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Steinmann, Ernst
Rom in der Renaissance: von Nicolaus V. bis auf Julius II. — Berühmte Kunststätten, Band 3: Leipzig: Seemann, 1899

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https://doi.org/10.11588/diglit.74094#0111
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^ Innocenz VIII. und Alexander Vl.

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77. Pinturicchio. Ludwig von Toulouse.

zu dürfen. Kurz, ein farbenreiches Bild aus alten Tagen entwickelt fich vor unseren
Augen, dessen friedliche Schönheit nur die elenden Krüppel stören, deren häßliche
Gebrechen schon Fra Angelico mit unendlich viel mehr Takt und Schönheitsgefühl
zu verbergen verstanden Hatte.
Am 20. Mai l^^q, an der Vigilie des Himmelfahrtstages, als die Brüder
eben im Thor die Strophe des Magnificat sangen: Pater, manife8tavi nomen luum
bomimbus, war Bernardin in Aquila auf der Reife nach Neapel mit einem
Lächeln auf den Lippen gestorben, und schon im ^ahre sqso wurde er von Nicolaus V.
kanonisiert. Das große Fresko über dein Altar, welches den Tharakter der Kapelle
vorwiegend bestimmt, knüpft an diese Thatsache an, denn Bernardin hält ein auf-
geschlagenes Buch empor, ans dem
dieselben Worte stehen, die seine ganze
Thätigkeit zusammenfassen, und über
dem Heiligen erscheint in einer Engels-
glorie der gen Himmel fahrende Er-
löser lAbb. 76). Wie lehrhast und
schwer verständlich ist Filippinos Glorie
des Thomas von Aquino durch alle
die Anspielungen, Allegorieen und
Bücherinschriften, wie einfach und be-
glückend wirkt dagegen die Ver-
herrlichung des wandernden Volks-
predigers mitten in der unbeschreiblich
schönen Landschaft. Hebe deine Augen
auf und bete an, das ist alles, was
Pinturicchios Schöpfung uns zu sagen
hat,., dessen ruhige Schönheit Auge und
Herz allein beschäftigt, da die einzigen
Handlungen — Bernardin, der einen
Streit zwischen den Buffalini und den
Baglioni schlichtet; Bernardin, der von

der Kanzel herab dem Volke predigt — in kleinsten Verhältnissen ausgeführt, voll-
ständig im Hintergründe verschwinden.
Alle Welt kannte noch die milden, von Arbeit und Askese verzehrten Züge
des größten Düngers des hl. Franz, so ist er weit individueller gebildet, wie seine
Begleiter Ludwig von Toulouse und Antonius von j)adua, dessen heute noch
erhaltenes Bild schon Benozzo Gozzoli an eine der Kapellenwände von Araceli
gemalt hatte. Antonius genießt allein mit strahlend erhobenen! Auge den Anblick
der Vision; mit erhobener Rechten lehrend und mahnend, in eindringlicher Rede
den ^esusnamen verkündigend, ist Bernardin als Prediger und Lehrer des Volkes
geschildert, während der in reichen priesterlichen Gewändern und aller ^ugendschönheit
prangende Bischof von Toulouse still, zufrieden und ganz versunken in einem
Heiligen Buche liest (Abb. 77).
Die sonnige Schönheit des erwachten Frühlings, der selige Friede eines
Steinmann, Rom in der Renaissance.
 
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