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Anton Springer,
sonification des Baches. Die Worte im Vers 5: pulvis quem projidt
ventus a fade terrae verkörpert der Zeichner in dem Kopfe, welcher
Staub auf die impios, die Bewaffneten bläst. Das Schicksal der letz-
teren : iter impiorum peribit (V. 8) versinnlicht er in dem Höllen-
schlunde. Damit ist der feste Grund für das Verständniss aller
Illustrationen im Utrechtpsalter gewonnen. Gerade so wie bei dem
ersten Psalm ging der Zeichner bei allen übrigen Psalmen zu Werke.
Er hob einzelne Verse und aus den Versen einzelne Worte heraus,
welche eine bildliche Wiedergabe gestatteten, von der Phantasie in
eine Körperform gebracht werden konnten, und stellte aus diesen
Gestalten und Gruppen stets das Bild zusammen. Natürlich wurde
auf diese Weise nicht selten das Untergeordnete und Nebensächliche
in den Vordergrund geschoben. Dem Zeichner standen offenbar ein-
zelne Gegenstände mehr zu Sinne als andere; seine Vorstellungen
umfassten die verschiedenen Kreise nicht mit gleicher Liebe. Im
wilden Männerkampfe fühlt er sich ersichtlich heimisch; wo ihm der
Anlass dazu geboten wird, schildert er denselben in breiten Zügen.
Auch das Landleben zieht ihn an. Mit grosser Lebendigkeit zeichnet
er die Thiere des Waldes, die Rinder und Schafe auf der Weide,
die Landleute auf dem Felde. Ueberhaupt offenbart er einen frischen
Natursinn. Niemals fehlt der landschaftliche Hintergrund. Er erscheint
zwar flüchtig behandelt, zeigt stets dieselben Motive. Nur eine
Bergform kommt vor, die Form des abgeplatteten Kegels, bald isolirl
stehend, bald mehrere an einander geschoben. Auch die Baumform
wechselt nicht; immer stossen wir auf denselben knorrigen Stamm
mit zahlreichen Astlöchern und schütteren zu Büscheln geordneten
Blättern. Nicht auf den Grad der Ausführung und auf die Mannig-
faltigkeit des Details kommt es aber an. Entscheidend ist, dass der
Zeichner den Drang empfand, die Scene in die offene Landschaft
zu verlegen, und dass er wenigstens einzelne Motive der Natur ab-
lauschte. Keine künstlerische Schilderung des frühen Mittelalters
reicht in dieser Beziehung an die Bilder des Utrechtpsalters heran.
Man darf ferner nicht glauben, als hätte sich der Zeichner da-
mit begnügt, die aus den Psalmenversen herausgegriffenen bildlichen
Gestalten roh neben einander zu stellen. In den meisten Fällen be-
müht er sich, dieselben symmetrisch zu ordnen, Einheit in die Com-
position zu bringen. Eine perspectivische Vertiefung der Scene kennt
Anton Springer,
sonification des Baches. Die Worte im Vers 5: pulvis quem projidt
ventus a fade terrae verkörpert der Zeichner in dem Kopfe, welcher
Staub auf die impios, die Bewaffneten bläst. Das Schicksal der letz-
teren : iter impiorum peribit (V. 8) versinnlicht er in dem Höllen-
schlunde. Damit ist der feste Grund für das Verständniss aller
Illustrationen im Utrechtpsalter gewonnen. Gerade so wie bei dem
ersten Psalm ging der Zeichner bei allen übrigen Psalmen zu Werke.
Er hob einzelne Verse und aus den Versen einzelne Worte heraus,
welche eine bildliche Wiedergabe gestatteten, von der Phantasie in
eine Körperform gebracht werden konnten, und stellte aus diesen
Gestalten und Gruppen stets das Bild zusammen. Natürlich wurde
auf diese Weise nicht selten das Untergeordnete und Nebensächliche
in den Vordergrund geschoben. Dem Zeichner standen offenbar ein-
zelne Gegenstände mehr zu Sinne als andere; seine Vorstellungen
umfassten die verschiedenen Kreise nicht mit gleicher Liebe. Im
wilden Männerkampfe fühlt er sich ersichtlich heimisch; wo ihm der
Anlass dazu geboten wird, schildert er denselben in breiten Zügen.
Auch das Landleben zieht ihn an. Mit grosser Lebendigkeit zeichnet
er die Thiere des Waldes, die Rinder und Schafe auf der Weide,
die Landleute auf dem Felde. Ueberhaupt offenbart er einen frischen
Natursinn. Niemals fehlt der landschaftliche Hintergrund. Er erscheint
zwar flüchtig behandelt, zeigt stets dieselben Motive. Nur eine
Bergform kommt vor, die Form des abgeplatteten Kegels, bald isolirl
stehend, bald mehrere an einander geschoben. Auch die Baumform
wechselt nicht; immer stossen wir auf denselben knorrigen Stamm
mit zahlreichen Astlöchern und schütteren zu Büscheln geordneten
Blättern. Nicht auf den Grad der Ausführung und auf die Mannig-
faltigkeit des Details kommt es aber an. Entscheidend ist, dass der
Zeichner den Drang empfand, die Scene in die offene Landschaft
zu verlegen, und dass er wenigstens einzelne Motive der Natur ab-
lauschte. Keine künstlerische Schilderung des frühen Mittelalters
reicht in dieser Beziehung an die Bilder des Utrechtpsalters heran.
Man darf ferner nicht glauben, als hätte sich der Zeichner da-
mit begnügt, die aus den Psalmenversen herausgegriffenen bildlichen
Gestalten roh neben einander zu stellen. In den meisten Fällen be-
müht er sich, dieselben symmetrisch zu ordnen, Einheit in die Com-
position zu bringen. Eine perspectivische Vertiefung der Scene kennt