Einleitung.
Alle Wege der Forschung, welche über den Ursprung sittlicher und religiöser Gebräuche bei verschie-
denen Völkern des Alterthums, zumal bei den Griechen, Aufschluss bieten, finden einen gemeinschaftli-
chen Vereinigungs - und Anfangspunkt in der Stiftung der Gräber. An der Gränze völliger Rohheit und
Wildheit des Urzustandes der Menschen bezeichnen diese in der Erde ausgehöhlten Ruhestätten Verstor-
bener die ersten Fusstapfen der annahenden Sittigung und Religion. Die über Leichen aufgeworfenen
Hügel sind die ersten Altäre, bei denen ihr Schmerzgeschrei ein Gebet an die Gottheit wurde. Noch
stehen ihre ältesten Ueberreste auf der grossen Völker- und Culturstrasse, von Osten und Süden bis
nach Westen und Norden hin, als hohe pyramidale Erd - und Steinhügel emporgethürmt, und die vollkom-
mene Gleichmässigkeit ihrer Form in verschiedenen Ländern und Zeiten bekundet einen verwandten
Ursprung ihrer Stiftung. Der Tumulus des trojischen Helden unterscheidet sich kaum von dem Tumulus
des barbarischen Scythen und dem Riesenhügel des Scandinaviers 5 so kommen ganz verschiedene und
entlegene Volksstämme überein in dem Bau ihrer Gräber. Umschwebt von den Schauern einer dunklen
Zukunft, begabt mit der wundertätigen Eigenschaft, durch Anklänge der Erinnerung und Wehmuth die
verborgensten, stärksten Saiten der Seele zu bewegen, den Mächtigen und Uebermüthigen durch das Bild
der Vergänglichkeit zu bezwingen und zu zähmen, den Grossen, Stolzen durch die Aussicht einer künf-
tigen Gleichheit zu demüthigen, den Unglücklichen, Gebeugten durch das sicher bevorstehende Ende seiner
Leiden zu trösten und zu erheben, äusserten sie von jeher die entschiedenste Rückwirkung in die Tiefen
des Lebens. Stets war der Tod der erste Lehrer und Erzieher des Menschengeschlechts. In der reich-
bepabten heiteren Welt unter dem südlichen Himmelsstrich musste der Naturmensch, welcher seiner rohen
Kraft allein vertrauend, das Glück seines Daseyns genoss, beim Anblick des allereilenden, allbesiegenden
Todes durch die schmerzliche Dissonanz in der Schöpfung aus seiner Dumpfheit erweckt und zur Ahnung
eines höheren Wesens geführt werden. In Form pyramidaler Grabhügel entstehen die ersten Erdaltäre,
die der Sterbliche zu Ehren der Gottheit errichtet, an welchen er sein Gebet zu der unsichtbaren Welt-
macht hinaufschreit, auf welchen er anfangs im blinden Missverständniss und Eifer der Verehrung seinen
liebsten Mitmenschen dem zum Opfer bringt, der das Leben den Geschöpfen giebt und nimmt. So
erscheint noch heute auf dem Gipfel des lykaeischen Berges in Arcadien der von Lykaon erbaute, mit Men-
schenknochen und Asche nebst eingestreuten Münzen noch in der Folgezeit erhöhte, conische Erdaltar des
Zeus Lykaeos und ein ähnlicher auf der dem Gotte geweihten Spitze des Berges Aenos in Kephalenien.
Die Sage von den in Berge verwandelten Erdsöhnen, den übermüthigen Giganten, in welcher die Betrach-
tung der Natur- und Lebensumwälzungen zu einem belehrenden Bilde verschmolz, giebt dem Erdgebornen die
früheste Weisung über das allen bevorstehende Schicksal, vom kühlen Erdmantel des Grabhügels bedeckt,
in den Schooss der Mutter zurückzukehren. Daher waren auch die strengen, furchtbaren Mächte der dunk-
len Tiefe, die Erdgottheiten, die frühesten von ihm verehrten, und seine Erkenntniss stieg erst später zu
einer überirdischen Welt und zu den Himmelsgöttern empor, wovon der Charakter der alten Tempelbaukunst
in den Fortschritten von dem düstern Ernst zur Heiterkeit noch das Gepräge trägt. Altäre, Tempel, Opfer,
Orakel, heilige Spiele, Kampfübungen, Kriegsgebräuche, die meisten Staatsinstitute gründen sich auf Gräber
und Todtenfeier. Die Erfindung und Obhut derselben wurde von den Griechen dem Hermes, dem Weltver-
Alle Wege der Forschung, welche über den Ursprung sittlicher und religiöser Gebräuche bei verschie-
denen Völkern des Alterthums, zumal bei den Griechen, Aufschluss bieten, finden einen gemeinschaftli-
chen Vereinigungs - und Anfangspunkt in der Stiftung der Gräber. An der Gränze völliger Rohheit und
Wildheit des Urzustandes der Menschen bezeichnen diese in der Erde ausgehöhlten Ruhestätten Verstor-
bener die ersten Fusstapfen der annahenden Sittigung und Religion. Die über Leichen aufgeworfenen
Hügel sind die ersten Altäre, bei denen ihr Schmerzgeschrei ein Gebet an die Gottheit wurde. Noch
stehen ihre ältesten Ueberreste auf der grossen Völker- und Culturstrasse, von Osten und Süden bis
nach Westen und Norden hin, als hohe pyramidale Erd - und Steinhügel emporgethürmt, und die vollkom-
mene Gleichmässigkeit ihrer Form in verschiedenen Ländern und Zeiten bekundet einen verwandten
Ursprung ihrer Stiftung. Der Tumulus des trojischen Helden unterscheidet sich kaum von dem Tumulus
des barbarischen Scythen und dem Riesenhügel des Scandinaviers 5 so kommen ganz verschiedene und
entlegene Volksstämme überein in dem Bau ihrer Gräber. Umschwebt von den Schauern einer dunklen
Zukunft, begabt mit der wundertätigen Eigenschaft, durch Anklänge der Erinnerung und Wehmuth die
verborgensten, stärksten Saiten der Seele zu bewegen, den Mächtigen und Uebermüthigen durch das Bild
der Vergänglichkeit zu bezwingen und zu zähmen, den Grossen, Stolzen durch die Aussicht einer künf-
tigen Gleichheit zu demüthigen, den Unglücklichen, Gebeugten durch das sicher bevorstehende Ende seiner
Leiden zu trösten und zu erheben, äusserten sie von jeher die entschiedenste Rückwirkung in die Tiefen
des Lebens. Stets war der Tod der erste Lehrer und Erzieher des Menschengeschlechts. In der reich-
bepabten heiteren Welt unter dem südlichen Himmelsstrich musste der Naturmensch, welcher seiner rohen
Kraft allein vertrauend, das Glück seines Daseyns genoss, beim Anblick des allereilenden, allbesiegenden
Todes durch die schmerzliche Dissonanz in der Schöpfung aus seiner Dumpfheit erweckt und zur Ahnung
eines höheren Wesens geführt werden. In Form pyramidaler Grabhügel entstehen die ersten Erdaltäre,
die der Sterbliche zu Ehren der Gottheit errichtet, an welchen er sein Gebet zu der unsichtbaren Welt-
macht hinaufschreit, auf welchen er anfangs im blinden Missverständniss und Eifer der Verehrung seinen
liebsten Mitmenschen dem zum Opfer bringt, der das Leben den Geschöpfen giebt und nimmt. So
erscheint noch heute auf dem Gipfel des lykaeischen Berges in Arcadien der von Lykaon erbaute, mit Men-
schenknochen und Asche nebst eingestreuten Münzen noch in der Folgezeit erhöhte, conische Erdaltar des
Zeus Lykaeos und ein ähnlicher auf der dem Gotte geweihten Spitze des Berges Aenos in Kephalenien.
Die Sage von den in Berge verwandelten Erdsöhnen, den übermüthigen Giganten, in welcher die Betrach-
tung der Natur- und Lebensumwälzungen zu einem belehrenden Bilde verschmolz, giebt dem Erdgebornen die
früheste Weisung über das allen bevorstehende Schicksal, vom kühlen Erdmantel des Grabhügels bedeckt,
in den Schooss der Mutter zurückzukehren. Daher waren auch die strengen, furchtbaren Mächte der dunk-
len Tiefe, die Erdgottheiten, die frühesten von ihm verehrten, und seine Erkenntniss stieg erst später zu
einer überirdischen Welt und zu den Himmelsgöttern empor, wovon der Charakter der alten Tempelbaukunst
in den Fortschritten von dem düstern Ernst zur Heiterkeit noch das Gepräge trägt. Altäre, Tempel, Opfer,
Orakel, heilige Spiele, Kampfübungen, Kriegsgebräuche, die meisten Staatsinstitute gründen sich auf Gräber
und Todtenfeier. Die Erfindung und Obhut derselben wurde von den Griechen dem Hermes, dem Weltver-