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Sondheim, Moriz
Gesammelte Schriften: Buchkunde, Bibliographie, Literatur, Kunst u.a. — Frankfurt a.M., 1927

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https://doi.org/10.11588/diglit.34388#0147

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122 —

gemalte und geschriebene Blatt galt, im Gegensatz zum Buche. *)
Solche Briefe wurden an die Wand geheftet^) und waren Hei-
ligtum und Schmuck ärmlicher Behausungen. Künstlerischen
Wert hatten sie nicht; die Briefmaler arbeiteten durchaus hand-
werksmäßig, immer wieder dieselben Figuren zeichnend und
bunt bemalend, und möglichst mechanisch zu Werke gehend,
um viel und rasch produzieren zu können.
Diese fabrikmäßige Herstellung legte es nahe, mechanische
Hilfsmittel zu suchen, und bei dem wachsenden Absätze der
Briefe zog man ein Verfahren heran, das zur Bemalung von
Stoffen diente; und, wie die Zeugdrucker mit Holznadeln die
Stoffe bemalten, so begann man auf das Papier die Umrisse
der Bilde zu drucken.
Die Technik der Zeugdrucker beschreibt Cennini in seinem
Trattato della pittura, den er im Anfänge des 15. Jahrhunderts
verfaßte, im 173. Kapitel „11 modo di lavorare colla forma
dipinti in panno". Man spannte den Stoff auf einen Rahmen,
preßte die Holzform von oben darauf und rieb von unten mit
einem Holzschilde dagegen, bis die Farbe genügend angenom-
men war. Diese Kunst stammt aus dem Orient und wurde im
Abendlande zuerst in Italien gepflegt. Für das älteste euro-
päische Spezimen eines Zeugdruckes, das erhalten geblieben,
gilt die berühmte und viel zitierte Tapete von Sitten, eine
italienische Arbeit aus dem 14. Jahrhundert.^) In derselben
Weise bedruckte Stoff- und Pergamentfragmente gleichen und
etwas späteren Datums besitzen wir in mehrfacher Anzahl, b
Vordrucke für Stickereien auf gewebtem Zeuge hat Essen-
wein bei Nadelarbeiten aus dem 14. Jahrhundert entdeckt,
und endlich besitzen wir Abdrücke auf Papier von Holzformen,
deren Charakter darauf hinweist, daß sie ursprünglich für
Zeugdrucke oder als Vorzeichungen für Stickereien dienen
sollten.^)
Solche Abdrücke auf Papier von Holzformen, die für Stoffe
bestimmt waren, können wir als die ältesten Holzschnitte be-
trachten, ebenso wie die Niellenabdrücke der Goldschmiede
die ersten Kupferstiche sind. Aber wie wir erst dann von der
Kupferstechkunst reden können, als Kupferplatten nur für die
Vervielfältigung gestochen wurden, ebenso können wir als wirk-
liche Holzschnitte nur die Abdrücke von Holzformen aner-
B Waffenbach, Schriffwesen im Mittelalter, S. 477.
2) „Da knief sie nider für ein brief, das was ein crucißx an gemalef"
(„Scherz und Ernsf" bei Grimm II, 379).
s) Beschrieben durch F. Keller in den „Miftheil. der Antiquar. Gesellschaft"
in Zürich, IX, 6.
4) S. Fr. Bock, Zeugdrucke, bei Weigel und Zestermann, Anfänge der Druck-
kunst I.
3) Essenwein im „Anzeiger für Kunde der D. Vorzeit" 1872, S. 241 If. — S.
hierüber F. Lippmann, Die Anfänge der Formschneidekunsf, im Repertorium
für Kunstwissenschaft I, 215.
 
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