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Lutz, Jules [Editor]; Perdrizet, Paul [Editor]
Speculum humanae salvationis (1): Text — Leipzig: Hiersemann, 1907

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https://doi.org/10.11588/diglit.49738#0328
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DRITTER TEIL. - DIE ELSÄSSISCHEN TYPOLOGISCHEN GLASMALEREIEN

hauser Bürgerschaft sich nicht gross um ihr Gotteshaus
kümmern können; unter dem Bischöfe von Strassburg als
weltlichem Herrn, und unter dem Bischöfe von Basel als
geistlichem Oberhirten, musste sie unablässig kämpfen,
um zu einer gewissen Unabhängigkeit zu gelangen.
Am Ende des xm. und am Anfang des xiv. Jahr-
hunderts hatte sich indessen ihre Lage wesentlich gebessert.
Mülhausen hatte die Rechte einer freien Reichsstadt
erlangt ; der Kaiser war als Patron und Kollator der Ste-
phanskirche anerkannt worden 1 * ; zuletzt hatte ihm der
Bischof von Strassburg alle ihm zustehenden Rechte über
Mülhausen abgetreten ~. Da konnte denn die Bürgerschaft
ernstlich daran denken, ihre Pfarrkirche umzubauen und
zu vergrössern.
Dass Chor und Schiff der alten Stephanskirche nicht
zu derselben Zeit, noch auch nach demselben Plane er-
baut wurden, ist unschwer zu erkennen. Die Fenster des
Chors waren dreiteilig, die des Schifies zweiteilig ; der
Chor war gewölbt und bedeutend höher als das Lang-
schiff, dessen beabsichtigte Überwölbung nie zustande
gekommen war. Die gewölbten Seitenschiffe waren erst
am Anfang des xvi. Jahrhunderts erbaut worden.
Ist das Schiff vor dem Chor umgebaut worden, wie
Graf 3 und M. Mieg 4 annehmen ? Oder hat man, wie
G. Mieg5 meint, das romanische Schiff einstweilen stehen
lassen, indem man sich vornahm, dasselbe später mit dem
gotischen Chor in Einklang zu bringen, und ist man
dann genötigt worden, dasselbe in bescheidenerem Masse
umzubauen, da der Bau des Chors alle Geldmittel er-
schöpft hatte ? Diese Frage ist für das Studium der Glas-
malereien belanglos, da diese nicht im Schiffe sondern
im Chor waren 6.
Wann wurde die Stephanskirche erbaut ? Dies lässt sich

an der Hand einiger im Stadtarchive aufbewahrten Ur-
kunden mit ziemlicher Sicherheit feststellen.
1305. Auf Antrag von Johann Seiler, Schaffner der
Mülhauser Pfarrkirche (procurator fabricae ecclesiae de
Mulnhusen), erklärt der Bischof von Basel, dass die Pfarr-
kirche wohl berechtigt sei, bei Ableben eines Mülhauser
Bürgers oder Hintersässen, sich das beste Kleid des Ver-
storbenen anzueignen 7. — Durch diese Verfügung wollte
die bischöfliche Behörde lediglich die Pfarrkirche gegen
die Übergriffe der Mönchsorden in Schutz nehmen; ohne
Grund ist daher die Urkunde in Beziehung zu dem Bau
des Gotteshauses gebracht, und Johannes Seiler als der
Erbauer der Stephanskirche angesehen worden 8 9.
1314. Zwölf Bischöfe versprechen allen Gläubigen,
welche zum Besten der Kirche Schenkungen oder Ver-
mächtnisse machen werden, ausserordentlichen Ablass °.
1332. In einer Urkunde, die den Nachlass des Dekans
Johannes Zachäus regelt, wird der Baumeister der Kirche
(magister operis) zugleich mit dem Sakristan erwähnt aber
nicht genannt10.
1334. Guss der Glocke, die bis 1813, in welchem Jahre
sie umgegossen werden musste, im Kirchturme hing 11.
1354. Karl IV, römischer König, überträgt den
Deutschen Rittern zu Mülhausen, als Dank für die ihm
bei der Belagerung Zürichs geleisteten Dienste, das ihm
über die Kirche zu Mülhausen zustehende Patronats- und
Besetzungsrecht12.
1360, 1. September. Wetzel Kuenmann, Bürger zu
Mülhausen, Werkmeister der Stephanskirche, kauft im
Auftrage des Leutpriesters und der Kaplane dieser Kirche
einen auf verschiedenen Gütern ruhenden ewigen Zins
im Betrag von zwei Pfund Basler Münze 13. — In dieser
Urkunde hat Petri offenbar die Jahreszahl 1360 gefunden,

I 1297 : Cartulaire de Mulhouse, Nr. 126.
8 1308 : Cartulaire, Nr. 139.
3 Geschichte der Stadt Mülhausen. I, p. 74. Vgl. jedoch I, p. 127, wo der Verfasser eher geneigt scheint, der andern Ansicht beizu-
stimmen.
4 Der Stadt Mülhausen Geschichte, I, p. 16.
5 Beitrag, p. 29.
6 Die Glasmalereien mit den Werken der Barmherzigkeit sowie dem Kampfe der Tilgenden und Laster (s. unsere Tafeln 114.115) waren
ursprünglich in zweiteiligen Fenstern, also wahrscheinlich im Schiff und nicht im Chor, da dieses nur dreiteilige Fenster hatte.
7 Stadtarchiv, Nr. 28.
8 M. Mieg, I, p. 19 ; Graf, I, p. 113 ; Ch. Gérard, Les artistes de l’Alsace au Moyen âge, Paris 1872, I, p. 263-265 ; G. Gide, L’Eglise
à Mulhouse avant la Réforme, Mülhausen 1896, p. 85 ; Kraus, p. 444; cf J. Lutz, Les Verrières, p. 48.
9 Stadtarchiv, Nr. 35. 35 a. 36; Cartulaire, Nr. 149.
10 Stadtarchiv, Nr. 71.
II Diese Glocke trug nachstehende Inschrift : Anno Domini M.CCC.XXXIHI fusum est hoc vas in honorem sancti Stephani. O rex gloriae,
Christe, veni cum pace. Osanna in excelsis Deo. Amen. (M. Mieg, I, p. 17).
12 Petri, Der Stadt Mühlhausen Geschichten, p. 75 ; G. Gide, op. laud., p. 37.
13 1360 an dem nechsten Zinstage vor Unser Frouwen Tage der jungem im Herbste: Heintzelin, Oswaldes seligen Sun von Durnich und Frow
Anna, desselben Heintzelins Swester, verkaufen dem bescheiden Manne Wetzel Kuenmanne, eime Burger ge Mulnhusen, dem Wergmeister Sant Stephans
Kilche ~e Mulnhusen, an der geistlichen und erbaren Herren statt, des Lülpriesters an Sant Stephans und an der Cappelane stat gemeinlich ge Muln-
husen, gwei Pfund ewiges Pfennig gelts Basler Müntge, geng und geben, uff den Guettera die hienach von Worte ge Worte geschriben. (Stadt-
archiv, Nr. 154).

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