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Rom in der Renaissance.
verleugnende Manier: der flache Reliefstil, die spitzwinkelige Fällung der zierlich
zusammengelegten Gewänder, die großen, meist flüchtig gearbeiteten Hände, die
platt an die Stirn gedrückten Haare und endlich das regelmäßig schräg zur Seite
geschobene Spielbein — welch eine Fülle charakteristischer Momente! Bei Dalmata
dagegen eine viel größere Rühnheit in der Behandlung des Marmors, viel sorg-
fältigere Ausführung des Details, viel individuellere Durchbildung der einzelnen
Typen und viel mehr Realismus in der Behandlung der bauschigen Gewänder.
In den nächsten Jahren scheinen sich die Wege der beiden Meister geschieden
zu haben, sie arbeiteten jetzt beide getrennt mit lonibardischen Meistern an den
großartigen Prälatengräbern, die in den siebziger Jahren entstanden sind. Giovanni
Dalmata that sich mit Andrea Bregno zusammen, das Grabmal Roverella ff (^76)
in San Llemente auszuführen, schon durch seinen architektonischen Ausbau —
der Sarkophag steht in halbrunder apsisartiger Nische — eines der merkwürdigsten
Prälatengräber Roms. Der Gott-Vater oben im Halbrund, die Engel, welche sich
zwischen Sarkophag und Pilaster drängen, und das Madonnenrelief der Mitte find
hier von Dalmatas Hand (Abb. 2H. Auf das letztere vor allem hat der Rünstler feine
beste Rraft gewandt, es ist eine seiner liebenswürdigsten Schöpfungen, und in den derben
Engeln mit den struppigen Haaren und den feinen knochigen Fingern, im grandiosen
Mantelwurf Marias, im Rinde endlich mit dem eingedrückten Nasenrücken und
den Fettansätzen an Arm und Beinen prägt sich sein eigenartiger Lharakter am
schärfsten aus. Mir begegnen diesen: Putto noch häufiger in Rom an Wappen-
schildern Pauls II. am Palaste von San Marco und an den Rapellenschranken der
Sistina, wo Giovanni Dalmata zum letzten Male in gemeinsamer Thätigkeit mit
Mino da Fiesole erscheint.
Volle zehn Jahre hintereinander, von i^7s—s^8l, können wir die Spuren
Minos in Rom verfolgen. Der bedeutsame Anteil an einem so berühmten Werke
wie das Paulsgrab mußte ihn bekannt machen, und seine Hilfe wurde nun auch an allen
anderen größeren Grabinonumenten verlangt. Im Jahre (H7H war der kriegerische
Rardinal Fortiguerra gestorben, und die Ausführung seines prunkvollen Denkmals
wurde in Minos Hand gelegt, der wenigstens die charaktervolle Grabstatue des
Rardinals und das anmutsvolle Madonnenrelief selbst gearbeitet hat, obwohl wir
ihn schon im folgenden Jahre an jenem herrlichen Monumente beschäftigt finden,
das Sixtus IV. feinem Neffen Pietro Riario in SS. Apostoli errichten ließ (Abb. 25).
In ganz Rom giebt es kein zweites Denkmal, das so einfach und edel wirkt durch
seinen architektonischen Aufbau, das fo fein durchdacht ist in den Verhältnissen und
so künstlerisch durchgebildet in jeder Statue, in jedem Relief, bis ins kleinste orna-
mentale Detail. Diesmal hat sich Mino die Arbeit mit Andrea Bregno geteilt, der
einen ebenso großen Ruf genoß, als er felbft. Wie am Roverella-Grabe, fo arbeitete
der lombardische Rünstler auch hier die Grabstatue und die Apostelfürsten mit ihren
Schützlingen, während Mino die Heiligenstatuen in den Nischen gemeißelt hat und
das wunderliebliche Madonnenrelief. Jedermann wußte, wie leidenschaftlich der
Papst den jungen Riario geliebt hatte, der eine kurze, glänzende, durch Aus-
schweifungen aller Art befleckte Laufbahn mit einem gottseligen Ende beschloß, was
Wunder, daß beide Meister ihr Bestes daran setzten, den gewaltsamen Rovere zu
Rom in der Renaissance.
verleugnende Manier: der flache Reliefstil, die spitzwinkelige Fällung der zierlich
zusammengelegten Gewänder, die großen, meist flüchtig gearbeiteten Hände, die
platt an die Stirn gedrückten Haare und endlich das regelmäßig schräg zur Seite
geschobene Spielbein — welch eine Fülle charakteristischer Momente! Bei Dalmata
dagegen eine viel größere Rühnheit in der Behandlung des Marmors, viel sorg-
fältigere Ausführung des Details, viel individuellere Durchbildung der einzelnen
Typen und viel mehr Realismus in der Behandlung der bauschigen Gewänder.
In den nächsten Jahren scheinen sich die Wege der beiden Meister geschieden
zu haben, sie arbeiteten jetzt beide getrennt mit lonibardischen Meistern an den
großartigen Prälatengräbern, die in den siebziger Jahren entstanden sind. Giovanni
Dalmata that sich mit Andrea Bregno zusammen, das Grabmal Roverella ff (^76)
in San Llemente auszuführen, schon durch seinen architektonischen Ausbau —
der Sarkophag steht in halbrunder apsisartiger Nische — eines der merkwürdigsten
Prälatengräber Roms. Der Gott-Vater oben im Halbrund, die Engel, welche sich
zwischen Sarkophag und Pilaster drängen, und das Madonnenrelief der Mitte find
hier von Dalmatas Hand (Abb. 2H. Auf das letztere vor allem hat der Rünstler feine
beste Rraft gewandt, es ist eine seiner liebenswürdigsten Schöpfungen, und in den derben
Engeln mit den struppigen Haaren und den feinen knochigen Fingern, im grandiosen
Mantelwurf Marias, im Rinde endlich mit dem eingedrückten Nasenrücken und
den Fettansätzen an Arm und Beinen prägt sich sein eigenartiger Lharakter am
schärfsten aus. Mir begegnen diesen: Putto noch häufiger in Rom an Wappen-
schildern Pauls II. am Palaste von San Marco und an den Rapellenschranken der
Sistina, wo Giovanni Dalmata zum letzten Male in gemeinsamer Thätigkeit mit
Mino da Fiesole erscheint.
Volle zehn Jahre hintereinander, von i^7s—s^8l, können wir die Spuren
Minos in Rom verfolgen. Der bedeutsame Anteil an einem so berühmten Werke
wie das Paulsgrab mußte ihn bekannt machen, und seine Hilfe wurde nun auch an allen
anderen größeren Grabinonumenten verlangt. Im Jahre (H7H war der kriegerische
Rardinal Fortiguerra gestorben, und die Ausführung seines prunkvollen Denkmals
wurde in Minos Hand gelegt, der wenigstens die charaktervolle Grabstatue des
Rardinals und das anmutsvolle Madonnenrelief selbst gearbeitet hat, obwohl wir
ihn schon im folgenden Jahre an jenem herrlichen Monumente beschäftigt finden,
das Sixtus IV. feinem Neffen Pietro Riario in SS. Apostoli errichten ließ (Abb. 25).
In ganz Rom giebt es kein zweites Denkmal, das so einfach und edel wirkt durch
seinen architektonischen Aufbau, das fo fein durchdacht ist in den Verhältnissen und
so künstlerisch durchgebildet in jeder Statue, in jedem Relief, bis ins kleinste orna-
mentale Detail. Diesmal hat sich Mino die Arbeit mit Andrea Bregno geteilt, der
einen ebenso großen Ruf genoß, als er felbft. Wie am Roverella-Grabe, fo arbeitete
der lombardische Rünstler auch hier die Grabstatue und die Apostelfürsten mit ihren
Schützlingen, während Mino die Heiligenstatuen in den Nischen gemeißelt hat und
das wunderliebliche Madonnenrelief. Jedermann wußte, wie leidenschaftlich der
Papst den jungen Riario geliebt hatte, der eine kurze, glänzende, durch Aus-
schweifungen aller Art befleckte Laufbahn mit einem gottseligen Ende beschloß, was
Wunder, daß beide Meister ihr Bestes daran setzten, den gewaltsamen Rovere zu