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Der Simpl: Kunst, Karikatur, Kritik: Der Simpl: Kunst, Karikatur, Kritik — 5.1950

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https://doi.org/10.11588/diglit.6592#0062
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Unser Bundes-Astverwalter und Oberlochwart
muß sich dementieren. Vor kurzem hatte er
glossierend berichtet, daß der Kriegszustand
bald beendet sein würde und eine Art Vor-
friede sozusagen im Anmarsch sei. Nichts der-
gleichen. Es bleibt bei der bisherigen freund-
lichen Feindschaft bzw. der feindlichen Freund-
schaft, die unser Verhältnis zu den Siegern seit
fast fünf Jahren kennzeichnet. Es ist daher ver-
ständlich, daß Prinz Wolfgang von Hessen von
einem amerikanischen Gericht als feindlicher
Hesse bzw. als häßlicher Feind angesehen wird
und ihm die Rückgabe der von einem ameri-
kanischen Offizier bei Kriegsende gestohlenen
hessischen Kronjuwelen verweigert wurde.
Eben, weil noch kein Friede ist. Vielleicht ist
aber noch kein Friede, weil eben die Kron-
juwelen und andere Kleinigkeiten sonst zurück-
gegeben werden müßten. Ursache und Wirkung
lassen sich in der Politik oft sehr schwer aus-
einanderhalten.

Da also, wie gesagt, immer noch Krieg ist, muß
man verstehen, daß die Politik zu einem aus-
gesprochenen „GeneraP'-Angriff auf unsere
Nerven übergegangen ist. Zunächst feierte Ge-
neral Peron den vierten Jahrestag seiner Macht-
ergreifung im Kreise seines glücklichen Vol-
kes. Ein anderer General, der Grieche Pangalos,
will sein Volk erst glücklich machen. Er bean-
tragte im Rahmen des Marshallplanes ein
Dutzend elektrischer Stühle zu importieren.
Sein nachbarlicher Generalfeldmarschall Tito
forderte vom gleichen Lieferanten bare Dollars.

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^^^^^^

Er will ebenfalls elektrifizieren; aber nicht die
Stühle, zwischen denen er sitzt, sondern die
jugoslawische Industrie. Die amerikanischen
Generale wiederum sind mehr für Hinrichtun-
gen und bereiten sich auf ein militärisches Ein-
greifen in Indochina vor, das im Rahmen der
Trumandoktrin möglich wäre und den kom-
munistischen Einfluß im Fernen Osten stoppen
soll. Die Generaldebatte der UN drehte sich
dagegen um einen anderen neuralgischen Punkt
der Weltgeschichte, nämlich um Jerusalem.
Wahrscheinlich werden auch hier die Generäle
das letzte Wort sprechen. Sehr gegen den Wil-
len von Albert Einstein, der ihnen nicht nur das
Wort, sondern auch alle Befugnisse abschnei-
den möchte und wieder einmal das internatio-
nale Wettrüsten verurteilte und Sicherheit
durch Aufrüstung als gefährliche Illusion be-
zeichnete. Vorläufig aber führen nicht die gro-
ßen Denker, sondern die kleinen Stänker das
Wort. Es ist eben alles relativ! Deshalb brachen
die Vereinigten Staaten die diplomatischen Be-
ziehungen mit Bulgarien ab und planen eine

WEIL SIE SAMBA GETANZT HAM . . .

Fr. Bilek

gleiche Versöhnungsgeste gegenüber Ungarn.
Im Zuge (dieser diplomatischen Höflichkeiten)
fanden sie ihren Marineattache aus Bukarest in
einem Salzburger Eisenbahntunnel als Leiche.
Zurück zu den lebendigen Generalen. Der Ge-
neralstab der Labour Party gewann die eng-
lische Wahlschlacht, was Mr. Churchill konser-
vativ bedauert. Aber der englische Wähler hat
nun einmal sein Urteil gesprochen. Ein anderes
britisches Urteil — das gegen den General von
Manstein — wurde revidiert und sein Straf-
maß um ein Drittel vermindert. Das sind immer-
hin sechs Jahre, also länger als Mr. Attlee noch
regieren wird. Länger regieren will Harry Tru-
man, der auf eine dritte Amtszeit rechnet und
eine Generaloffensive gegen seine politischen
Gegner eröffnet hat. Eine Fühlungnahme mit
seinem Hauptfeind, Generalissimus Stalin, ist
dagegen wieder einmal Hauptgesprächsthema
aller Generalvertreter der internationalen Kor-
respondenzen. Soviel Generalisches läßt unsere
genialische Bundesregierung nicht schlafen.
Dementsprechend ernannte Konrad Adenauer
den Dr. Schlange-Schöningen zum General-
konsul in Washington und führte gelegentlich
ein Gespräch mit General von Manteuffel. Aber
die Bundespressestelle erklärte, daß der Kom-
mandeur der Division Großdeutschland und der
Schwadroneur der Illusion Kleindeutschland
keine „Brüderschaft" getrunken haben. Eine
General-Linie im geistigen Kampf gegen den
Kommunismus sucht der Vatikan durch Bildung
einer Einheitsfront mit Islam und Protestantis-
mus. Ganz in der Nähe davon fand man das
Tagebuch von Clara Petacci, der General-Intri-
gantin des Faschismus, womit die Auflagen-
ziffern der sensationslüsternen Generalanzeiger
wieder einmal gesichert sind.
Womit der Astlöchler für heute um General-
pardon bittet, für alles, was er bisher geschrie-
ben hat.

SCHÄJVI

EIN MÄRCHEN

Zwei Länder nebeneinander — Transzonien und

Ultrazonien. Das eine gottgläubig und ohne Kirchen,

das andere katholisch- Fasching in beiden. Die Ultra-

zonesen mit Harmoniumbegleitung, die Transzone-

sen mit Sambaklängen.

Hauptstadt von Transzonien: Dilliburg.

In Dilliburg, wo er dereinst als alter Herr zur Kur

geweilt, befindet sich ein Denkmal von Johann

Strauß, dem Fledermausstrauß. Volle Figur, Bronze,

den Fiedelbogen in der Rechten, die Geige am Kinn.

Als ob er leibe und lebe.

Und Nacht für Nacht hört er das ausgelassene Lär-
men und Treiben im nahen Stadttheater.
Er kann nicht anders. Im abendlichen Schneege-
stöber steigt er vom Sockel und wandelt neugierig
hinüber in die festlichen Räume. Wird fürs erste
kaum beachtet. Allmählich fällt er auf. Ohne daß
jemand drauf kommt, was die Verkleidung zu be-
deuten hat. Denn kein Mensch kennt auch nur ein
einziges der Denkmäler, die an seinem Wohnort
rumstehn, und an denen er tagtäglich vorüberläuft.
Dennoch geht einem der Knopf auf — dem Musik-
kritiker der .Dilliburger Nachrichten'. Er findet die
Maskerade phantastisch gelungen, ahnt aber begreif-
licherweise nicht, daß er ein leibhaftiges Denkmal
vor sich hat. Uberall reicht er den Meister zum An-
staunen hin. Bis Stimmen laut werden, Schani solle
dirigieren. Lawinenhaft wächst das Verlangen.
Schließlich gibt Johann Strauß dem allgemeinen
Drängen nach, gießt einen Schuß Champagner in
die F-Löcher seiner Violine, schwingt sich aufs
Podium und fiedelt los. — Stundenlang.
So wird der Jazz entthront und alles, was im ent-
fernten an ihn erinnert. Männlein und Weiblein wie-
gen sich im Dreivierteltakt, im unsterblichen Drei-
vierteltakt.

Der Morgen graut. Strauß klettert zurück auf sein
Postament. Und ist Denkmal wie zuvor. Doch auch
ohne ihn bleibt der Walzer. Und er wäre geblieben
bis in die Ewigkeit, wenn nicht die Ultrazonesen
über Transzonien hergefallen wären. Krieg! Da hal-
fen auch die süßesten, im versunkenen Wien ge-
borenen Klänge nichts. Es sprachen die Waffen, wie
es so delikat heißt..

Und als die Waffen ihr letztes Wort gesprochen
hatten, wurde Transzonien — als unterlegener
Teil — entmilitarisiert.

Dazu gehörte die Demontage sämtlicher Denkmäler
und die Errichtung von Kirchen. Auch Johann Strauß
wurde eingeschmolzen. Dies ist der Grund, warum
Dilliburg die einzige Kirchenglocke des Erdballs hat,
die im Dreivierteltakt läutet. H. R.

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Titel

Titel/Objekt
"Weil sie Samba getanzt ham"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Der Simpl: Kunst - Karikatur - Kritik
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

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Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-11-5 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Bilek, Franziska
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

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Künstler/Urheber (GND)
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Digitales Bild
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Der Simpl, 5.1950, Nr. 6, S. 62.

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