Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Steinmann, Ernst
Rom in der Renaissance: von Nicolaus V. bis auf Julius II. — Berühmte Kunststätten, Band 3: Leipzig: Seemann, 1899

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.74094#0095
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
T. Sixtus IV.

81

Signorelli allein von den zwölf Stämmen Israels schon durch seine Nacktheit
charakterisiert hat, denn er allein soll von allen arm sein und kein Erbteil besitzen,
(ch Nkose lch V. 23.) Und ihm hat eben Näoses seinen Segen erteilt mit den
Worten: Wer zu seinem Vater spricht, ich sehe ihn nicht, und zu seinem Bruder,
ich kenne ihn nicht, und zu seinem Sohne, ich weiß nicht, die halten deine Rede
und bewahren deinen Bund. (5. Nässe ZZ, V. 9.) Dadurch, daß der Aünstler
diese Worte sofort in Handlung umgesetzt hat, daß er den Jüngling allein un-
bekleidet darstellte in so vornehmer Umgebung, gab er uns ein Zeichen, ihn zu ver-
stehen. Aber diese Verherrlichung eines priesterlichen Stammes, der sich mit völliger
Selbstverleugnung den: Dienste Gottes hingiebt und allen: Irdischen entsagt hat,


6I. Sixtinische Kapelle. Losimo Rosselli. Das letzte Abendmahl.

konnte für Sixtus IV., feine Aardinäle und Prälaten nur einen stillen Vorwurf
bedeuten, denn mit den: Bewußtsein ihres göttlichen Berufes auf Erden war ihnen
auch der Geist der Armut, der triebe, des Gehorsams längst verloren gegangen.
Unter allen Arbeiten Eosimo Rossellis in der Sixtinischen Aapelle hat Vasari
nur der kunstvollen Perspektive des achteckigen Saales einiges Lob erteilt, in welchem
der Florentiner Näeister das letzte Abendmahl geschildert hat (Abb. 69). Näan braucht in
der That diese schwächliche Leistung nur mit den älteren Fresken Ghirlandafos und
Eastagnos in Florenz zu vergleichen, um für Eosimo Rosselli die richtige Würdigung
zu finden, von Lionardo gar nicht zu reden! Selbst das Teufelchen, welches den:
Verräter im Nacken sitzt, setzt ganz einfach die Tradition des Näittelalters fort, und
das andächtige Element ist in dieser Versammlung völlig gleichgültiger Näenschen
so vorherrschend, daß kein einziger es wagt, seinen: wirklichen Denken und Empfinden
Ausdruck zu verleihen. Aber man muß solche Behandlungen des tiefsinnigen
Gegenstandes kennen, um den ganzen Wert einer Schöpfung Leonardos begreifen
Steinmann, Rom in der Renaiffanre. 11
 
Annotationen