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Steinmann, Ernst
Rom in der Renaissance: von Nicolaus V. bis auf Julius II. — Berühmte Kunststätten, Band 3: Leipzig: Seemann, 1899

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https://doi.org/10.11588/diglit.74094#0179
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5. Julius II. 165

den Tempel verlassen wollte, da erschien plötzlich in strahlender Rüstung ein
himmlischer Reiter von zwei heldenhasten Jünglingen begleitet, die hieben mit
Geißeln auf die Tempelräuber ein und stießen den Anführer selbst zu Boden.
Onias aber, der Hohepriester, lag auf den Anieen vor dem Altar und betete.
Mit jenem wunderbaren Takt, der ihn allein auszeichnet, hat Raphael das
Thema behandelt und den Statthalter Thrifti mitten in die alttestamentliche
Scene eingeführt, ohne daß äußerlich die Einheit der Handlung gestört wäre. Im
Hintergründe des weiten dämmernden Tempels kniet Onias am Altar vor den:


ZZY. Ttanza d'Eliodoro. Die Vertreibung Attilas.

siebenarmigen Leuchter, den Zorn des Himmels auf die Tempelschänder hernieder-
betend. Der Vordergrund ist in der Mitte frei geblieben, aber erst in diesem
Augenblick sind die Himmelsboten, von Sturmeswinden durch die Luft getragen,
hier vorübergerast. Eben haben sie ihr Opfer erreicht, mit hocherhobenen Geißeln
stürzen die Engel herbei, ingrimmig stöhnend hat das schneeweiße Roß den laut
schreienden Heliodor zu Boden geworfen, den der zornige Reitersmann mit seinem
Flammenblick zu verschlingen scheint. Welch eine fliegende Bewegung, welch eine
rasende Leidenschaft, welch ein kühnes Erfassen der Situation im höchsten ent-
scheidenden Augenblick, wo es sich um Sieg und Niederlage, um Tod und Leben
Handelt, wo Schuld und Strafe eins geworden find in plastisch greifbarer, in jedem
Akt, in jeder Bewegung von warmen: Lebensblut durchzitterter Darstellung!
 
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