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VORWORT

Die Donauschule - so werden die Maler genannt, die im ersten Vier-
tel des x 6. Jahrhunderts in Regensburg und Passau, in Krems und
Wien und wohl auch in einigen anderen, noch auszumachenden
Städten tätig gewesen sind: Albrecht Altdorfer und sein Bruder
Erhard, Wolf Huber, der Meister des Pulkauer Altars, der nach
einer von ihm mit höchst eigenwilligen Federzeichnungen ausge-
statteten Handschrift neuerlich auch als Meister der Historia Fride-
rici et Maximiliani angesprochen wird, der temperamentvolle Rei-
ßer der Holzschnittfolge der Wunder von Mariazell, der auch ein
begabter Maler gewesen ist, daneben zahlreiche kleinere Talente wie
Michael Ostendorfer, Nikolaus Kirberger, der Monogrammist j.,
Hans Pruckendorfer, der eigenwillige Maler der Kremsmünsterer
Katharinenlegende, der Meister des Welser Scheibell-Epitaphs. Es
mag der Hinweise genug sein. Aber sogleich sind noch einige ältere
Meister zu nennen, die man als die Patres bezeichnen darf: Lucas
Cranach der Ältere, der während seiner Wiener Jahre den Donau-
malern die Ausdrucksmittel geprägt hat, Jörg Breu, der etwa
gleichzeitig einige erregend komponierte Altäre in Niederösterreich
gemalt hat, und Rueland Frueauf der Jüngere, den man den letzten
Legendenmaler nennen möchte.
Die Donauschule - keiner anderen deutschen Schule ist ein ähn-
licher Name zugebilligt worden. Es ist ein einzigartiger Fall, aber
sie war eben auch ein einzigartiges Ereignis. Ihre Werke sind in Form
und Farbe reizvoll und aussagereich wie die keiner anderen Gruppe,
und sie bergen Stimmungswerte, die sie anregend, vielleicht auch
erregend, stets liebenswert erscheinen lassen. So sind sie heute be-
kannter und beliebter als die Bilder manches früher hochgeschätzten
Malers. Höchsten Rang billigt man zumal den Tafeln Albrecht Alt-
dorfers und Wolf Hubers zu, und es ist wahr, nur im Verein mit
ihnen erstrahlt der Gipfel der deutschen Kunst im frühen 16. Jahr-
hundert im vollen Glanz, wobei sie neben Dürers Werk wie eine
zweite Stimme begegnen, die weniger formal und gar nicht oder
doch in einer durchaus anderen, in einer ausgesprochen malerischen
Weise monumental, und die auch nur selten dramatisch ist, womit
sie sich auch von Grünewalds gewaltigen Gemälden grundlegend
unterscheidet. Mehr als dem Dramatischen war sie dem Episch-
Idyllischen zugeneigt.

Die Donaumaler waren die Landschafter im Kreis der deutschen
Künstler. Wohl ist das Landschaftsbild auch anderwärts gepflegt
worden, es braucht nur an die Aquarelle und Zeichnungen Dürers
erinnert zu werden, aber für sie war die Landschaftsmaler ei das
Herzstück ihrer künstlerischen Bemühungen. Altdorfer hat die
ersten autonomen Landschaftsbilder gemalt, er und Wolf Huber
haben mehr Landschaftszeichnungen hinterlassen - wenn sie zum
Teil auch nur als Kopien zu uns gekommen sind - als alle anderen
deutschen Meister und Schulen, und ihre Zeichnungen müssen früh
schon begehrte Objekte für Sammler und Liebhaber gewesen sein.
Nur so lassen sich wohl die vielen Kopien erklären. Mehr noch, sie
sahen, was immer sie zeichneten oder malten, wie eine Landschaft.
Sie sahen die Dinge, mag es ein Baum, eine Burg oder ein Gesicht
gewesen sein, so, weil sie alles wie ein Gewächs begriffen, weil ihnen
das Kleine und das Große, das Gewachsene und das Gebaute Teil
des allumfassenden Kosmos war. Nur im Zusammenhang des Alls
vermochten sie das einzelne zu verstehen.
Natürlich waren sie nicht nur Landschaftsmaler. Wie es nicht anders
sein konnte, bildeten religiöse Themen den hauptsächlichsten Inhalt
ihrer Bilder. Daneben malten und zeichneten sie als Meister des
16. Jahrhunderts mythologische Szenen, malten und zeichneten sie
Bildnisse. Sie gaben ihren Schöpfungen eine stimmungsvoll-poeti-
sche, oft eine märchenhaft verklärte Form, und zugleich gaben sie
ihnen eine sehr moderne, zukunftsweisende Gestalt. Damit haben
sie nicht nur für die Landschaftsmalerei, haben sie auch für das Er-
eignisbild, für das Architekturstück, für die »paysage intime«, für die
Idylle wegweisende Fundamente gelegt. Ihr Schaffen, das mitunter
so verträumt erscheint, hat viel eingeleitet und nicht zuletzt durch
die von ihnen entwickelte malerische Form, der die Farbe und oft
auch der Zeichenstrich, die Linie zu Lichtphänomenen wurden,
mancherlei geradezu unerwartet vorausgenommen. Sie haben die
Wirklichkeit genau erfaßt und haben sie durch die angedeutete
malerische Behandlung entwirklicht und verklärt. Farbe und Licht
zusammen gaben ihren Bildern Anmut und Märchenzauber.
Mitunter scheinen die Donaumaler gleichsam geplaudert und ge-
spielt zu haben, so leicht und unbelastet wirkt ihr Formgestalten.
Sie waren nicht Probleme suchende Künstler oder stellten sie wenig-

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