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Das Nachleben der Antike im Mittelalter.

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nackte Figuren. Dazu kommt, daß eine symbolische Beziehnng
oollstündig ausgeschlossen ist. Es war die reine Formfreude.
welche den Künstler des eilften Jahrhunderts bewog, den Dorn-
auszieher zum Schmticke der Grabplatte zu verwenden. Freilich
blieb die Formfreude iu der bloßen Absicht stecken. Die Aus-
führung ist, wie der Vergleich mit dem antiken Werke Fig. 3
darthut, von kindischer Rohheit. Die Thatsache aber, daß in
Deutschland im frühen Biittelalter eine antike Skulptnr die
Phantasie eines Künstlers erfüllt, wird dadurch nicht auf-
gehoben. Daß wir es hier nicht mit vereinzelten Fallen zu
thun haben. der Anschluß an die Antike vielmehr zu den dauern-
den Gewohnheiten des früheren Mittelalters gehörto, dasür spricht
der Weg,' anf lvelchem die mittelalterlichen Küustler zur Kennt-
niß und zum Cultus der Antike gelangten.

Wir modernen Men-
schen ahnen nicht den Werth
mechanischer Ku nstfertigkeit
in den vergangenen Zeiten
und glauben nicht an die
Möglichkeit eines Enthu-
siasmus für das rein Tech-
nische in dem künstlerischen
Wirken. Wir halten es
geradezn für eine Herab-
würdignng des Künstlers,
wenn er sich ernstlich und
vorzugsweise um das Hand-
wcrk kümmert. Theils ist
das technische Verfahren so
abgeschliffen und dem Ein-
zelnen so bequem zurecht-
gelegt, daß es weiter keine
Aufmerksamkeit verdient,
theils begnügen sich in
unsercn Tagen nicht blosz Dilettanten, sondern auch ange-
sehene Künstlcr mit der bloßcn Erhitzung ihrer Einbildungs-
kraft, mit der Jagd auf sogenannte poetische Jdeen, un-
wissend, daß die gediegene Fachphantasie ohne die vollkom-
mene Herrschaft iiber die entsprechende Technik gar nicht bestehen
 
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