5. Julius II.
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eine Zufluchtsstätte gefunden hat. Wie weit zurück liegen die Tage, als Rardinal
Riario in der Taucelleria seine Herrliche Antikensammlung bewundern ließ und
auch Michelangelo hier erscheinen mußte, sein Gutachten abzugeben. Heute wandern
wir einsam unter dem zweistöckigen Säulengange des geräumigen Hofes, der kühner
komponiert und vornehmer ist in den Verhältnissen wie alle anderen Palasthöfe
Roms. Heute besucht fast uiemand mehr den verwahrlosten Palast an der Piazza
Scossacavalli, wo Domenico della Rovere der Rünstlerschar, die er beschäftigte,
eine Freistätte gewährte, wo ein vermauerter Arkadenumgang ein verwildertes
Orangenwäldchen umschließt 'und das Wasser im sogenannten Bramantebrunnen
längst versiegt ist. Im schmutzigen Hofe des halbmittelalterlichen Schlosses, welches
Stefano Nardini, der Aardinal von Mailand, sich gebaut, trocknet man die Wäsche,
und das Rloster von S. Maria della pace, welches Bramante im Auftrage des
Oliviero Taraffa, des Gönners Filippinos, so glänzend und originell entworfen
Hatte, hat durch eine Uebertünchung der Säulen und Wände alle Schönheit und
Würde eingebüßt.
Ein einzigartiges Bild der römischen Hochrenaissancearchitektur in ihrer
höchsten Vollendung würde heute der Vatican mit seiner Umgebung bieten, wären
die Pläne Julius' II., die ebenso großartig, aber weniger phantastisch waren, wie
die Baugedanken Nicolaus' V., zur Ausführung gelangt. Am s8. April f50§,
am Sonntage nach Ostern, fand die Grundsteinlegung des ersten Ruppelpfeilers
des neuen Thorbaues von St. Peter statt, und man sah den Papst von den
Fundamenten herab der Menge feierlich seinen Segen erteilen. Ein Zahr darauf
weihte der Erzbischof von Tarent die Bafen der drei anderen Pfeiler, die Bramante
noch alle vier selbst emporgeführt und durch Arkadenbägen verbunden hat. So
war der Grundplan festgestellt, über welchem sich die Ruppel Michelangelos erheben
sollte. Der Grundriß eines griechischen Rreuzes allerdings, wie ihn Bramante
geplant und Michelangelo bestätigt hatte, wurde in späteren Jahrhunderten dem
traditionellen lateinischen Rreuz geopfert, und damit wurde die Wirkung der Ruppel
' vernichtet, welche, über vier gleich langen Rreuzesarmen schwebend, den Riesenbau
beherrscht und dem Auge viel eindrucksvoller ihre unvergleichliche Herrlichkeit und
Majestät offenbart haben würde. Die Madonna della Eonsolazione in Todi,
welche sich so malerisch in völlig isolierter Lage auf einem Bergrücken vor der
Stadt erhebt, giebt uns heute den klarsten Begriff von dem ursprünglichen Plane
St. Peters, von der unbeschreiblichen Wirkung aus der Nähe, wie aus der Ferne,
die sich der größte Architekt der Renaissance von diesem neuen Himmelsgewölbe
über dem Apostelgrabe versprechen durfte. Maderna und Bernini, denen die
Vollendung St. Peters und die Anlage des Platzes zufiel, haben nicht nur die
Pläne Bramantes und Michelangelos zerstört. Zhren Bauten mußten auch ein
Teil des vaticanischen Palastes selbst und die zahlreichen Rardinalswohnungen
geopfert werden, die sich um die Papstburg scharten, und unter denen sich auch das
sogenannte Haus des Raphael befand, welches mit dem riesigen, niemals über die
Grundmauern hinausgeführten Tribunalpalast der Via Giulia über Bramantes
Behandlung der Profanarchitektur die wichtigsten Aufschlüsse gegeben haben würde.
Allerdings erstreckte sich die Thätigkeit des rastlosen Architekten von Urbino auch
Steinmann, Rom in der Renaissance. 16
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eine Zufluchtsstätte gefunden hat. Wie weit zurück liegen die Tage, als Rardinal
Riario in der Taucelleria seine Herrliche Antikensammlung bewundern ließ und
auch Michelangelo hier erscheinen mußte, sein Gutachten abzugeben. Heute wandern
wir einsam unter dem zweistöckigen Säulengange des geräumigen Hofes, der kühner
komponiert und vornehmer ist in den Verhältnissen wie alle anderen Palasthöfe
Roms. Heute besucht fast uiemand mehr den verwahrlosten Palast an der Piazza
Scossacavalli, wo Domenico della Rovere der Rünstlerschar, die er beschäftigte,
eine Freistätte gewährte, wo ein vermauerter Arkadenumgang ein verwildertes
Orangenwäldchen umschließt 'und das Wasser im sogenannten Bramantebrunnen
längst versiegt ist. Im schmutzigen Hofe des halbmittelalterlichen Schlosses, welches
Stefano Nardini, der Aardinal von Mailand, sich gebaut, trocknet man die Wäsche,
und das Rloster von S. Maria della pace, welches Bramante im Auftrage des
Oliviero Taraffa, des Gönners Filippinos, so glänzend und originell entworfen
Hatte, hat durch eine Uebertünchung der Säulen und Wände alle Schönheit und
Würde eingebüßt.
Ein einzigartiges Bild der römischen Hochrenaissancearchitektur in ihrer
höchsten Vollendung würde heute der Vatican mit seiner Umgebung bieten, wären
die Pläne Julius' II., die ebenso großartig, aber weniger phantastisch waren, wie
die Baugedanken Nicolaus' V., zur Ausführung gelangt. Am s8. April f50§,
am Sonntage nach Ostern, fand die Grundsteinlegung des ersten Ruppelpfeilers
des neuen Thorbaues von St. Peter statt, und man sah den Papst von den
Fundamenten herab der Menge feierlich seinen Segen erteilen. Ein Zahr darauf
weihte der Erzbischof von Tarent die Bafen der drei anderen Pfeiler, die Bramante
noch alle vier selbst emporgeführt und durch Arkadenbägen verbunden hat. So
war der Grundplan festgestellt, über welchem sich die Ruppel Michelangelos erheben
sollte. Der Grundriß eines griechischen Rreuzes allerdings, wie ihn Bramante
geplant und Michelangelo bestätigt hatte, wurde in späteren Jahrhunderten dem
traditionellen lateinischen Rreuz geopfert, und damit wurde die Wirkung der Ruppel
' vernichtet, welche, über vier gleich langen Rreuzesarmen schwebend, den Riesenbau
beherrscht und dem Auge viel eindrucksvoller ihre unvergleichliche Herrlichkeit und
Majestät offenbart haben würde. Die Madonna della Eonsolazione in Todi,
welche sich so malerisch in völlig isolierter Lage auf einem Bergrücken vor der
Stadt erhebt, giebt uns heute den klarsten Begriff von dem ursprünglichen Plane
St. Peters, von der unbeschreiblichen Wirkung aus der Nähe, wie aus der Ferne,
die sich der größte Architekt der Renaissance von diesem neuen Himmelsgewölbe
über dem Apostelgrabe versprechen durfte. Maderna und Bernini, denen die
Vollendung St. Peters und die Anlage des Platzes zufiel, haben nicht nur die
Pläne Bramantes und Michelangelos zerstört. Zhren Bauten mußten auch ein
Teil des vaticanischen Palastes selbst und die zahlreichen Rardinalswohnungen
geopfert werden, die sich um die Papstburg scharten, und unter denen sich auch das
sogenannte Haus des Raphael befand, welches mit dem riesigen, niemals über die
Grundmauern hinausgeführten Tribunalpalast der Via Giulia über Bramantes
Behandlung der Profanarchitektur die wichtigsten Aufschlüsse gegeben haben würde.
Allerdings erstreckte sich die Thätigkeit des rastlosen Architekten von Urbino auch
Steinmann, Rom in der Renaissance. 16