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Springer, Anton; Osborn, Max [Editor]
Handbuch der Kunstgeschichte (Band 5): Das 19. Jahrhundert — Leipzig, 1909

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https://doi.org/10.11588/diglit.30792#0233

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4. Das Erwachen der Farbe in Deutschland.

197

baten und kannten das Wesen der
Menschen, die sie in ihren Bildern fest-
hielten. So kam viel Frische und An-
schauung in ihre Gemälde, wenngleich
die Malerei oft trocken und spitz mar.
Mit militärischen Szenen trat auch
Wilhelm von Kobell (1766 —
1855) hervor, der aber über die alt-
holländische Farbeuanschauung, in dem
dieser Münchner Kreis sonst viel-
fach befangen war, zu selbständigem
Erfassen atmosphärischer Erscheinungen
vordrang. In seinen Schlachtenbildern,
wie der Belagerung von Kosel oder
dem Treffen bei Bar sur Aube, hat
er die ost etwas hölzernen Soldaten-
figuren in Landschaften hineingesetzt, die
ganz erfüllt sind von wehender Luft und
einem mannigfaltigen, sorgsam studierten
Lichterspiel. Man denkt au Friedrich bei
dieser Weiträumigkeit und dieser Behan
über die konventionelle Schlachtenmalerei der späteren Zeit hoch hinausheben. Auch sonst hat
sich dieser ausgezeichnete Künstler der Landschaft angenommen und sich auch hier, etwa in dem
reizenden, mit naivem Wirklichkeitssinn genialten Bilde des ersten Münchner Pferderennens von
1810, ganz auf eigene Füße gestellt. Nur in den Tierbildern seiner Frühzeit spürt man noch
den niederländischen Einfluß, an dem ein Düsseldorfer Studienaufenthalt seinen Anteil batte.
In den dreißiger Jahren kam dann Christian Morgensterns', o. S. 191f.) aus Hamburg
nach München, um die dänisch-norddeutschen Keime der Stimmungslandschaft dorthin zu ver-
pflanzen, die bald von anderer Seite her neu befruchtet werdeu sollten.
Wie Morgenstern in München und Dahl in Dresden, war in Düsseldorf Louis Gurlitt
(1812 —1897) der Träger der Kopenhagener Anregungen. Er brachte eine ganze nordische
Kolonie mit sich, die in der rheinischen Kunststadt festen Fuß faßte und auf eine Landschafts-
malerei in engstem Anschluß an ein vertieftes Naturstudium hinarbeitete. Gurlitts schlichte,
unkomponierte Ausschnitte, deren farbige Behandlung im allgemeinen einfach war, sich aber oft
zu großer Feinheit durchraug, machten Aufsehen, und auf seinen Schultern erhob sich der Düssel-
dorfer Künstler, dessen temperamentvolles Auftreten damals als eine Befreiung von der klassi-
zistisch-romantischen Schablone empfunden wurde: Andreas Achenbach (geb. 1815). Man hat
in den letzten Jahrzehnten vor den späteren Werken Achenbachs, in denen er sich mit stark
äußerlicher Routine immer selbst wiederholte, vielfach vergessen, was die deutsche Landschaft ihm
in seiner Jugend zu verdanken hatte, als er mit einer im Kreise der Schadowschule unbekannten
Entschlossenheit der Natur zu Leibe ging. Den Studienfahrten ins benachbarte Holland, wo
er sich den warmen Ton und die Kompositionsgesetze der Ruysdael und Everdingen aueignete
(Abb. 210), ließ er bald Reisen in die nordischen Länder folgen, deren Gebirgs- und Küsteugegen-
den er für die deutsche Malerei eroberte. Sein Hauptstoffgebiet aber war die Nordsee, deren
Herrlichkeit er ungefähr gleichzeitig mit Heine entdeckte. Achenbach liebte das Dramatische und
Pathetische, die großartigen und gewaltigen Schauspiele der Natur, wenn die Wassermassen des

218. Porträt, von Gottfr. Schadow.
Aquarellierte Zeichnung.
der rein malerischen Probleme, die Kobells Bilder
 
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