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Studien und Skizzen zur Gemäldekunde — Wien, 1.1913

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VIII. und IX. Lieferung (Dezember 1914, Kriegsheft)
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Frimmel, Theodor von: Bilderschicksale: Vortrag, gehalten zugunsten des Roten Kreuzes am 8. November 1914 in Wiener-Neudorf
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https://doi.org/10.11588/diglit.20638#0205
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Je weiter wir in die Neuzeit, in das Kunstzeitaiter der Hochrenaissance
herein kommen, desto reichiicher stehen uns erhaltene Geniäide
zur Verfügung, nicht nur Wandgemäide, Buchmalereien, Giasgemäide,
sondern auch Tafeigemäide auf Aitarwerken verschiedener Größe, Andachts-
biider, Porträte.
Das berühmteste spätmitteiaiteriiche Aitarwerk, das von den Brüdern
Hubert und Jan van Eyck, hat jüngst sehr vie! von sich reden ge-
macht. Es ist für die Johanneskirche in Gent, die seither auf Sankt Bavo
umgetauft worden, zwischen 1420 und 1432 hergestelit worden. (Die Auf-
nahmen von der Photographischen Gesellschaft in Berlin wurden vorge-
wiesen.)
Gent ist vor einiger Zeit von den Deutschen besetzt worden. Doch
hatte man vorher das Altarwerk der Brüder Van Eyck (ob das Ganze mit
den kopierten Elügeln oder nur das echte Mittelstück mit den Originalen,
wurde nicht berichtet) verpackt und nach London geschickt. Man
wäre sicher gewesen, daß es die Deutschen nicht beschädigt hätten. Die
Flügelbilder in Gent sind nur getreue Kopien. Die Originalflügel mit
Ausnahme des Adam und der Eva sind 1816 an einen Bilderagenten
verkauft worden, kamen zu Solly und befinden sich seit 1821 im Be-
sitze der königlich preußischen Kunstsammlungen. Die Bilder mit Adam
und Eva und die entsprechenden Kehrseiten waren 1785 oder bald da-
nach, der unbekleideten Figuren wegen, versteckt worden und kamen erst
1860 ins Brüsseler Museum* *), das gegenwärtig in deutschen Händen ist.
Zu den Zeiten der Renaissance, zuerst in Italien, dann hauptsächlich
in Deutschland, vielfach auch in Frankreich und Spanien, nimmt der Bilder-
vorrat so zu, daß man bei den Meistern dtitten und vierten Ranges schon
eher von einem Zuviel reden kann, als daß man einen Mangel an Bildern
hervorzuheben hätte. Und die Menge steigerte sich mehr und mehr bis
heute.
Eine tüchtige Schröpfung der Überfülle geschah in mehreren Ländern
zur Zeit der Reformation**), die ja bekanntlich zum Teil bilder-
feindlich war und Darstellungen Gottes und der Heiligen ablehnte, ja
verfolgte und in manchen Orten eine eigentliche Bilderverwüstung an-
regte. ln den protestantisch gewordenen Provinzen der Niederlande
wurde manch gutes Andachtsbild in wildem Fanatismus zerstört. So er-
zählt Van Mander, daß viele kostbare Werke des Geertgen tot Sint Jans,
sei es durch die eigentlichen Bilderstürmer, sei es durch die Kriegsleute,

trami: „H cenacolo di Leonardo" in Mailand. Hervorzuheben ferner der Artikel von
Q. Frizzoni in der „Chronique des arts et de la curiosite" von 1908, S. 288, und die
Mitteilungen in der Wochenschrift „L'iliustrazione italiana" vom 11. Oktober 1908
(S. 341 f.). Seither O. Hoerth: „Das Abendmahl des Lionardo da Vinci" (1907). Zur
Bibliographie beachtenswert die Bändchen der „Raccoita Vinciana", die seit 1905 in
Mailand ausgegeben werden.
*) Diese Angaben gehen bezüglich älterer Zeiten auf E. Fetis zurück, der sie in
seinem „Catalogue descriptif et historique" der Brüsseier Galerie mitteilt. Vgi auch
Henry Hymans: „Gent und Tournai" (Leipzig 1902). Noch viele andere Literatur wäre
anzuführen. Über die neuesten Schicksale muß ich mich höchst vorsichtig äußern, da
einander widersprechende Angaben vorliegen.
**) An die frühere Zerstörung von Kunstwerken unter dem Einfiusse Savonarolas
(dieser lebte 1452 bis 1498) sei im Vorübergehen erinnert.

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