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Studien und Skizzen zur Gemäldekunde — Wien, 1.1913

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II. Lieferung (Juni 1913)
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Ein Bildnis des Tonkünstlers Franz Liszt
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https://doi.org/10.11588/diglit.20638#0052

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42

EIN BILDNIS DES TONKÜNSTLERS ERANZ LISZT.
Glücklichem Spürsinn und geschickter Sammeltätigkeit ist es gelungen,
ein Bildnis Franz Liszts, des berühmten Klavierspielers und Tondichters, zu
erwerben, das bisher versteckt geblieben ist. Es fehlt, so weit ich sehe, in
den nicht wenigen Büchern und Heften über Liszt und in den bisherigen
Verzeichnissen seiner Porträte. Aufgefunden und erworben wurde dieses
Porträt im vorigen Jahre durch Ludwig Dux in Wien, dessen Freundlich-
keit ich die Erlaubnis zur Veröffentlichung verdanke. Es ist eine kleine
Gipsbüste, modelliert von dem ehedem berühmten Bildhauer und Medailleur
Francesco Puttinati (gewöhnlich »Putinati« geschrieben). Die Inschriften
geben den Namen des Dargestellten, des Künstlers und das Entstehungs-
jahr der Büste (1838). Auf dem Abschnitt der Kehrseite zeigt das Werk
folgende eingegrabene Signatur und Zeitangabe »F. Puttinati fece 1838«.
(Anbei die Nachbildung.) Der vordere Abschnitt hat die Inschrift »F. Liszt.« —
Höhe der Büste 26 <r/?z.
Ob dieses Porträt wohl nach der Natur modelliert ist? Dies scheint
in der Tat so zu sein. Wenigstens muß man eine genaue Kenntnis der
Gesichtszüge des
jungen Liszt beim
modellierenden
Künstler voraus-
setzen. Denn dieser
hat zu einer Zeit, als
das klassizistische
Verallgemeinern der
Formen noch gang
und gäbe war, na-
turalistische Einzelheiten angebracht, wie sie einer bestimmten Natur-
anschauung entsprechen. Die Brauen scheinen nach individuellem Vorbild
modelliert zu sein, und daß die Warzen im Gesichte individuelle Merkmale
sind, läßt sich gewiß nicht leugnen. Herrn Ludwig Dux ist es längst auf-
gefallen, daß die älteren Liszt-Bildnisse diese Warzen übergehen, wogegen
Puttinati sie mit zur Charakteristik benützt.
Obwohl sich keine Überlieferungen an die Büste knüpfen, die ohne
jeden Wettbewerb bei einer Versteigerung im Dorotheum erworben worden
ist, stellt sich das neu aufgefundene Liszt-Bildnis dennoch als gänzlich un-
verdächtige Erwerbung heraus, nicht nur in bezug auf die Alterserschei-
nungen in der Oberfläche des Gipses, sondern auch in bezug auf die Bildnis-
ähnlichkeit. Puttinatis Liszt reiht sich so zwanglos und glatt in die Gruppe
der Liszt-Porträte um 1838 ein, daß Zweifel an der Echtheit nicht auf-
kommen können. Man vergleiche nur die Kriehuberschen Steinzeichnungen
aus jener Zeit, insbesondere die zwei Blätter aus dem Jahre 1838 selbst.
Vollkommen überzeugend, daß auf Kriehubers Lithographien und in der
Büste dieselbe Persönlichkeit dargestbllt ist. Das beste unter den Kriehuber-
schen Liszt-Porträten, und zwar: Liszt im Reisemantel (in W. v. Wurzbachs
Verzeichnis Nr. 1199) wurde vor einigen Jahren in den »Blättern für Ge-
mäldekunde« abgebildet als Illustration zu Kapps Artikel über Liszts Bild-
nisse (Seite 41 des VH. Bandes). Die Abbildung wird auf der letzten Seite
 
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