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Steinmann, Ernst
Rom in der Renaissance: von Nicolaus V. bis auf Julius II. — Berühmte Kunststätten, Band 3: Leipzig: Seemann, 1899

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https://doi.org/10.11588/diglit.74094#0058
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Rom in der Renaissance.

Dieselben Tugenden wie am Sirtusgrabe begegnen uns endlich auch an:
Denkmal Innocenz' VIII., das, zweimal abgebrochen und wieder aufgebaut, jetzt an
einen Pfeiler im linken Seitenschiff von St. Peter angelehnt, umgekehrt wie ur-
sprünglich, unten der Sarkophag und oben die Statue seine Aufstellung gefunden hat
(Abb. 33). In den Allegorieen der Tugenden, besonders der geistlichen, spricht sich mehr
Gelassenheit und Würde aus, und die Taritas übertrifft sie alle durch Schönheit
und Majestät. Aber Glaube und Hoffnung, welche der größten aller Tugenden zu
huldigen scheinen, sind von überraschender Glut der Empfindung beseelt.
Mit diesen Tugenden am Grabmal Innocenz' VIII. ist eine ehrwürdige, durch
den Gebrauch langer Jahrhunderte geheiligte Tradition an: Ende angelangt, ja
man möchte sagen, daß in diesem Grabe überhaupt die gehaltene Schönheit, der
geschlossene Tharakter der Frührenaissance-Skulptur begraben liegen. Wir eilen
stumm und teilnahmlos an der hohlen, anspruchsvollen Fracht aller späteren Papst-
gräber vorüber; und bleiben wir noch einmal gebannt vor dem Denkmal Julius' II.
in S. Pietro in Vincoli stehen, so ist es nicht das Monument als solches, welches
unsere Aufmerksamkeit fesselt. Es ist die Stimme des Genius, welche uns durch
den Mund des titanenhaften Moses ein machtvolles Palt gebietet!
Aber während in der Skulptur schon in den ersten Jahren des Tinquecento,
z. B. am Grabmal Tastro (f 1506) in 5. Maria del Popolo, ein erschreckender
Verfall sich geltend macht, hat sich die Malerei viel länger auf jener niemals
wieder erreichten Pöhe erhalten, welche die Fresken der Sixtinischen Aapelle in so
einzigartig geschlossener Weise von Perugino und Botticelli bis auf Michelangelo
repräsentieren. Und nicht in Architektur und Plastik, sondern in der Malerei hat
die ewige Roma bewiesen, welche heroischen Aräfte sie den Aünstlern einzuflößen
vermochte, die in ihren Mauern für fich und ihren Genius die Peimat suchten und
gefunden haben.


36. Palazzetto di Venezia. Giovanni Dalinata.
Wappen Pauls II.
 
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