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Steinmann, Ernst
Rom in der Renaissance: von Nicolaus V. bis auf Julius II. — Berühmte Kunststätten, Band 3: Leipzig: Seemann, 1899

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https://doi.org/10.11588/diglit.74094#0116
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Rom in der Renaissance.


Dei, vollzogen, kommt in der verständnisvollen Restauration aufs klarste zum
Ausdruck?) Aber erst im Saale des Marienlebens nebenan, in den man durch eine
schmale, mit den: Wappen Nicolaus' V. verzierte Marmorpforte schreitet, fühlen
wir uns ganz in die Vergangenheit versetzt, die schwüle Tust der Borgiaepoche
weht uns an, und in der düsteren spracht der Malereien am Gewölbe und an den
Wänden meinen wir deutlich Geschmacksrichtung und Eharakter des Papstes selbst
und seiner Alinstier zu erkennen.
Ein breiter Gurt gliedert das Zwillingsgewölbe; Medaillons mit Propheten,
deren Weissagung sich jedesmal auf die Darstellung an der Wand darunter bezieht,
schmücken die einzelnen Felder; Wappen und Impresen der Borgia in Goldfarben,
auf dunkelblauen: Grunde ausgeführt, gaben die ornamentalen Muster. Das Wappen
des Borgia und Donis, eines verwandten
spanischen Geschlechtes, schwebt in der
Mitte, rechts und links schließen sich
die Gewölbekappen in einer runden
Scheibe zusammen, wo zwei korre-
spondierende Felder mit flammenför-
migen Streifen, die beiden anderen
mit langzackigen Kronen geschmückt sind,
Embleme der Borgia, die sie, wie andere
vornehme Familien auch, noch außer
ihrem Wappen führten. Der Stier, die
Zackenkrone und die Flammenzungen,
das sind die Elemente, aus denen sich
die Deckendekoration nicht nur dieses
Raumes, sondern auch des folgenden
zufammensetzt, so zwanglos jedoch und
glücklich komponiert, daß man meint,
Pinturicchio habe alles das in freier
Schaffenslust erfunden. Er hat sich

80. Pinturicchio. Porträt Alexanders VI. übrigens selber in diesem Gemach nicht

allzusehr bemüht, nur der Entwurf des
Ganzen und die Farbenkomposition darf auf seine Rechnung gehen, die malerische Aus-
führung hat er sich überhaupt nur bei einigen Porträtgestalten Vorbehalten. Als Marien
leben wird man die Darstellungen an den pochwänden vielleicht an: besten einheitlich
bezeichnen, welche ein reicher Marmorsries von den unteren Wandflächen trennt, die
mit Goldarabesken auf grünen: Grunde und genullten Konsolen verziert sind, auf
denen die Gold- und Zuwelenschätze des päpstlichen Pauses prangen. Es fehlen nur die
kostbaren Teppiche, die Möbel und Geräte, die einst die kahlen Räume füllten, und
doch ist die Stimmung des Ganzen so eigenartig glanzvoll und düster zugleich, und

*) Das Appartamento Borgia wurde von Leo XIll. unter Leitung des Professor Seitz
vorzüglich restauriert und ist erst seit dem Frühjahr s897 dem Publikum wieder zugänglich
geworden.
 
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