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Staehlin, Rudolf
Das Motiv der Mantik im antiken Drama — Giessen: Toepelmann, 1912

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https://doi.org/10.11588/diglit.74897#0217
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Das Motiv der Mantik im antiken Drama 207
ebenso wie bei den Zuschauern; die aber haben nach den
Ereignissen, die sich auf der Bühne vor ihren Augen ab-
spielten, schon eine Ahnung von der Erfüllung des Traumes,
also auch von seiner Symbolik.
Die Wirkung auf den Gang der Handlung ist gleich Null;
der Traum im „Mercator" motiviert zwar auch nicht aus-
drücklich das Auftreten des Demipho, aber doch wohl de facto
mach der herkömmlichen Praxis der Tragiker (und Komiker,
nie wir getrost sagen dürfen); dagegen scheint das Wieder-
auftreten des Daemones auch nicht einmal de facto durch den
Traum motiviert zu sein. Einigermaßen auffallend ist es,
wenn der Traum erst jetzt erzählt wird, im dritten Akt,
nachdem Daemones schon im ersten Akt auf der Bühne ge-
wesen ist, statt wie herkömmlich und wirkungsvoller, gleich
beim ersten Erscheinen t Es wird dadurch erreicht, daß sich
die Erfüllung des Traumes gleich an die Erzählung anschließt;
denn kaum hat uns Daemones den Traum mitgeteilt, da wird
er auch schon in den Tempel weggerufen. Dieses nahe Zu-
sammenrücken des Traumes mit seiner Erfüllung erinnert uns
an euripideische Technik, die wir z. B. bei der Opferschau
in der „Elektra" kennen gelernt haben.
Der Traum spielt demnach hier eine geringere Rolle als
im „Mercator"; aber doch zeichnet er sich vor jenem durch
Eines, nämlich durch eindrucksvolle Kürze und Klarheit aus 2.

1 Marx aaO. 19 hat diese auffallende Erscheinung, die von Leo aaO. 147,
wie es auf den ersten Blick scheinen will, mit Grund getadelt worden
ist, trefflich gerechtfertigt: Daemones war nur ganz kurze Zeit (eine Sprech-
zeit von 100 Versen) auf der Bühne und gab da den Sklaven seine An-
ordnungen zur Ausbesserung des durch den Sturm beschädigten Hauses;
er war also sehr in Anspruch genommen und konnte nicht gut den Traum
erzählen, besonders da der Alte wegen der augenscheinlich schwierigen
Deutung des Gesichtes ruhiges, ungestörtes Nachdenken braucht. Was
Leo getadelt hat, wird vielleicht, richtig betrachtet, noch ein feiner, be-
absichtigter Zug des Dichters. Auch der weitere, von Leo getadelte
Umstand, daß der Dichter den Daemones in einer so stürmischen Nacht
schlafen und träumen läßt, fällt nicht ins Gewicht, wie Marx mit Recht
bemerkt.

2 Das hat u. a. Weise aaO. 126; Leo aaO. 147, vor allem aber Marx
aaO. 12 ff. dargetan.
 
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