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Springer, Anton; Osborn, Max [Editor]
Handbuch der Kunstgeschichte (Band 5): Das 19. Jahrhundert — Leipzig, 1909

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https://doi.org/10.11588/diglit.30792#0438

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374

Vierter Abschnitt: 1870—1900.

(Abb. 401), sich mit dekorativen Arbeiten, wie mit der Emailmalerei, befaßt, dichtet, Theaterstücke
inszeniert, musiziert, und eine ganze Kolonie von Schülern um sich vereint, die er in allen Zweigen
der Kunst unterweist. Zwischen Herkomer und Watts steht als Porträtist W. W. Oulesz (geb. 1840).
In jüngster Zeit ist vor allem P. Wilson Steer (geb. 1860), neben ihm auch A. E. John,
mit außerordentlichen Bildnissen in brillanter moderner Technik in die erste Reihe gerückt.
Eine wichtige Ergänzung findet die moderne englische Malerei durch die Kunst der Schotten


404. Mary in Grün, von John Lavery.

und der Amerikaner. Die schot-
tischen Maler der Schule von
Glasgow waren es, die seit den
achtziger Jahren die moderne Land-
schaft aus den Farbenspielen der
Impressionisten wieder mehr der
Stimmuugskunst der Fontainebleauer
annäherten. Corot hauptsächlich
wurde hier verehrt, und durch Ver-
mittlung der Meister von Barbizon
ging man auch wieder auf Constable
zurück, nur daß der malerische Vor-
trag sich seit fünfzig Jahren ver-
feinert und vertieft hatte. Die
Landschaften dieser Künstler wollen
einen Spiegel ihrer eignen schwär-
merischen, verträumten Art geben.
Melancholische Nebel überdecken
Bäume und Büsche, Felder und
Wiesen mit einem feuchten dunstigen
Schleier, und eine leise Wehmut
dringt in das Herz des Betrachters.
Die Teile des Bildes rücken einan-
der näher, und es klingt aus ihm
wie das Rauschen leiser Akkorde.
Tiefe, weiche Farben, in die hellere
und buntere Flecke von ungefähr
hineingesetzt werden — das hatte
man von den Japanern gelernt —,
verschwommene lockere Konturen

und die verhaltenen Lichter der Dämmerung dienten dazu, den Gefühlsinhalt des Naturbildes
poetisch zu deuten. Wie im Traum erscheinen Heideflächen, Gebirgsfzenerien, Waldpartien mit
rauschenden Bäumen, aus denen die Tiere einer Herde, die Gestalten der Hirten, die Hellen
Dorfhäuser und ihre Dächer als feste Punkte für das Auge herausleuchten. In ähnlicher Weise
wird auch das Porträt von den Schotten behandelt: die Gesichter der dargestellten Personen
schimmern aus vollen und sonoren Akkorden des Hintergrundes heraus, so daß sie aussehen,
als habe der Künstler sie mit einem Zauberspruch beschworen. Graue, braune und schwärzliche
Töne werden bevorzugt, denen die Palette nur selten ein gedämpftes Blau, ein mattes Grün,
oder auch einmal ein funkelndes Rot beimischt. Den Mittelpunkt des Glasgower Kreises bildet
Robert Mac Gregor (Abb. 402); unter seinen Genossen ragen George Henry (Abb. 403),
 
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