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Studien und Skizzen zur Gemäldekunde — Wien, 1.1913

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II. Lieferung (Juni 1913)
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Ein Bildnis des Tonkünstlers Franz Liszt
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https://doi.org/10.11588/diglit.20638#0053

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dieses Heftes wiederholt. Da ich heute von der neu aufgefundenen Büste
zwei Ansichten gebe, fällt die Vergieichung nicht schwer.
Sollte Puttinatis Büste, wie es ja doch scheinen wiü, nach der Natur
modelliert worden sein, so hatte der biidende Künstler den Klaviervirtuosen
im Laufe des Jahres 1838 in verschiedenen Orten Italiens antreffen können.
Liszt war schon 1837 in Italien. 1838 hielt er sich bis gegen Ende April in
Venedig auf, wie das aus den Datierungen seiner Briefe und aus anderen
Nachrichten hervorgeht. Dann war er in Wien, wo er bei kurzem Aufent-
halte wahre Triumphe als Klavierspieler feierte (hiezu »Allgemeine musi-
kaiische Zeitung« von 1838). Am 26. oder 27. Mai 1838 reiste Liszt von
Wien ab wieder nach Venedig. Danach war er in Mailand, Genua, wieder
in Mailand, und zwar im Juli, was durch die Aufsehen erregenden Auf-
tritte und eine Zeitungspolemik des Künstlers bestimmt nachweisbar ist.
Dann besuchte Liszt die italienische Schweiz. Ein drittes Mal innerhalb
1838 war er im Spätsommer nach Mailand gekommen. Der Herbstanfang
sah ihn in Catajo beim Herzog von Modena. Am 10. Oktober 1838 wurde
aus Mailand geschrieben, Liszt sei bereits nach Florenz abgereist.
Die Modellierung der Büste von Puttinati, dem Mailänder Künstler,
mag vielleicht mit Liszts wiederholten Aufenthalten in Mailand und mit dem
Aufsehen Zusammenhängen, das die Angriffe einiger heißblütiger Mailänder
auf Liszt hervorgerufen hatte*). Vermutlich ist Liszt ohne Vorwissen vom
Künstler modelliert worden. Diese Annahme würde zwar eigentliche
Sitzungen ausschließen. Aber die Büste kann trotzdem nach der Natur ge-
macht sein. Der Lebenslauf Puttinatis ist nicht ln ausführlicher Weise über-
liefert. Die alten Lexika bieten nur weniges über diesen Mailänder Medailleur,
von dem sich übrigens eine ganze Reihe guter, ja trefflicher Medaillen er-
halten hat. Stil und Auffassung passen bei Stichproben, die ich vorge-
nommen habe, vollkommen zur Behandlungsweise der Büste**). Nach den
Angaben, die bei L. Eorrer im Biographical dictionary of medallists (Volum IV,
1909) zu finden sind, war Puttinati 1838 noch künstlerisch tätig, obwohl
schon über sechzig Jahre alt. Puttinati sei 1775 geboren. Sein Sterbejahr wird
mit zirka 1853 angegeben und ist richtig 1848 (nach freundlicher Mit-
teilung des Sekretärs der Mailänder Accadeniia di belle arti, Herrn Virgilio
Colombo).***)
Von persönlichen Beziehungen Puttinatis zu Liszt ist bislang nichts
bekannt, doch gebe ich die Hoffnung nicht auf, daß die Veröffentlichung
seiner Liszt-Büste ein ganz besonderes Nachforschen anregen und kleine
Funde veranlassen werde, die den Zusammenhang noch weiter aufklären

*) Über diese Angriffe und Liszts erfolgreiche Verteidigung wird man durch die
»Allgemeine musikalische Zeitung« von 1838 und durch die Liszt-Biographie von Lina
Ramann unterrichtet.
**) Im Wiener Hofmuseum, wo ich durch die Herren Dr. A. v. Löhr und Dr. Jui.
Hermann dankenswerte Auskünfte erhieit, können mehrere Medaillen von Puttinati ein-
gesehen werden. An größeren Arbeiten von demselben Künstler ist nichts im Wiener
Hofmuseum vorhanden.
***) Forrer benützt und nennt die hauptsächliche Literatur über den Künstler ein-
schließlich des kurzen Abschnittes bei Bolzenthal. Bergmanns Medaillen berühmter
Österreicher 11 (1857), S. 490, und die deutschen Künstlerlexika von Nagler. Seubert,
W. Singer wären etwa nachzutragen. Nagler bringt beachtenswerte Angaben, die bei
Forrer fehlen.

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