H. Jnnocenz VIII. und Alexander VI.
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Götter, und die Dichter sangen unermüdlich den Preis jeder neuen Statue, die man
dem Schoße der Erde entriß, und deren Besitz sich die Airchenfürsten streitig machten.
Selbst die Phantasie der Architekten, Bildhauer und Maler, die Herolde und Propheten
der neuen Zeit, füllte sich mit Bildern aus dem alten Rom, dessen Monumente sie
alle von Brunellesco und Giuliano da San Sallo bis auf Bramante und Michelangelo
durchforscht, gezeichnet und nachgeahmt haben, dessen unvergleichlich stimmungsvolle
Landschaft im Bezirk der Mauern selbst und darüber hinaus einem Pinturicchio
zuerst die Aufgabe nahe legte, Eindrücke der Natur in der Aunst zu verkörpern.
Aber riesenhaft hoben sich über den armseligen Behausungen der römischen
Bürger, den engen schmutzigen Gassen, den verwitterten Türmen und den ungeselligen
Burgen des Mittelalters die Paläste der neuen Papstgeschlechter empor, und staunend
blieben die Pilger vor dem Schlosse von San Marco und der eben erst vollendeten
Tancelleria stehen, und inan sagte ihnen, daß auf diesen Wunderbau der Aardinal
Riario eine fabelhaste Summe verwandt hatte, die er einmal von Franceschetto
Tibo, dem Sohne Innocenz' VIII., im Spiel gewann. Was mochten nur erst diese
Fremdlinge beim Anblick St. Peters und des vaticanischen Palastes empfinden,
welchen seit Nicolaus V. jeder Papst mit neuen Wundern geschmückt Hatte? Wie
ein gewaltiges Bollwerk beschützte die Engelsburg jenseits des Tibers den heiligen
Bezirk, wo Petrus den Märtyrertod erlitten haben sollte; wie ein Riesendom, eine
Festung und eine Stadt zugleich that sich der Vatican mit seinen Türmen und
Zinnen und Säulenhallen vor den: erstaunten Blicke der Pilger auf. Den Anblick
der Runstschätze drinnen im päpstlichen Palast, in der Sixtinischen Aapelle und in
der Engelsburg, wo Pinturicchio eben seine Malereien beendet hatte, hat man ihren
Augen wohl nicht gegönnt, aber durften sie nicht am Apostelgrabe beten, sahen sie
nicht in St. Peter alle Herrlichkeiten bei einander, die nur immer jede Aunst im
Laufe der langen Jahrhunderte hervorgebracht Hatte? Die langen Reihen antiker
Säulen gaben der fünffchiffigen Anlage den weiträumigen Eharakter, die düster
leuchtenden Mosaiken der Apsis und der Hochwände die eigentümliche Stimmung.
Welch eine unsägliche Pracht von Mosaik und Marmor strahlte dem Eintretenden
entgegen, wie unzählige Aapellen, Tabernakel und Grabdenkmäler füllten den
geweihten Raum! Neber dem Hochaltar erhob sich das Eiborium Sixtus' IV., der
auch an das linke Seitenschiff die glänzende Lhorkapelle angebaut hatte; in der über
und über mit Mosaiken geschmückten Aapelle Johanns VII. zeigte man das
Schweißtuch der hl. Veronika, auf dem Altar Pius' II. sah man das Haupt des
Apostels Andreas, und im Tabernakel Innocenz' VIII. wurde die heilige Lanze
bewahrt. Wie viele Erinnerungen an das erste Christentum, wie viele Schätze aus
allen Ländern der Erde, aus jeder Periode der christlichen Zeitrechnung, wie viele
Reliquien umschloß dieser ehrwürdige Tempel, dessen Atrium die Gräber ganzer
Papstgenerationen füllten, wo man in der Mitte das Riesengrab eines deutschen
Raisers erblickte, welches der Porphyrdeckel vom Sarkophag eines römischen Impe-
rators verschloß. Wenn dann der Papst sich zeigte, die dreifache Arone auf
dem Haupte, welche feine unvergleichliche Machtstellung auf Erden als geist-
licher und weltlicher Fürst symbolisierte und, von seinem Hofstaat umringt, ganz
in den goldschimmernden weißseidenen Mantel gehüllt, segnend und grüßend über
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Götter, und die Dichter sangen unermüdlich den Preis jeder neuen Statue, die man
dem Schoße der Erde entriß, und deren Besitz sich die Airchenfürsten streitig machten.
Selbst die Phantasie der Architekten, Bildhauer und Maler, die Herolde und Propheten
der neuen Zeit, füllte sich mit Bildern aus dem alten Rom, dessen Monumente sie
alle von Brunellesco und Giuliano da San Sallo bis auf Bramante und Michelangelo
durchforscht, gezeichnet und nachgeahmt haben, dessen unvergleichlich stimmungsvolle
Landschaft im Bezirk der Mauern selbst und darüber hinaus einem Pinturicchio
zuerst die Aufgabe nahe legte, Eindrücke der Natur in der Aunst zu verkörpern.
Aber riesenhaft hoben sich über den armseligen Behausungen der römischen
Bürger, den engen schmutzigen Gassen, den verwitterten Türmen und den ungeselligen
Burgen des Mittelalters die Paläste der neuen Papstgeschlechter empor, und staunend
blieben die Pilger vor dem Schlosse von San Marco und der eben erst vollendeten
Tancelleria stehen, und inan sagte ihnen, daß auf diesen Wunderbau der Aardinal
Riario eine fabelhaste Summe verwandt hatte, die er einmal von Franceschetto
Tibo, dem Sohne Innocenz' VIII., im Spiel gewann. Was mochten nur erst diese
Fremdlinge beim Anblick St. Peters und des vaticanischen Palastes empfinden,
welchen seit Nicolaus V. jeder Papst mit neuen Wundern geschmückt Hatte? Wie
ein gewaltiges Bollwerk beschützte die Engelsburg jenseits des Tibers den heiligen
Bezirk, wo Petrus den Märtyrertod erlitten haben sollte; wie ein Riesendom, eine
Festung und eine Stadt zugleich that sich der Vatican mit seinen Türmen und
Zinnen und Säulenhallen vor den: erstaunten Blicke der Pilger auf. Den Anblick
der Runstschätze drinnen im päpstlichen Palast, in der Sixtinischen Aapelle und in
der Engelsburg, wo Pinturicchio eben seine Malereien beendet hatte, hat man ihren
Augen wohl nicht gegönnt, aber durften sie nicht am Apostelgrabe beten, sahen sie
nicht in St. Peter alle Herrlichkeiten bei einander, die nur immer jede Aunst im
Laufe der langen Jahrhunderte hervorgebracht Hatte? Die langen Reihen antiker
Säulen gaben der fünffchiffigen Anlage den weiträumigen Eharakter, die düster
leuchtenden Mosaiken der Apsis und der Hochwände die eigentümliche Stimmung.
Welch eine unsägliche Pracht von Mosaik und Marmor strahlte dem Eintretenden
entgegen, wie unzählige Aapellen, Tabernakel und Grabdenkmäler füllten den
geweihten Raum! Neber dem Hochaltar erhob sich das Eiborium Sixtus' IV., der
auch an das linke Seitenschiff die glänzende Lhorkapelle angebaut hatte; in der über
und über mit Mosaiken geschmückten Aapelle Johanns VII. zeigte man das
Schweißtuch der hl. Veronika, auf dem Altar Pius' II. sah man das Haupt des
Apostels Andreas, und im Tabernakel Innocenz' VIII. wurde die heilige Lanze
bewahrt. Wie viele Erinnerungen an das erste Christentum, wie viele Schätze aus
allen Ländern der Erde, aus jeder Periode der christlichen Zeitrechnung, wie viele
Reliquien umschloß dieser ehrwürdige Tempel, dessen Atrium die Gräber ganzer
Papstgenerationen füllten, wo man in der Mitte das Riesengrab eines deutschen
Raisers erblickte, welches der Porphyrdeckel vom Sarkophag eines römischen Impe-
rators verschloß. Wenn dann der Papst sich zeigte, die dreifache Arone auf
dem Haupte, welche feine unvergleichliche Machtstellung auf Erden als geist-
licher und weltlicher Fürst symbolisierte und, von seinem Hofstaat umringt, ganz
in den goldschimmernden weißseidenen Mantel gehüllt, segnend und grüßend über