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Der Simpl: Kunst, Karikatur, Kritik: Der Simpl: Kunst, Karikatur, Kritik — 5.1950

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https://doi.org/10.11588/diglit.6592#0063
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C. Sturtzkopt

Pressemeldung: Goethes kosmopolitischer Geist wird uns auch, gegen Wasserstoffbomben schützen

Flammender Protest

Hannover (dpa). — In einer Rede vor der Jahres-
hauptversammlung der Deutschen Unsäglichen
Partei (DUP) übte Dr. Knut Sandalenilicker hef-
tige Kritik an dem Verhalten der deutschen
Justiz und der Bundesregierung im Falle Wolf-
gang Hedler. Er wies darauf hin, daß man nicht
den Neofaschismus verdammen und gleichzeitig
die Richter von Neumünster als Wahrer des
Rechtes herausstellen könne.
Die Anwesenden waren ganz seiner Meinung.
Durch Händehochheben wurde festgestellt, daß
dies wirklich nicht gehe. Mehrere Parteimit-
glieder brachten zum Ausdruck, daß sie ein
anderes Urteil erwartet hatten, und ließen
durchblicken, daß sie mit einer Justiz, welche
den Faschismus begünstige, nicht einverstan-
den seien.

Es sei nicht zufällig, fuhr Dr. Sandalenflicker
fort, daß der Vorsitzende des Gerichtes ein
früherer Deutschnationaler gewesen sei, der,
ebenso wie Hedler, aus dieser Partei heraus
den Weg zu den Nazis gefunden habe.
Dieser Gedanke wurde mit spontanem Beifall
aufgenommen und die Versammlung, der es
wie Schuppen von den Augen fiel, sprach dem
Vorsitzenden für seinen Scharfsinn ihre vor-
behaltlose Anerkennung aus. „Ja, freilich",
unterbrach ihn ein Zuhörer, „hier liegt der
Hase im Pfeffer!" Anschließend führte er aus,
daß ihm ein Fall aus seiner Verwandtschaft
bekannt sei, wo ein Richter dem Angeklagten
besondere Milde habe angedeihen lassen, weil
er derselben Burschenschaft angehört hatte,
wie er selber. „Solche Fälle kommen vor",
pflichteten ihm köpf nickend einige der Um-
sitzenden bei. . .

Dr. Waschlappski, Bundestagsabgeordneter der
DUP, warf die Frage auf, ob es niemandem auf-
falle, wie ähnlich der Name Hedler dem Worte
Schicklgruber sei. Man brauche nur zwei Buch-
staben auszuwechseln und aus Hedler entstehe
Hitler! Bei flüchtiger Aussprache könne ein

Hudler des Sprechens sehr wohl alles Tren-
nende zwischen Hedler und Hitler verwischen.
Habe man in Bonn diese Tatsache, die tief
blicken lasse, übersehen?

Man erinnerte sich daran, daß eine ähnliche
Justiz die Weimarer Republik untergraben
habe. Von der Erinnerung überwältigt, erklärte
die Mehrzahl der Zuhörerschaft, es sei schade,
daß man damals nicht energischer gegen die
Feinde der Demokratie vorgegangen sei.Schließ-
lich trat eine Stimmung im Saale ein, welche
in den Versammlungsteilnehmern das Gefühl
erweckte, es müsse etwas unternommen wer-
den . . .

Es wurde beschlossen, die Regierung zu war-
nen. Wenn auch nicht sicher erwiesen sei, ob
Hedler von 6 Millionen zu Recht vergaster
Juden gesprochen habe oder nur von 5V2 Mil-
lionen, so seien seine Äußerungen immerhin
als Ausdruck einer gewissen Gefühlskälte zu
werten und somit abzulehnen. Es stehe zu be-
fürchten, daß die Bundesregierung ihre Koa-
lition mit der Deutschen Partei für wichtiger

halte als das deutsche Ansehen im Auslande,
und das sei nicht schön. Die DUP sei die letzte
Partei, die der schwarz-weiß-roten Flagge die
gebührende Achtung versage — habe doch
unter ihr das Konsumvereinswesen in Deutsch-
land beachtliche Erfolge zu verzeichnen ge-
habt —, doch solle man die Dinge nicht zu weit
treiben und dem Neofaschismus, der sich die-
ser Flagge bemächtigt habe, keine weitere
Chance geben ...

Zu den Klängen einer Konzertzither wurde
nach Abfassung der Resolution das bekannte
Lied „Brüder zur Sonne, zur Freiheit" ange-
stimmt.

*

„Was zupfen Sie denn fortwährend an meiner
Weste herum?" fragte ein massiger Herr ein
blaßgesichtiges Männlein, das sich schon ge-
raume Zeit an seinem Bauche zu schaffen ge-
macht hatte. — „Tun Sie nur nicht so, als ob
Sie meine Hiebe nicht spürten!" erwiderte das
Männchen mit dünner Stimme. „Ich kämpfe
doch mit Ihnen, mein Herr! Ich boxe!" ATA

WELTBÜRGER VINCENT AURIOL

Die Sache mit Ga.rry Davis, jenem jungen Ameri-
kaner, der seinen amerikanischen Paß dem Bot-
schafter in Paris, Mr. Caffery, hinwarf und sagte:
„Ich brauche ihn nicht mehr", wäre vielleicht ebenso
ausgegangen wie die Geschichte mit jenem Bruno
Gröning, der nach Hosianna-Rufen in der Versen-
kung der Zeitungswelt verschwunden ist. Die Sache
mit Garry Davis wurde aber gerettet, denn es war
niemand anders als der Präsident der französischen
Republik, Vincent Auriol, der vom Bürgermeister
seines Heimatstädtchens Revel in Südfrankreich
zum Weltbürger „ernannt" wurde.
Während Konflikte in den Vereinten und Verun-
einten Nationen beredet werden, währenddem die
Wissenschaftler die Atombombe schon längst über-
wunden haben und eine weit treffsichere, die Wasser-
stoffbombe, erfanden, währenddem geht die Verbrü-
derung der Welt ruhig weiter. Das Heimatstädtchen
Vincent Auriols erklärte sich zum „Weltstaat" ge-
hörig, ebenso die Stadt Cahors. Es wurde schon ein

Wegweiser errichtet, auf dem zu lesen steht: „2500
km nach Lissabon, 1150 km nach Barcelona, 3920 km
nach Stalingrad, 12 000 km nach Neu-Delhi." Stefan
Zickler, der Vertreter des Bürgermeisters von Kö-
nigswinter am Rhein, erklärte, daß seine Stadt
„Welt-Territorium" sei. Er sagte auch zu Journa-
listen: „Unser nächstes Ziel ist Berlin, alle vier Sek-
toren." Und dann hat die „Weltstadt" Königswinter
den Plan, ihre Kinder mit denen der „Weltstadt"
Cahors auszutauschen. Die Dichter und Sänger haben
gesiegt. Alle Menschen werden Brüder . . ., es gibt
keine Konflikte mehr, keinen Krieg und ähnlichen
mörderischen Unsinn.

Ich habe immer den Verdacht gehabt, daß die Welt
vernünftig werden wird. Nun scheint es bald so weit
zu sein. Wie kümmerlich sind doch die „Vereinten
Nationen", kein „Veto" wird es mehr geben, wenn
es erst einen Weltstaat gibt. Vincent Auriol, der
Präsident der französischen Republik strahlt. Hof-
fentlich kommt nichts mehr dazwischen ... J. H.

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Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Pressemeldung"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Der Simpl: Kunst - Karikatur - Kritik
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

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Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-11-5 Folio RES

Objektbeschreibung

Objektbeschreibung
Bildunterschrift: "Pressemeldung: Goethes kosmopolitischer Geist wird uns auch, gegen Wasserstoffbomben schützen"

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Sturtzkopf, Carl
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
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In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Der Simpl, 5.1950, Nr. 6, S. 63.

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