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Der Simpl: Kunst, Karikatur, Kritik: Der Simpl: Kunst, Karikatur, Kritik — 5.1950

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https://doi.org/10.11588/diglit.6592#0041
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LE SUD-EXPRESS

VON RODA RODA

„Das ist mir im Fasching stumpf geworden!"

Merkblatt für Angeklagte

Von Dr. Schweinsborstl

Einverstanden sein mit dem, was ein anderer
vorschlägt, bringt meistens Verderben. Einwen-
dungen machen, Sonderstellungen einnehmen,
Schwierigkeiten bereiten, lohnt sich fast immer.
Jeder Richter sagt zum Angeklagten: „Legen
Sie ein reumütiges Bekenntnis ab, es ist das
klügste, was Sie tun können!" Schon aus diesem
Grunde muß man leugnen . . .
Dies lehrt uns eine Anzahl Prozesse, welche
letzthin im Mittelpunkt des öffentlichen Inter-
esses standen, — politische sowohl als unpoli-
tische.

Der juristische Beweis einer Schuld ist immer
schwer zu erbringen. Du brauchst nichts zu be-
weisen. Beweisen muß man dir. Leugne deine
Tat energisch und beharrlich. Dadurch schaffst
du Tatsachen aus der Welt . . .
Der Beschuldigung durch Zeugen setze dein
stereotypes „Es ist nicht wahr" entgegen. Deu-
ten Umstände auf deine Schuld, so wiederhole
mit gleichbleibender Ruhe: „Hierfür weiß ich
keine Erklärung zu finden. Der Schein ist gegen
mich." Denke nicht, daß der Richter, weil er die
Aussagen deiner Opfer entgegengenommen hat,
alles weiß. Er weiß nichts. Dein zähes Nein stellt
den zähesten Tatbestand zumindest in Zweifel.
Sage nichts, was man dich nicht fragt, und sage
ebensowenig, was man dich fragt. Lasse dich
nicht auf Detailschilderungen ein! Dein Ge-
dächtnis ist schwach und hat seit Kriegsende
furchtbar gelitten . . .

Wer sich kein Geständnis abringen läßt, um den
schließen sich unerwartete Kräfte zusammen,
dem wird Hilfe zuteil aus Bezirken, wo keine
Hilfe vermutet werden konnte. Wie leicht
widersprechen sich Zeugenaussagen! Je mehr
Zeugen zu Wort kommen, desto größer die Kon-
fusion. Und je größer die Konfusion, desto un-
sicherer der Richter. Dessen Unsicherheit bringt
Zeitgewinn, Vertagungen, neue und langwie-
rige Ermittlungen. Solltest du tatsächlich eines
Tages verurteilt werden, so legst du Berufung
ein. Der Tanz beginnt aufs neue . . .
Langeweile tut not. Ziehe deine Sache hin. Wer
in Untersuchung ist, dem kann nichts geschehen.
Sorge dafür, daß der Untersuchungszustand, in
dem du dich befindest, chronisch wird. Es ist fast
der Sieg. Denn ein Dauerprozeß stirbt an sich
selbst. Unendlich ermüdet, wird die Justiz deine
Sache ausschließlich im Sande verlaufen lassen
und ihr durch ein mildes Kompromißurteil —
womöglich Freispruch — einen von allen Be-
teiligten ersehnten Abschluß verschaffen.
Dem tapferen Leugner stehen die Götter bei.
Allerdings die der Finsternis. Aber das sind
nun einmal anscheinend die, an welche man sich
zu wenden hat, wenn man sich bei uns in einer
peinlichen Situation befindet . . .

Aus dem Reklameheft: „Ist es nicht zauberhaft,
mein Herr? Sie besteigen um 12 Uhr 20 in Lissa-
bon Ihr luxuriöses, reserviertes Compartiment —
nehmen zwei exquisite Soupers, einen Lunch —
und befinden sich, mein Herr, um 22 Uhr 25 des
nächsten Abends in Paris."

Für uns wickelte sich die Sache ganz so glatt nicht
ab. Zunächst waren wir gar nicht in Lissabon, konn-
ten also das luxuriöse Compartiment da nicht be-
steigen; sondern waren unterwegs, in Coimbra, drei
Stunden nördlich von Lissabon.
Ich ging Montag zum Stationschef von Coimbra und
sprach zu ihm:

„Eure Exzellenzl Kann ich Ende dieser Woche, Frei-
tag, zwei Plätze im Südexpreß nach Paris haben?"
.Gewiß, Exzellenz", antwortete er. — So höflich
redet man einander in Portugal an.
„Und wie hoch ist der Fahrpreis?"
„Das weiß ich nicht, Exzellenz. Ich muß erst nach
Lissabon telegraphieren."
„Ich danke, Exzellenz."

„O bitte, es wird mir stets ein Vergnügen sein, die
Befehle Eurer Exzellenz zu vollziehen."
---Donnerstag:

„Haben Euer Exzellenz geruht, nach Lissabon zu
telegraphieren?"

„Jawohl, Exzellenz! Die beiden Plätze sind Ihnen
gesichert."

„Wieviel beträgt meine Schuldigkeit?"

„Das weiß ich nicht, Exzellenz. Sie werden dem

Schaffner im Zug bezahlen."

„Ich danke, Exzellenz."

„Bitte. Die Ehre, Eurer Exzellenz gedient zu haben,
wird mir zeitlebens unvergeßlich bleiben."
---Freitag:

„Der Train kommt um 16 Uhr 15, Exzellenz?"
„Sehr wohl, Exzellenz."

„Und werden meine Frau und ich ihn besteigen
können?"

„Ohne Zweifel, Exzellenz — falls zufällig Plätze
frei sind."

„Aber Exzellenz haben doch telegraphiert?"

„Ich wünsche Eurer Exzellenz die angenehmste

Reise."

Der Expreß läuft brausend ein — wir springen das
Trittbrett empor — der Expreß läuft brausend wei-
ter. Zwischen meiner Frau und mir hüben — dem
Zugspersonal anderseits erbittertes Getümmel.
Doch halt — nicht so: der Handstreich auf den Train
ist gelungen — wir stehen auf der Höhe des Boll-
werks, gedeckt durch eine schnell aufgeworfene
Brustwehr (unser Gepäck). Die Feinde (Zugführer,
Schaffner, Schlafwagenmann) sind dem plötzlichen
Überfall gewichen.

Im nächsten Augenblick haben sie sich gefaßt und

stürmen vor. In drei Sprachen johlt ihr Kampf-
geschrei — portugiesisch, spanisch, französisch:
„Absoluto impossible! Absolumente impossible!
Absolument impossible! Es ist alles besetzt."
Ich kann meine Frau nicht von dem Vorwurf reini-
gen: sie erweist sich als feig; sie erblaßt, ist drauf
und dran zu fliehen. Der Zugführer, spanischer To-
rero, nimmt die Schwäche meiner Stellung wahr und
richtet den Angriff wütend gegen die schwache
rechte Flanke.

Doch ich verliere die Besinnung nicht: mit dem roten
Mantel — nein, ich habe ja keinen roten Mantel —
mit geschwungenem Zehndollarschein lenke ich die
Wut des- spanischen Stiers auf mich und . . .
„M'sieur, tout sera arrange", brummt der Stier zu-
frieden. „Es wird alles nach Ihrem Wunsch geregelt
werden."

Hierauf verschwindet der Zugführer, um nach einer
Weile wiederzukommen:

„So — Ihr Gepäck ist verstaut. Bis Salamanca neh-
men M'sieur et Madame mit Stühlen vorlieb. Hier-
auf werde ich Betten freimachen. — Und hier Ihre
Fahrkarten. Ich bitte um 1630 Escudos. — Ah 1700!
Danke sehr."

Er übergibt mir zwei Zettel — Quittungen über
1500 Escudos.

— — — „Na also", rief meine Frau erleichtert.
„Wenn es bloß an der französischen Grenze ebenso
rund geht wie hier."
„Französischen Grenze??"

„Weißt du denn nicht?" fuhr sie fort. „Wir haben

doch kein Visum."

„Liebste! Wieso denn nicht?"

„Ganz einfach: Als ich auf dem Konsulat war, sagte
man mir, wir brauchten kein Visum .. . vielmehr:
wir könnten es nicht kriegen, weil die Amtsstunden
vorüber sind."

Ich wurde der Antwort durch den Schlafwagenmann
überhoben, der mir zwei rosa Scheine übergab —
„die Bettbillette — 212 Peseten".
„Habe keine Peseten."

„Vuesenoria können auch in Dbllars zahlen — ein
Dollar zu fünf Peseten."
Schweinebande! Auf der Börse gilt er acht.
Noch hatte ich es nicht gesagt, als ein bisher unbe-
kannter Würdenträger auftauchte und um je fünf
Escudos bat: „Die Ausreisegebühr."
„Ich habe sie schon auf der Polizei erlegt ■— hier
im Paß die Bestätigung."
„Das gilt nicht mehr."
Schön, ich gab sie nochmals hin.
„Und auch gleich 14 Escudos 80", verlangte ein
Vollbart und schob mir grünliche Ausweise zu. „Die
Sobretaxe de velocidade für das portugiesische Ge-

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ADOLF VON KNIGGE

Ober den Umgang mit Menschen

bearbeitet von Herbert Seggelke
3. Auflage — Halbleinen — DM 4.60

FRANZ ROH

Kommentare zur Kunst

Gebunden DM 5.50

Eine Zusammenstellung von Radio-Kritiken des bekannten Kunsthistorikers —
wöchentliche Referate über Bühne und bildende Kunst in München während
der Jahre 1945-1947. Franz Roh selber steht dieser Sammlung skeptisch gegenüber,
er fragt sich, ob man „besonderen Gewinn aus Reden ziehen könne, die dem vor-
übergehenden Alltag dienten und sich nicht an Eingeweihte wandten". Nun, die
Aufsätze enthalten so viel Kluges, Temperamentvolles, in gutem Sinn Aggressives
und die positiven Kräfte Förderndes, daß auch ein der lokalen Atmosphäre Fern-
stehender den jüngsten Bestrebungen der auf große Kulturtradition zurückschauen-
den Stadt Interesse entgegenbringen wird. Das Buch hat etwas Herzhaftes in seinem
Draufgängertum, und die lehrhafte Note, die es mit valier Absicht dem breiten
Publikum gegenüber anschlägt, wird nie trocken oder überheblich, sondern dis-
kutiert den Stoff lebendig und da und dort auf eine Art in die Tiefe gehend, die den
Laien nicht scheu macht. National-Zeitung Basel.

FREITAG-VERLAG GMBH., MÜNCHEN-SCHWABING, WERNECKSTRASSE 15a

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Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Das ist mir im Fasching stumpf geworden!"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Der Simpl: Kunst - Karikatur - Kritik
Sachbegriff/Objekttyp
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Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-11-5 Folio RES

Objektbeschreibung

Objektbeschreibung
Bildunterschrift: "Das ist mir im Fasching stumpf geworden!"
Kommentar
Signatur: Poth

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

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Künstler/Urheber (GND)
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Der Simpl, 5.1950, Nr. 4, S. 41.

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