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Rom in der Renaissance.
Schon im Derbste des Jahres j507 Hatte Julius II. erklärt, den Anblick
Alexanders VI. unseligen Angedenkens, den Pinturicchio im Zimmer des Akarien-
lebens in sorgfältigster Freskotechnik an die Wand gemalt, nicht mehr ertragen zu
können, und Hatte in: oberen Stockwerke des Palastes die noch heute mit seinen
Wappenemblemen geschmückten Gemächer bezogen, welche aus den Damasushof
gehen und die Aapelle Nicolaus' V. einschließen. Gleichzeitig wurden zahlreiche
Aünstler aus Ucailand, Toscana und Ambrien berusen, die benachbarte Zimmer-
flucht über den: Appartamento Borgia auszumalen, welche einst der Herzog von
Balentino bewohnt hatte. So sah sich der junge Raphael, als er, wahrscheinlich
auf Betreiben Bramantes, im Perbste des folgenden Zahres in Rom erschien, zu-
nächst einer ganzen Schar älterer Aunstgenossen gegenüber, unter denen sich auch
sein Lehrer und Freund Perugino befand. Aber wenn die Sonne aufgeht, erblasfen
die Gestirne, und von allen diesen NIeistern ist nicht mehr die Rede, seit Raphael
in der Stanza della Segnatura zu malen begonnen hat. Sie müssen einer nach dem
anderen in die Peinrat zurückgekehrt sein, und überhaupt nur von Perugino und
Sodoma haben sich Spuren in diesen Papstgemächern erhalten. Tin weites, goldene
Früchte verheißendes Arbeitsfeld that sich vor dem Arbinaten auf, und Raphael
scheint zunächst, wie Blichelangelo, die Absicht gehabt zu haben, es allein zu bestellen.
Wir besitzen keine Dokumente, die uns über die innere und äußere Tntwickelungs-
geschichte der Malerei in der Stanza della Segnatura Aufschluß geben könnten, und
wir möchten glauben, die Größe der Aufgabe habe den Aünstler keinen Augenblick
erschreckt, die Fülle von Gedanken und Erfahrungen, denen er Ausdruck geben
sollte, hätten ihm niemals die Unbefangenheit geraubt. Nur die Znschrifttafeln
in den Fensterlaibungen berichten in lakonischem Stil, daß der Freskencyklus im
Jahre ssss, im achten Jahre des Pontifikates Julius' II., vollendet gewesen ist.
Aber wenn wir vor den Bildern der Stanza della Segnatura stehen, dann meinen
wir, der Genius habe diesem Lieblingskinde der Natur den Pinsel geführt, ohne
ihn jemals an seiner Araft verzweifeln zu laßen, mit reinster Schassenswollust ihn
beseligend, während gegenüber in der Sixtinischen Aapelle ein ebenso gottbegnadeter
Aünstler, von furchtbaren Anfechtungen heimgesucht, mit der Welt, mit sich selbst
und mit der Umterie im Aampfe lag, die er nicht nur bildend zu beseelen hatte,
sondern gleichsam aus dem Nichts erschaffen mußte.
Raphaels Aufgabe stellte sich unendlich viel einfacher, nachdem ihm das
Thema einmal gegeben war, für dessen Ausgestaltung ihm der Stoff von allen
Seiten zufloß. Rönnen wir auch nicht mit Bestimmtheit sagen, welche Männer es
gewesen sind, die den Schüler Peruginos in jene ideale Welt der Wunder und
Geheimnisse eingeführt haben, welche er in feinen Fresken verkörperte, so wird
doch jedermann begreifen, daß ein Rünftler, der mit Bembo, Bibbiena und
Znghirami, mit Baldafsare Taftiglione und Sigismondo de' Tonti in vertrautestem
Umgang stand, sür seine Phantasie die reichste Nahrung finden mußte. Welch ein
Aontrast giebt hier schon äußerlich sich kund zu jenem einsamen Prometheus in
der Sixtinischen Aapelle, denken wir uns den heiteren, immer schasfensfreudigen
Raphael in ernsten beglückenden Gesprächen mit Philosophen, Dichtern und
Theologen, die alle Schätze ihres Wissens und Aönneus vor ihm niederlegten. Die
Rom in der Renaissance.
Schon im Derbste des Jahres j507 Hatte Julius II. erklärt, den Anblick
Alexanders VI. unseligen Angedenkens, den Pinturicchio im Zimmer des Akarien-
lebens in sorgfältigster Freskotechnik an die Wand gemalt, nicht mehr ertragen zu
können, und Hatte in: oberen Stockwerke des Palastes die noch heute mit seinen
Wappenemblemen geschmückten Gemächer bezogen, welche aus den Damasushof
gehen und die Aapelle Nicolaus' V. einschließen. Gleichzeitig wurden zahlreiche
Aünstler aus Ucailand, Toscana und Ambrien berusen, die benachbarte Zimmer-
flucht über den: Appartamento Borgia auszumalen, welche einst der Herzog von
Balentino bewohnt hatte. So sah sich der junge Raphael, als er, wahrscheinlich
auf Betreiben Bramantes, im Perbste des folgenden Zahres in Rom erschien, zu-
nächst einer ganzen Schar älterer Aunstgenossen gegenüber, unter denen sich auch
sein Lehrer und Freund Perugino befand. Aber wenn die Sonne aufgeht, erblasfen
die Gestirne, und von allen diesen NIeistern ist nicht mehr die Rede, seit Raphael
in der Stanza della Segnatura zu malen begonnen hat. Sie müssen einer nach dem
anderen in die Peinrat zurückgekehrt sein, und überhaupt nur von Perugino und
Sodoma haben sich Spuren in diesen Papstgemächern erhalten. Tin weites, goldene
Früchte verheißendes Arbeitsfeld that sich vor dem Arbinaten auf, und Raphael
scheint zunächst, wie Blichelangelo, die Absicht gehabt zu haben, es allein zu bestellen.
Wir besitzen keine Dokumente, die uns über die innere und äußere Tntwickelungs-
geschichte der Malerei in der Stanza della Segnatura Aufschluß geben könnten, und
wir möchten glauben, die Größe der Aufgabe habe den Aünstler keinen Augenblick
erschreckt, die Fülle von Gedanken und Erfahrungen, denen er Ausdruck geben
sollte, hätten ihm niemals die Unbefangenheit geraubt. Nur die Znschrifttafeln
in den Fensterlaibungen berichten in lakonischem Stil, daß der Freskencyklus im
Jahre ssss, im achten Jahre des Pontifikates Julius' II., vollendet gewesen ist.
Aber wenn wir vor den Bildern der Stanza della Segnatura stehen, dann meinen
wir, der Genius habe diesem Lieblingskinde der Natur den Pinsel geführt, ohne
ihn jemals an seiner Araft verzweifeln zu laßen, mit reinster Schassenswollust ihn
beseligend, während gegenüber in der Sixtinischen Aapelle ein ebenso gottbegnadeter
Aünstler, von furchtbaren Anfechtungen heimgesucht, mit der Welt, mit sich selbst
und mit der Umterie im Aampfe lag, die er nicht nur bildend zu beseelen hatte,
sondern gleichsam aus dem Nichts erschaffen mußte.
Raphaels Aufgabe stellte sich unendlich viel einfacher, nachdem ihm das
Thema einmal gegeben war, für dessen Ausgestaltung ihm der Stoff von allen
Seiten zufloß. Rönnen wir auch nicht mit Bestimmtheit sagen, welche Männer es
gewesen sind, die den Schüler Peruginos in jene ideale Welt der Wunder und
Geheimnisse eingeführt haben, welche er in feinen Fresken verkörperte, so wird
doch jedermann begreifen, daß ein Rünftler, der mit Bembo, Bibbiena und
Znghirami, mit Baldafsare Taftiglione und Sigismondo de' Tonti in vertrautestem
Umgang stand, sür seine Phantasie die reichste Nahrung finden mußte. Welch ein
Aontrast giebt hier schon äußerlich sich kund zu jenem einsamen Prometheus in
der Sixtinischen Aapelle, denken wir uns den heiteren, immer schasfensfreudigen
Raphael in ernsten beglückenden Gesprächen mit Philosophen, Dichtern und
Theologen, die alle Schätze ihres Wissens und Aönneus vor ihm niederlegten. Die