
an der Konkurrenz noch beteiligte Paar gab den
Kampf auf, da die Lippen des Fräulein Höllriegel,
schon an vielen Stellen schwer angeschlagen, eine
weitere Beanspruchung nicht mehr zuließen. So blieb
denn schließlich Paar 5 mit Herrn Klupperer und
Fräulein Daxenrieder unter dem tosenden Beifall
der Zuschauer Sieger in der ungewöhnlich schweren
Konkurrenz. Der Verband der Lippenstiftfabrikan-
ten hatte sinnigerweise für den Meister des Dauer-
küssens einen in Silber getriebenen Eber, für die Sie-
gerin einen prachtvollen Zuckerguß des Cupido aus-
gesetzt. Am folgenden Tag wurde das siegreiche Paar
vom Ministerpräsidenten empfangen. A. Wisbeck
310
FORTSCHRITT
Allzulange hatte sich die Vergangenheit auf soge-
nannte „Meisterwerke", das heißt, auf die Bewer-
tung von Qualität, eingestellt. Es soll und will nun
keinesfalls verkannt werden, daß etwa Rembrandt
als begabter und tüchtiger Meister seines Faches
gelten darf. Bildet uns Heutigen aber die Qualität
seiner Werke den einzigen und entscheidenden
Maßstab? Oder, um diese Frage auf Persönlichkeiten
anzuwenden, die uns zeitlich näherstehen: kann
der Ruhm eines Caruso, Renoir, Gerhart Haupt-
mann vor unseren anders gearteten Ansprüchen
noch bestehen? Denn das Kriterium hat sich ver-
lagert, und die Frage lautet heute: wie lange
konnten diese Männer vor dem Flügel oder der
Staffelei stehen, wie lange dichtend am Schreibtisch
sitzen, ohne zu ermüden? Uberprüfen wir daraufhin
Ihre Werke, so mag sein, daß heute mancher bisher
Unbekannte ihren Ruhm überstrahlt. Im fortschritt-
lichen Zeitalter der Sechstagerennen ist uns die
Dauerleistung zum Maßstab der Bewertung gewor-
den. Es darf als Kuriosum der Geschichte gelten,
daß auf einem ganz anderen Gebiet schon vor
40 und 50 Jahren die Dauerleistung anerkannt
wurde und ihre Triumphe feiern konnte. So be-
richtete beispielsweise eine Sonderausgabe der
Würzburger Zeitung „Marktbärbele" vom Jahre 1902
über einen Rekord im Schaffkopfen, der damals —
die Zeit wird sich seither noch verbessert haben —
mit einer Dauer von 68 Stunden, 31 Minuten allge-
meines Aufsehen erregte. Erst in neueste/ Zeit aber
haben sich auch Tanz und Musik der modernen
Forderung angepaßt, und so würden denn etwa
Isidora Duncan oder Paganini mit ihren qualitativ
guten, zeitlich aber sehr mäßigen Leistungen weit
hinter dem heutigen Dauertanz und der heutigen
Dauermusik (amerikanischer Weltrekord: 96 Stun-
den) liegen. Als neuester Wettbewerb darf aber
wohl das kürzlich ausgetragene Dauerküssen mit
seiner erstaunlichen Spitzenleistung von 86 Stunden,
32 Minuten, 6V2 Sekunden gelten. Wir folgen im
weiteren dem Bericht der Illustrierten Zeitschrift
„FRACK UND ABENDKLEID".
Zu einem der größten Ereignisse dieser Saison
wurde der am 17. Dezember im Hotel „Atlantis" aus-
getragene Preiswettbewerb im Dauerküssen. Kaum
vermochte der geräumige Saal die Masse jener zu
fassen, die Zeugen dieser einzigartigen Veranstal-
tung sein wollten. Geheimrat Kümmerlein vom
Krankenhaus der Barmherzigen Schwestern hatte
sich anerkennenswerterweise in den Dienst des
Abends gestellt, und seiner gewissenhaften ärzt-
lichen Vorsicht ist es zu verdanken, daß bereits bei
Denn wir fahren ...
Der Bundes-Käptn fuhr hinaus
trotz Klippen, Sturm und Riffe.
Wir hab'n nun mal den Bogen raus
und kriegen jetzt mehr Schiffel
Hochstapellauf um höchste Gunst!
„Werft" Sekt an Bug und Hecken!
Pferdmengt es mit der großen Kunst,
sich nach dem Deck zu strecken!
Die Bundes-Reederei in Bonn
erfaßt ein holder Schauer.
O rühre, rühre nicht daran ...
Ahoi, a Cloy, A'dnauer. H. H.
der Voruntersuchung von den 29 angemeldeten Kuß-
paaren zweiundzwanzig wegen Unterernährung von
der Konkurrenz ausgeschlossen wurden. Punkt
20 Uhr begann das Küssen der sieben zugelassenen
Paare. Sehr rasch, das heißt, nach acht Stunden
schon schied das Ehepaar Kumpfmüller aus der Kon-
kurrenz. Die Erklärung des Ehemannes, im Küssen
einer fremden Dame hätte er vermutlich einen Welt-
rekord aufgestellt, wurde verständnisvoll aufge-
nommen. In der 26. Stunde mußte Fräulein Hühner-
wadl wegen eines über vierzehn Minuten andauern-
den sogenannten „Schwesternkusses" disqualifiziert
werden, weil dieser die Lippenmuskulatur nicht
beansprucht und deshalb verboten war. Vom Tanz-
paar 4 erlitt Herr Brosam einen Kinnladenkrampf,
doch gibt sein Befinden im Krankenhaus zu keiner
Besorgnis Anlaß. Der Wettkampf der restlichen
vier Paare nahm von Kuß zu Kuß an Härte zu, wäh-
rend die erregten, durch einen Totalisator in-
teressierten Zuschauer ihre Favoritenpaare mit Zu-
rufen wie „Küssen ist keine Sünd'!" zum Durch-
halten anfeuerter^^Nach weiteren 15 Stunden er-
eignete sich bei P?Hr 2 der einzige Todesfall des
Abends durch Herzschlag. Von Paar 3 mußte der
männliche Partner nach weiteren sieben Stunden
disqualifiziert werden, weil er, im Halbschlaf be-
reits und wohl daran gewöhnt, statt des Mundes das
Ohrläppchen seiner Partnerin küßte. Das vorletzte,
an der Konkurrenz noch beteiligte Paar gab den
Kampf auf, da die Lippen des Fräulein Höllriegel,
schon an vielen Stellen schwer angeschlagen, eine
weitere Beanspruchung nicht mehr zuließen. So blieb
denn schließlich Paar 5 mit Herrn Klupperer und
Fräulein Daxenrieder unter dem tosenden Beifall
der Zuschauer Sieger in der ungewöhnlich schweren
Konkurrenz. Der Verband der Lippenstiftfabrikan-
ten hatte sinnigerweise für den Meister des Dauer-
küssens einen in Silber getriebenen Eber, für die Sie-
gerin einen prachtvollen Zuckerguß des Cupido aus-
gesetzt. Am folgenden Tag wurde das siegreiche Paar
vom Ministerpräsidenten empfangen. A. Wisbeck
310
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Der Simpl
Titel
Titel/Objekt
"Ich hab' dir's ja gleich gesagt"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Der Simpl: Kunst - Karikatur - Kritik
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-11-5 Folio RES
Objektbeschreibung
Objektbeschreibung
Bildunterschrift: "Ich hab' dir's ja gleich gesagt, du hättest ihnen nicht für 250 Mark das freie Durchfahrtsrecht gewähren sollen!"
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Der Simpl, 4.1949, Nr. 26, S. 310.
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg