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126 III. DIE MADONNEN RAFFAEL'S. ■
auch guten Ausschluss über den Ausgangspunkt, von welchem aus die
Composition sich entwickelt und weiter bewegt. , Die ersten Gedanken
und Entwürfe der Grablegung fallen in eine Zeit, in welcher Raffael
seine Bilder noch in den Rahmen älterer Compositionen zu spannen pssegte.
Diese Beschränkung war schwerlich immer freiwillig und musste nicht
nothwendig und in jedem Falle, dem Misstrauen in die eigene Erfindungs-
gabe entspringen. Vielfach war an die Bestellung gleich die Bedingung,
sich an ein älteres berühmtes Vorbild zu halten, geknüpft. So verwiesen
die Nonnen von Monteluce bei Perugia, als sie im Herbst 1505 Raffael
ein Altarbild — die erst nach seinem Tode vollendete Krönung Maria,
jetzt im Vatican — in Auftrag gaben, diesen auf die (von einem
Florentiner gemalte) Krönung Maria in der Zoccolantenkirche in Narni
als ein nachahmungswerthes Muster. Aehnliches hat gewiss auch bei der
Bestellung der Madonna Ansidei flattgefunden, und so mag Madonna
Atalante Baglioni dem jungen Künstler ebenfalls das Studium eines
älteren Vorbildes empfohlen haben. Sicher ist, dass Rasfael, als er sich
mit seiner Aufgabe zu beschäftigen begann, seine Blicke zuerst auf ein
Werk seines Lehrers in der Kirche Sta. Chiara in Florenz richtete. Dort
hatte Pietro Perugino 1495 eine Klage um den Leichnam Christi, eine
depositio, in Oel gemalt, welche schon die Zeitgenossen wegen der
ergreifenden Wahrheit der Schilderung, des schönen Farbentones und
der anmuthigen Landschaft im Hintergrunde überaus rühmten, und welche
auch jetzt noch unter den Schätzen der Pitti-Galerie eine hervorragende
Stellung einnimmt. Chrissi Leichnam ruht auf einem erhöhten Steine,
umgeben von Joseph von Arimathia und den heiligen Frauen, die theils
den Körper und das Haupt des Todten stützen, theils mit einem letzten
Blicke und einer letzten Berührung von ihm Abschied nehmen. Ueber
diese Gruppe erhebt sich, die Arme in wildem Schmerze ausbreitend,
Maria Kleophas, während rechts der händeringende Johannes und noch
zwei andere in der Empfindung tief bewegte Personen das Bild
abschliessen, und auf der Gegenseite zwei Freunde des Todten in stiller
Theilnahme die Trauerscene betrachten. Sowohl nach der Anordnung
des Ganzen, wie nach der Durchbildung der Einzelgestalten, gehört das
Werk zu den besten, welche der Lehrer Raffael's geschaffen hat. Von
dieser »Klage« nun nahm Raffael den Ausgangspunkt für seine Grab-
legung. Er hält an der Gliederung des Gegenstandes fest. Den Vorder-
grund nimmt der liegende Leichnam Chrissi ein, umgeben von den
knieenden Frauen, zu beiden Seiten flehen dann die theilnehmenden,
trauernden Freunde und Jünger des Todten. Dieser Darstellung
begegnen wir in einer Reihe von Blättern, die sonst in Einzelheiten
 
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