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Staehlin, Rudolf
Das Motiv der Mantik im antiken Drama — Giessen: Toepelmann, 1912

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https://doi.org/10.11588/diglit.74897#0214
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Rudolf Staehlin

bieten durfte. Für den Gang der Handlung ist das Motiv
in beiden Fällen ohne erhebliche Bedeutung; auch die von
ihm erregte Spannung ist nicht besonders groß. Dagegen
darf der komische Effekt, der durch den psychologisch so
treffend gekennzeichneten Charakterzug des Aberglaubens im
Bilde des Kupplers hervorgerufen wird, nicht unterschätzt
werden.
Die Frage nach der Originalität des mantischen Motivs
in diesem plautinischen Drama ist nicht durch äußere Zeugnisse,
wohl aber durch innere Indizien mit ziemlicher Wahrschein-
lichkeit, wie ich meine, zu beantworten. Alle Anzeichen
deuten auf die Existenz des Motivs schon in der griechischen
Vorlage, dem KaCTdöviog1 eines unbekannten Dichters: das
Venusfest, an dem die Opferschau vorgenommeii wird, ist mit
Hcpoodiaia bezeichnet (191 ff.), ein allerdings schwaches Argu-
ment2; die Art, wie der leno die Göttin zu größerer Genüg-
samkeit durch Unterlassen von Opfern veranlassen will, er-
innert uns einigermaßen an aristophanische Gedanken"; die
Animosität gegen die gavrag ist, wie wir des öfteren sahen,
ein bekannter ronog des griechischen Dramas.
Doch diese Momente fallen weniger ins Gewicht, mehr
eine gewisse Ähnlichkeit des dramatischen Baues mit dem
sophokleischen König Oidipus — bei zwei so verschiedenen
Dichtungsgattungen natürlich nur cum grano salis zu verstehen.
Im „König Oidipus" wird Schlimmes prophezeit; lokaste sucht
durch kluge Überredung und durch den Nachweis der Irr-
tümer der Mantik den durch die Prophezeiung erschreckten
Oidipus zu beruhigen, aber sie muß zum Schluß doch die
Mantik als Siegerin, als wahre Prophetin, erkennen, durch
Schaden klug gemacht 4.

1 Prolog V. 53. Besonders Langen aaO. 181 ff. und Leo aaO. 153 ff.
haben Kontamination des Poenulus wahrscheinlich gemacht. Die Ein-
geweideschau wird von Leo aaO. 157 in den Ka^dortoG, die erste der
beiden Vorlagen, gesetzt. Mit vollem Recht betont er die Zusammen-
gehörigkeit der beiden Extispicien (449 ff. und 1'205 ff.).

2 Auch Leo aaO. 157 verwendet dieses Beweisstück.

3 Z. B. in den „Vögeln".

4 In gewissem Sinne kann man auch an die „Taurische Iphigeneia"
 
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