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Rom in der Renaissance.
menschlichen Gesellschaft zurückgegeben ist. Im Innern des Altars raucht über
lodernder Flamme das luftreinigende Gedernholz, und damit ist das letzte der Alo-
nrente angedeutet, das dieser Leremonie den Tharakter giebt. Lie ist seltsam genug
in der That und erscheint uni so bedeutungsvoller, als Kardinäle und Prälaten,
Girolamo Riario selbst und Giuliano della Rovere, der erstere mit dem Kommando-
stab rechts in der Ecke, der letztere in Kardinalstracht gleich hinter dem j)riester-
knaben an der Handlung teilnehmen. Was bedeutet nur die Wahl gerade dieser
Teremonie, deren Darstellung Sixtus seinem Throne gerade gegenüber anbringen
ließ? Die Tempelfassade im Hintergrunds giebt uns die Antwort: es ist die aus
alten Zeichnungen und Stichen bekannte Fassade des damals eben vollendeten Spitals
von St. Spirito. An diese Schöpfung, die größte Wohlthat, die er der Stadt Rom
überhaupt erwiesen, wollte also der jstapst beim Anblick des Fresko Botticellis
erinnert sein, und das Opfer des Aussätzigen drückt nichts anderes als den Gedanken
aus, daß dank der Fürsorge des Papstes von jetzt an alle Kranken Roms Pflege
und Heilung ihrer Leiden finden könnten. Die Wahl des Aussatzes als der fürchter-
lichsten, ansteckendsten aller Krankheiten lag ja dem Franziskanerpapst so nahe.
Hatte nicht auch der heilige Franziskus seine Liebesthätigkeit mit der Pflege des
Aussätzigen begonnen? Nun erklärt sich endlich auch die Teilnahme all der vor-
nehmen Herren an diesem Vorgänge, den Botticelli mit unübertrefflicher künstlerischer
Weisheit, in großartiger, pyramidenartig sich aufbauender Komposition, ohne auch
nur eins der wesentlichen Momente auszulassen, wunderbar gestaltet und dargestellt
Hat. Es sind die Mitglieder der Genossenschaft von St. Spirito, die hier in
fo feierlicher Würde die bedeutungsvolle Opferhandlung des alten Testamentes
umdrängen.
Mittelbar wenigstens hat ein anderes Zeitereignis auch auf die Gestaltung
des Fresko gegenüber gewirkt, indem hier auf einem H>lan eine Reihe von Dar-
stellungen angebracht wurden, die ursprünglich auf diese und die folgende Fläche
verteilt werden sollten. In der That ist es selbst einem Botticelli nicht mehr
möglich gewesen, die Fülle des aufgegebenen Stoffes hier völlig übersichtlich zu ver-
arbeiten (Abb. 55). Tritt doch Moses nicht weniger als siebenmal auf dieser einzigen Bild-
fläche auf! In der Ecke rechts bringt er den schreienden Aegypter um, dann flüchtet
er einsam in die Wüste; dann vertreibt er in neuer Zornesaufwallung die un-
freundlichen Hirten, dann tränkt er ritterlich den Töchtern Jethros ihre Schafe.
Endlich links im Hintergründe legt er Schuhe und Mantel ab, empfängt knieend
aus den: feurigen Busch den Besehl des Herrn und führt endlich unten die Kara-
wane der Juden aus der Knechtschaft Aegyptens (Abb. 56).
Wie hätte ein Künstler aus der verwirrenden Zahl so verschiedenartiger Vor-
gänge ein einheitlich beseeltes Ganze schaffen können? Und doch hat Botticelli mit
glücklicher Hand einen Vorgang aus allen herausgegriffen und die reizende Idylle
am Brunnen zum Mittelpunkt seiner Darstellung gemacht, um welchen sich dann
das Uebrige im Kreise gruppiert. Diese Tränkung der Schafe der verfolgten
Hirtinnen schien dem feinfühligen Künstler der schönste Zug im Iugendleben des
Moses, aus die Tharakteristik der reizeuden Wüstenkinder, auf die Individualisierung
dieses Moses hat er die größte Sorgfalt verwandt. Welche Wollust des Schaffens
Rom in der Renaissance.
menschlichen Gesellschaft zurückgegeben ist. Im Innern des Altars raucht über
lodernder Flamme das luftreinigende Gedernholz, und damit ist das letzte der Alo-
nrente angedeutet, das dieser Leremonie den Tharakter giebt. Lie ist seltsam genug
in der That und erscheint uni so bedeutungsvoller, als Kardinäle und Prälaten,
Girolamo Riario selbst und Giuliano della Rovere, der erstere mit dem Kommando-
stab rechts in der Ecke, der letztere in Kardinalstracht gleich hinter dem j)riester-
knaben an der Handlung teilnehmen. Was bedeutet nur die Wahl gerade dieser
Teremonie, deren Darstellung Sixtus seinem Throne gerade gegenüber anbringen
ließ? Die Tempelfassade im Hintergrunds giebt uns die Antwort: es ist die aus
alten Zeichnungen und Stichen bekannte Fassade des damals eben vollendeten Spitals
von St. Spirito. An diese Schöpfung, die größte Wohlthat, die er der Stadt Rom
überhaupt erwiesen, wollte also der jstapst beim Anblick des Fresko Botticellis
erinnert sein, und das Opfer des Aussätzigen drückt nichts anderes als den Gedanken
aus, daß dank der Fürsorge des Papstes von jetzt an alle Kranken Roms Pflege
und Heilung ihrer Leiden finden könnten. Die Wahl des Aussatzes als der fürchter-
lichsten, ansteckendsten aller Krankheiten lag ja dem Franziskanerpapst so nahe.
Hatte nicht auch der heilige Franziskus seine Liebesthätigkeit mit der Pflege des
Aussätzigen begonnen? Nun erklärt sich endlich auch die Teilnahme all der vor-
nehmen Herren an diesem Vorgänge, den Botticelli mit unübertrefflicher künstlerischer
Weisheit, in großartiger, pyramidenartig sich aufbauender Komposition, ohne auch
nur eins der wesentlichen Momente auszulassen, wunderbar gestaltet und dargestellt
Hat. Es sind die Mitglieder der Genossenschaft von St. Spirito, die hier in
fo feierlicher Würde die bedeutungsvolle Opferhandlung des alten Testamentes
umdrängen.
Mittelbar wenigstens hat ein anderes Zeitereignis auch auf die Gestaltung
des Fresko gegenüber gewirkt, indem hier auf einem H>lan eine Reihe von Dar-
stellungen angebracht wurden, die ursprünglich auf diese und die folgende Fläche
verteilt werden sollten. In der That ist es selbst einem Botticelli nicht mehr
möglich gewesen, die Fülle des aufgegebenen Stoffes hier völlig übersichtlich zu ver-
arbeiten (Abb. 55). Tritt doch Moses nicht weniger als siebenmal auf dieser einzigen Bild-
fläche auf! In der Ecke rechts bringt er den schreienden Aegypter um, dann flüchtet
er einsam in die Wüste; dann vertreibt er in neuer Zornesaufwallung die un-
freundlichen Hirten, dann tränkt er ritterlich den Töchtern Jethros ihre Schafe.
Endlich links im Hintergründe legt er Schuhe und Mantel ab, empfängt knieend
aus den: feurigen Busch den Besehl des Herrn und führt endlich unten die Kara-
wane der Juden aus der Knechtschaft Aegyptens (Abb. 56).
Wie hätte ein Künstler aus der verwirrenden Zahl so verschiedenartiger Vor-
gänge ein einheitlich beseeltes Ganze schaffen können? Und doch hat Botticelli mit
glücklicher Hand einen Vorgang aus allen herausgegriffen und die reizende Idylle
am Brunnen zum Mittelpunkt seiner Darstellung gemacht, um welchen sich dann
das Uebrige im Kreise gruppiert. Diese Tränkung der Schafe der verfolgten
Hirtinnen schien dem feinfühligen Künstler der schönste Zug im Iugendleben des
Moses, aus die Tharakteristik der reizeuden Wüstenkinder, auf die Individualisierung
dieses Moses hat er die größte Sorgfalt verwandt. Welche Wollust des Schaffens