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Historische Untersuchungen zu den Sklavenfiguren des Plautus und Terenz 665
der richtige Sklave als δούλος γενναίος gezeichnet1, dem es zustünde,
haltlosen Jünglingen und habgierigen Greisen einen Sittenspiegel vorzu-
halten. Niemals ist das vorgelebte Beispiel der Sklaven dazu angetan,
ihre Herren moralisch zu läutern. Bezeichnenderweise ist gerade dem
Pädagogen, dem dieses Anliegen von Haus aus ernstlich am Herzen liegt,
nicht der geringste erzieherische Erfolg beschieden2. Voraussetzung für
eine sittlich hochstehende Persönlichkeit ist nach antiker Anschauung
die edle Anlage und die freie Erziehung. Der Sklave aber „wird nie ein
γενναίος, weil ihm die εύγένεια fehlte, und auch seine humanitas kann
nicht zur Entfaltung kommen, weil die liberalitas in der Bildung fehlte,
mag er noch so viele Kenntnisse besitzen3.“ Die Unfreiheit erweist sich
als ein Mangelzustand der Seele, der Sklavenstand bedingt den Sklaven-
charakter und verhindert die volle Entwicklung einer ethischen Persön-
lichkeit. Nichts ist kennzeichnender für den Charakter des Bühnensklaven
als seine Anpassungsfähigkeit, seine Prinzipienlosigkeit4. Schon deshalb
können seine Grundsätze nicht in sittlichen Prinzipien verwurzelt sein.
Da seine Kritik nur der Laune des Augenblicks entspringt, bleibt sie
immer im Bereich des Unverbindlichen. — Schließlich war auch die
äußere Erscheinung der Bühnensklaven wenig geeignet, um ihren Aus-
sagen moralisches Gewicht zu geben. Ein Kerl mit roten Haaren, dickem
Bauch, geschwollenen Waden, braunem Gesicht, großem Kopf, rotem
Mund und sehr langen Füßen (Pseud. 1218f.) — „es fehlen nur noch die
Bocksohren und das Bocksschwänzchen, und der Satyr ist fertig“ —5 war
von vorn herein als Karikatur angelegt und erregte schon durch sein
bloßes Auftreten das Lachen der Zuschauer. Zum Moralprediger einer
verderbten Gesellschaft und zum Sprachrohr eines verantwortungsbe-
wußten patriotisch gesinnten Dichters war er denkbar schlecht geeignet6.
1 Zur scheinbaren Ausnahme des Tyndarus vgl. obenS. 27ff. 2 Vgl. oben S. 81 ff.
3 E. Schild, a.O. S. 94. i Vgl. oben S. 22ff.
5 L. Gurlitt, a.O. Bd. I, S. 70. Zur äußeren Erscheinung der Sklaven vgl. auch
Asin. 400ff.: macilentis malis, rufulus aliquantum, uentriosus, / truculentis oculis,
commoda statura, tristi fronte; vgl. auch Ter. Phorm. 51.
6 Vgl. zu der hier vertretenen Auffassung auch das Urteil von Th. Mommsen, a. O.
S. 896: „Im ganzen genommen ist kaum ein politisch zahmeres Lustspiel zu denken,
als das römische des sechsten Jahrhunderts gewesen ist.“ Ähnlich W. Beare,
Plautus and his Public, a.O. S. 106: “Never was there a writer less burdened with
aesthetic theories, with the desire to teach or to preach.” N. Terzaghi, a. O. S. 750:
„il primo bisogno, dunque, e quello di suscitare il riso.“ Auch die Tatsache, daß die
Rollen in der Regel von Sklaven (vgl. Cist. 785) oder von Freigelassenen gespielt
wurden, trug nicht dazu bei, dem römischen Theater die Bedeutung zu geben, die
ihm B. Bilinski, a.O. S. 8 zuschreibt: „la piu importante tribuna delle idee

Abh. Geistes- u. sozialw. Kl. Nr. 8

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