Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Steinmann, Ernst
Rom in der Renaissance: von Nicolaus V. bis auf Julius II. — Berühmte Kunststätten, Band 3: Leipzig: Seemann, 1899

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.74094#0178
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
164

Rom in der Renaissance.

Vision zur That geworden war, und während sich noch in den Deckenbildern, in
Noah, Abraham, Iakob und Moses und in der Blesse von Bolsena der Felsen-
glaube Julius' II. an die Unerschütterlichkeit seiner eigenen Stellung und an Gottes
Allmacht widerspiegelt, wird nun in der Befreiung Petri (Abb. (37), wie in einem Votiv-
gemälde dem Apostelsürsten, für feinen Beistand Dank gesagt. Das mußte voraus-
gehen, dies Gelübde mußte erst gelöst werden, ehe der Papst in der Vertreibung
Heliodors aus dem Tempel und in der Flucht Attilas seine persönlichen Triumphe
feiern konnte über das kläglich verlaufene Nonzil von Pisa und über die Nieder-
werfung der Franzofenherrschaft in Italien.
Schon Vasari konnte nicht Worte genug finden, die Herrlichkeit der Befreiung
Petri zu preisen, und die Vorzüge, welche er an diesem Fresko entdeckte, können
wir noch heute mitbewundern. Er beschreibt, als sähe er alles lebendig vor sich,
die kalten Schauer des Gefängnisses, wo man, vom Lichtglanz des Engels erhellt,
den alten Petrus schlummern sieht, an Händen, Nopf und Füßen mit den bedeutungs-
vollen Netten an seine stehenden Wächter geschmiedet, die gleichfalls tiefster Schlaf
umfangen hat. Dann rühmt er, wie wunderbar das Entsetzen der Hüter dar-
gestellt ist, die, draußen Wache haltend, das Geräusch der Eisenthür vernommen
Haben müssen und das Licht der himmlichen Erscheinung gesehen haben. .Welche
Nunst, welch ein Genius/ ruft er aus, ,offenbart sich dann in jener Scene, wo der
Heilige, von Fesseln befreit, vom Engel geleitet, das Gefängnis verläßt. Wo cs
deutlich im Gesicht St. Peters zu lesen ist, daß ihm alles noch wie ein wesenloser
Traum erscheint/ Endlich versetzt ihn die kunstvolle Anordnung des Ganzen, das
eigentümliche Spiel des natürlichen Lichtes mit dem gemalten in das höchste Ent-
zücken, und in der That, alle Aunst vor Raphael hat nichts Wunderbareres
geschaffen, wie diese Mondsichel zwischen dunklen Wolken und dies Fackellicht auf
den blanken Stahlrüstungen der erschreckten Brieger.
Daß in der Vertreibung Heliodors (Abb. (38) der Sieg Julius' II. über seine
inneren Feinde und zunächst vor allem wohl über das Schisma verherrlicht werden
sollte, leuchtet ein, wenn man erwägt, daß ein Abtrünniger aus dem Volke Israel selbst
dem Nönige Apollonius die Schätze verraten hatte, welche die Priester in Jerusalem
Hüteten, daß die Schändung des Tempelheiligtums der Gedanke war, welcher die
Juden so furchtbar erregte. Ließen sich der feindselige Alphons von Ferrara, der
ungetreue Herzog von Urbino nicht jenem Verräter vergleichen, lag nicht in der
Berufung eines Aonzils gegen den rechtmäßigen Papst derselbe Gedanke eines
schweren Sakrilegs zu Grunde, welcher den Tempelraub Heliodors so verbrecherisch
erscheinen ließ? In der That, dem glorreichen Siege über den Angriff auf seine
Heiligsten Rechte wollte der Papst im Fresko des Heliodor ein Denkmal setzen,
darum tritt er hier zum zweiten Male selber auf, thronend im Tragsessel, ganz
der .Pontifice terribilS, der weißbärtige Held im Priestergewand, welcher selber
einer Vision vergleichbar, still und unbewegt über der sturmerregten Menge
dahinschwebt, die sich in Grauen und Staunen um ihn in der Ecke zusammen-
gedrängt hat.
Als der syrische Feldherr Heliodor, so erzählt das dritte Bapitel der Maccabäer,
mit den geplünderten Schätzen, den Gütern der Witwen und Waisen Jerusalems
 
Annotationen