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Steinmann, Ernst
Rom in der Renaissance: von Nicolaus V. bis auf Julius II. — Berühmte Kunststätten, Band 3: Leipzig: Seemann, 1899

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https://doi.org/10.11588/diglit.74094#0170
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Rom in der Renaissance.


;32. Stanza della Segnatnra. Schule von Athen.
Porträt des kleinen Federico Gonzaga.

welche in der Disputa noch gedrängt zu beiden Seiten stehen, über die großräumige
Fläche, ohne daß dadurch die Uebersichtlichkeit der Komposition gelitten hätte. Plato
und Aristoteles (Abb. f3f), welche eben in ernsten: Gespräch oben auf der Plattform
erscheinen, beherrschen äußerlich und innerlich diese festliche Versammlung erlesener
Menschen, denen es so ernst ist mit ihren: Streben nach Vervollkommnung. Ehr-
furchtsvoll Haben Greise und Jünglinge den Philofophenfürften Platz gemacht/
begeistert und ergriffen lauschen sie ihrer Wechselrede, wie Aristoteles mit fast
gebieterisch ausgestreckter Hand auf die Erde hinweist und auf den Menschen
als Gegenstand und Endziel aller
Forschung, und der greise Plato
mit erhobener Rechten auf Gott
hindeutet, der den Menschen schuf
und ihn: zugleich die Sehnsucht nach
Erkenntnis seines Schöpfers in das
per; gesenkt. Die Gegenwart des
weisen Aristoteles, des göttlichen Plato
giebt der Versammlung dieser Denker
und Forscher die wunderbare Weihe,
hält das Alltägliche fern und hebt
einen jeden unter ihnen über sein
gewöhnliches Dasein Hinaus. Oben
in ihrer Nähe hört alles Fragen
und Forschen auf, und alt und jung
begeistern sich in gleicher Weise an:
Anblick dieser beiden Männer, deren
Gegenwart allein jeden Zweifel ver-
stummen macht und allen Glauben
neu belebt. Nur Sokrates, der
Dialektiker, dessen häßliche Züge
genau nach einer antiken Büste kopiert
sind, durfte hier oben seine Schüler
um sich sammeln; hat er doch als
Mensch ein ebenso reines Leben
geführt, wie Plato felbft. Aber unten im Vordergründe wird noch gegrübelt und
geschrieben, gelernt und gelehrt. So anmutig und spielend, wie nur Raphael Ideen
zu verkörpern verstand, kommt hier der oft wiederholte Gedanke zum Ausdruck, daß
die sieben freien Künste nur den Weg bedeuten, der zur Erkenntnis des Wesens aller
Dinge, zur Philosophie, hinaufführt, daß fie alle nur die Dienerinnen sind der
Königin unter den Wissenschasten.
And mit welchen: Eifer wird hier unten gearbeitet, wie ungeteilt ist die Auf-
merksamkeit der Pörer, wie ernst und überzeugend ist die Beweisführung der Lehrer,
wie intensiv ist das Nachdenken und wie aufrichtig der Wissensdrang. Links in
der Ecke hat sich der laubbekränzte Grammatiker in ein großes Buch vertieft, und
neben ihm erscheint der Lockenkopf des kleinen Federico (Abb. f32), der damals gerade
 
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