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Ich bin bei meiner Untersuchung der von Löcher vorgegebenen begrifflichen
Trennung von »Epitaph« und »Altar« gefolgt; eine solche Differenzierung
zwischen Gedächtnistafel und Altartafel scheint mir - was den Zeitraum der drei
von mir behandelten Gedächtnistafeln angeht - durchaus gerechtfertigt zu sein,
da in der Frühzeit Beispiele für »Epitaph-Altäre« offenbar ganz zu fehlen schei-
nen und sich auch aus der näheren Zeit vor 1500 überhaupt nur wenige Beispiele
für eine derartige Bildgattung finden lassen.2476 Der Versuch, das »Bildepitaph«
vom »Altar« herleiten zu wollen, war von Weckwerth2477 überzeugend abgelehnt
worden. Es kann festgestellt werden, daß den als Gedächtnistafeln konzipierten
Einzeltafeln - etwa im Unterschied zu wichtigen Altären - keine für die Aus-
übung und Gestaltung des Gottesdienstes notwendige Funktion zukam; ihre Be-
deutung ist vielmehr in der privaten Andacht Einzelner zu sehen; anders mag
dies bei den sog. Epitaphienaltären gewesen sein. Gemäß der Definition von
Pilz2478 im Reallexikon zur Deutschen Kunstgeschichte bezeichnet man »Epita-
phe«, die als Altarretabel dienten, als »Epitaphaltäre«. Zu den frühesten bekann-
ten Beispielen derartiger gemalter Epitaphaltäre zählte Pilz2479 Dürers sog. "Hel-
ler-Altar"2480, der in den Jahren 1508-1509 entstanden war, d.h. nachdem das
Paumgartner-Epitaph bereits [1505/06] - vorbildhaft (?) - zum Paumgartner-Al-
tar erweitert worden war. Es mag nicht verwundern, wenn in der Folge ein so
aufwendiges und für Dürer wichtiges Werk wie der Heller-Altar nun ebenfalls
Seitenflügel erhielt und das Resultat später auch noch durch die Standflügel2481
Grünewalds erweitert wurde. Im Sinne der Entwicklung2482 Dürers war es nur
konsequent, dabei die Haupttafel des Altars von den Stifterfiguren zu »befreien«
und diese mit ihren Familienwappen auf dem gesonderten, unteren Teil der Sei-
tenflügel - gewissermaßen in einem eigenen Raum - in den »steinernen« Ni-
schen unterzubringen. Der Auftraggeber Jakob Heller (gest. 1522) und seine
Frau Katharina von Melem (gest. 1518) hatten das Dürer-Werk bereits 1508/09
zu ihrem Totengedächtnis errichten lassen und den Altar dem Heiligen Thomas
geweiht. "Wichtige Quellen sind der Stiftungsbrief von 1513, in dem der Auf-
traggeber Jakob Heller Bestimmungen über die auf dem Altar zu lesenden Mes-
sen und Gottesdienste trifft, und sein Testament mit dem zugefügten Kodizill
von 1519."2483 Als letztes von nur drei2484 frühen Beispielen für die Gattung des
»Epitaphaltars« führte Pilz2485 dann auch den Paumgartner-Altar als mögliches
Beispiel an; zieht man zur Beurteilung die tatsächliche (spätere) Aufstellungs-
situation (Nebenaltar, als Abschluß des südlichen Seitenschiffes), sowie den for-
malen Aufbau des umgestalteten Werkes (zentrale Mitteltafel mit Seitenflügeln
und Standflügeln) heran, so mag diese Bezeichnung durchaus das Richtige tref-
fen. Ein besonderes Verdienst der Arbeit von Kutschbach (1995) ist es - trotz
Ich bin bei meiner Untersuchung der von Löcher vorgegebenen begrifflichen
Trennung von »Epitaph« und »Altar« gefolgt; eine solche Differenzierung
zwischen Gedächtnistafel und Altartafel scheint mir - was den Zeitraum der drei
von mir behandelten Gedächtnistafeln angeht - durchaus gerechtfertigt zu sein,
da in der Frühzeit Beispiele für »Epitaph-Altäre« offenbar ganz zu fehlen schei-
nen und sich auch aus der näheren Zeit vor 1500 überhaupt nur wenige Beispiele
für eine derartige Bildgattung finden lassen.2476 Der Versuch, das »Bildepitaph«
vom »Altar« herleiten zu wollen, war von Weckwerth2477 überzeugend abgelehnt
worden. Es kann festgestellt werden, daß den als Gedächtnistafeln konzipierten
Einzeltafeln - etwa im Unterschied zu wichtigen Altären - keine für die Aus-
übung und Gestaltung des Gottesdienstes notwendige Funktion zukam; ihre Be-
deutung ist vielmehr in der privaten Andacht Einzelner zu sehen; anders mag
dies bei den sog. Epitaphienaltären gewesen sein. Gemäß der Definition von
Pilz2478 im Reallexikon zur Deutschen Kunstgeschichte bezeichnet man »Epita-
phe«, die als Altarretabel dienten, als »Epitaphaltäre«. Zu den frühesten bekann-
ten Beispielen derartiger gemalter Epitaphaltäre zählte Pilz2479 Dürers sog. "Hel-
ler-Altar"2480, der in den Jahren 1508-1509 entstanden war, d.h. nachdem das
Paumgartner-Epitaph bereits [1505/06] - vorbildhaft (?) - zum Paumgartner-Al-
tar erweitert worden war. Es mag nicht verwundern, wenn in der Folge ein so
aufwendiges und für Dürer wichtiges Werk wie der Heller-Altar nun ebenfalls
Seitenflügel erhielt und das Resultat später auch noch durch die Standflügel2481
Grünewalds erweitert wurde. Im Sinne der Entwicklung2482 Dürers war es nur
konsequent, dabei die Haupttafel des Altars von den Stifterfiguren zu »befreien«
und diese mit ihren Familienwappen auf dem gesonderten, unteren Teil der Sei-
tenflügel - gewissermaßen in einem eigenen Raum - in den »steinernen« Ni-
schen unterzubringen. Der Auftraggeber Jakob Heller (gest. 1522) und seine
Frau Katharina von Melem (gest. 1518) hatten das Dürer-Werk bereits 1508/09
zu ihrem Totengedächtnis errichten lassen und den Altar dem Heiligen Thomas
geweiht. "Wichtige Quellen sind der Stiftungsbrief von 1513, in dem der Auf-
traggeber Jakob Heller Bestimmungen über die auf dem Altar zu lesenden Mes-
sen und Gottesdienste trifft, und sein Testament mit dem zugefügten Kodizill
von 1519."2483 Als letztes von nur drei2484 frühen Beispielen für die Gattung des
»Epitaphaltars« führte Pilz2485 dann auch den Paumgartner-Altar als mögliches
Beispiel an; zieht man zur Beurteilung die tatsächliche (spätere) Aufstellungs-
situation (Nebenaltar, als Abschluß des südlichen Seitenschiffes), sowie den for-
malen Aufbau des umgestalteten Werkes (zentrale Mitteltafel mit Seitenflügeln
und Standflügeln) heran, so mag diese Bezeichnung durchaus das Richtige tref-
fen. Ein besonderes Verdienst der Arbeit von Kutschbach (1995) ist es - trotz