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Der Simpl: Kunst, Karikatur, Kritik: Der Simpl: Kunst, Karikatur, Kritik — 5.1950

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https://doi.org/10.11588/diglit.6592#0039
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KONSULATSDIENST

Von Walter F. Kloeck

Bei der stetig zunehmenden Auswanderungs-
lust, wie sie durch die Entwicklung der Ver-
hältnisse in unserem Lande bedingt ist, dürfte
für weite Kreise der Bevölkerung die Nachricht
von Interesse sein, daß das aus der Hitlerzeit
rühmlichst bekannte KONSULAT für INNERE
EMIGRATION dieser Tage seine Pforten wieder
geöffnet hat. Auf Grund des ungeschriebenen
Gesetzes zur seelischen Selbstbehauptung (30.
I. 33) wurde Generalkonsul Prof. Thomas R.
Malthus die Exequatur erteilt. Die Amtsräume
befinden sich irgendwo am Platz der Opfer des
Faschismus und sind durchgehend von 0 Uhr
bis 24 Uhr für den Parteiverkehr geöffnet.
Personen, welche erneut den Weg in die innere
Emigration beschreiten wollen, seien auf fol-
gendes aufmerksam gemacht: Visa aus der
Hitlerzeit behalten ihre Gültigkeit, doch bedür-
fen sie einer Erneuerung durch den imaginären
Generalkonsul bzw. dessen Stellvertreter. An-
träge auf Visumverlängerung (die gebühren-
frei behandelt werden) sind innerhalb der
nächsten vier Wochen einzureichen, unter
möglichst genauer Angabe der Gründe, welche
den Visuminhaber bewogen, seit 1945 in die
rauhe Wirklichkeit zurückzukehren.
Neuanmeldungen zur seelischen Auswande-
rung werden ab sofort entgegengenommen.
Antragsteller können sich auf einer Warte-
liste vormerken lassen und unverzüglich an
die Beschaffung der zur Erlangung eines Vi-
sums nötigen Unterlagen schreiten. Zur Aus-
wanderung sind erforderlich: a) Besinnlich
überdachter Lebenslauf; b) rückhaltloses Be-
kenntnis zum Pazifismus; c) kurze Darlegung
der Gründe, die den Antragsteller veranlassen,
sich von dem Getriebe seiner jetzigen Umwelt
abzuwenden und sich die Welt abermals den
Buckel raufsteigen zu lassen.
Obige menschliche Dokumente sind in ein-
fachster Ausfertigung, jedoch klarer und be-

stimmter Abfassung, dem Konsulat in der
Phantasie zu unterbreiten. Sobald die entspre-
chende Nummer auf der Warteliste aufgerufen
wird, begibt sich der Antragsteller zu persön-
licher Vorstellung auf das Konsulat, wo er
sich einer gewissenhaften Untersuchung seines
Seelenlebens, sowie einer Intelligenzprüfung
zu unterziehen hat. Die Intelligenzprüfung, die
den Nachweis der Eignung für die innere Emi-
gration erbringen soll, sieht u. a. die Beant-
wortung folgender Fragen vor: „Wovor graust
Ihnen heute am meisten?" — „Welche ver-
dächtigen Ähnlichkeiten mit der Hitlerpresse
fallen Ihnen heute beim Durchlesen der Tages-
zeitungen ohne weiteres auf?" — „Finden Sie,
daß die Menschheit aus der überstandenen Ka-
tastrophe irgend etwas gelernt hat?" — Diese
und ähnliche Fragen sind so gehalten, daß
jeder ehrliche, normalbegabte und selbständig
denkende Mensch die Prüfung bestehen kann.
Zu bemerken ist noch, daß Vorleben, frühere
Parteibindungen und ehedem verfolgte Irr-
wege keinen Hinderungsgrund für die Visum-
erteilung darstellen. Das Konsulat geht von
dem Standpunkt aus, daß die Erfahrungen der
Nachkriegszeit geeignet sind, bei vielen neue
Erkenntnisse sowie Korrekturen früherer Irr-
tümer zu gestatten.

Nach erfolgter Visumerteilung, die gegen Ab-
gabe der zerstörten Illusionen und wertlos ge-
wordenen Hoffnungen vorgenommen wird,
steht der innerlichen Abreise des jeweiligen
Reflektanten nichts mehr im Wege. Er kann sich
ohne weitere Formalitäten in sein Schnecken-
haus zurückziehen bzw. die Flucht aus der
Wirklichkeit antreten.

Da bei fortschreitender Entwicklung der Dinge
und weiterer Zuspitzung der Lage mit einem
ungeheuren Andrang von Auswanderungs-
lustigen zu rechnen ist, empfiehlt es sich, dies-
bezügliche Anträge möglichst frühzeitig, am
besten postwendend, einzureichen, um auf diese
Weise dem Konsulat eine ordnungsgemäße
Abwicklung seiner Geschäfte zu erleichtern.

Zum Ende der Rationierung

10 Jahre lang

Da lebten wir nur rationiert,

da wurden Abschnitte addiert,

an Mäßigkeit nur appelliert,

und hohle Teller kalt serviert.

Da ward mit Grämmchen balanciert,

mit Austauschstoff das Brot beschmiert.

Im Kartendickicht buchstabiert,

der Fettverbrauch vom Staat diktiert.

Vor leeren Schüsseln ward diniert,

nur übers Fressen diskutiert,

im Traum von Würstchen phantasiert

und Nichts mit Garnichts schön garniert.

Da ward der Hunger ignoriert

und selbst das Minimum halbiert.

Da wurde nur noch kompensiert

und hundertfach sogar krepiert.

Wurd' in der Küche laboriert,

mit weichen Semmeln Fleisch markiert

und jede Nudel numeriert,

das Quarkkotelett mit Salz paniert.

Da wurde nach Rezept probiert,

wo unser Magen revoltiert.

Da wurde Kopf und Hals riskiert,

der schwarze Markt rekognosziert,

der Kaufmann hat uns schikaniert,

Sankt Bürokratius triumphiert.

Und was der Darm hat produziert,

gab Grund, daß man ihn fast plombiert,

Zehn Jahre lang!

Na, Gott sei Dank,

am 1. 3. sind wir frei

von aller Rationiererei.

Bis auf den Zucker! Meinetwegen!

Ist das nicht süß, ihr Volkskollegen? ...

(Und das alles verdankest du

der USA und CSU.) haha

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Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Michel zur Germania"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Der Simpl: Kunst - Karikatur - Kritik
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

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Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-11-5 Folio RES

Objektbeschreibung

Objektbeschreibung
Bildunterschrift: "Michel zur Germania: "O Geliebte, ich fühle es, daß ich dich weniger lieben werde, wenn Du ganz entkleidet bist!" Bildbeschriftung: "Saar", "Oder Neisse Linie"

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Sturtzkopf, Carl
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Der Simpl, 5.1950, Nr. 4, S. 39.

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