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Spranger, Peter
Der Geiger von Gmünd: Justinus Kerner und die Geschichte einer Legende — Schwäbisch Gmünd, 1991

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https://doi.org/10.11588/diglit.43382#0088
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Gewiß, der hatte nicht unrecht,
der einst den Namen dieser musischen Stadt,
Heimat der Schönheit, der Kunst
und der Musik, Gamundia,
aus den lateinischen Worten
Gaudium mundi, Freude der Welt,
ableitete. Ricarda Huch

it der Goldkunst der Gmünder war es zu Beginn des
19. Jahrhunderts besser bestellt als mit ihrem Wohl-
stand121. Der war erheblich gesunken infolge von
Kriegswirren und Absatzschwierigkeiten. Übrigens
war der gängigere Werkstoff der Gmünder Meister
schon lange das Silber; Gold hatten nur wenige im
Tiegel. Gmünder Silber dagegen war ein Begriff,
aber nicht etwa im positiven Sinn. Um konkurrenz-
fähig zu bleiben, hatte man zu dem bedenklichen Mittel gegriffen, den
Feingehalt der Legierungen drastisch zu senken. Das Echo im Ausland
war entsprechend. »Bist du Gemündisches Silber, so fürchte den
schwarzen Probirstein«, dräute es aus dem fernen Weimar in antiki-
schem Duktus122. Das mochte hingehen. Kenntnisreicher im Detail,
aber dafür um so schneidender war die Kritik von Pfarrer Roeder, dem
bereits genannten altwürttembergischen Geographen und Statistiker:
»Unser Zeitalter kommt immer mehr von dem tändelnden und un-
nüzen ab, und wird auf das zwekmäßige geleitet. Die Kindereien und
Spielwerke werden seltener gesucht, als ehmals, daher kommt der Ver-
fall solcher Arbeiter und die verminderte Abnahme ihrer Fabrikatio-
nen. Die geschikten Gmünder Künstler würden bei Anleitung, Unter-
stüzung und gesicherter Abnahme, gewiß lieber nüzliche, brauchbare
und daher verkäufliche Waaren liefern, als solche, die ihnen sizen blei-
ben«123. Immerhin: Er zählte in Gmünd auch jetzt noch etwa 300 Gold-
und Silberschmiedemeister, etwa ein Viertel aller berufstätigen Bürger,
darunter - wie auch unser aufgeklärter Staüstiker zugeben mußte -
viele geschickte Künstler, die die »niedlichsten Arbeiten« verfertigten
mit denselben kundigen Händen, die früher endlose Paternosterket-
ten, Kügelchen um Kügelchen von feinstem Filigran, aneinanderge-
reiht hatten, stets jedoch auf neue Erfindungen bedacht. Als gängige
Modewaren der Zeit nennt Roeder nur Ohrgehänge, Fingerringe,


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