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Steinraths, Felix J. F.
Albrecht Dürers Memorialtafeln aus der Zeit um 1500: Holzschuher-Epitaph - Glimm'sche Beweinung - Paumgartner-Altar; Rezeption, Forschungsstand und offene Fragen — Frankfurt am Main, Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Wien: Lang, 2000

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.74231#0278
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Aufgrund2711 dieser Überlegungen möchte ich die ursprüngliche Existenz ei-
ner heute unbekannten Mitteltafelkopie Harrichs annehmen, die zu den im Depot
des GNM aufbewahrten Flügeln gehörte, die jedoch in einigen kleinen, aber
markanten Details von der Dürer 'sehen Originaltafel abwich: die noch erhaltene,
von Jobst Harrich signierte, spiegelverkehrte "Frankfurter Mitteltafelkopie"
weist genau jene entscheidenden »Fehler« (Abstand des Hutes / längere Säule /
höher gelegenes Haus) auf.
Es wäre nur natürlich, daß alle weiteren ab dem Jahre 1613 in Nürnberg er-
folgten Kopien sich nicht an den originalen Tafeln der herzoglichen Kunst-
sammlung, in der Kammergalerie, sondern an der Harrich 'sehen Kopie in der
Nürnberger Katharinenkirche orientiert hätten. Diese befand sich in Nürnberg,
am ursprünglichen Ort des Originals und war dort für interessierte Künstler bes-
ser zu kopieren, als in der für Außenstehende kaum zugänglichen Privatgalerie
Maximilians. Alle darauf befindlichen Fehler werden in der Folge konsequenter-
weise übernommen, und stilistische Abweichungen ließen sich dann durch den
individuellen Stil des jeweiligen Kopisten erklären. Es ließe sich daraus folgern,
daß alle Kopien, die die entsprechenden markanten »Fehler« (s.o.) aufweisen,
zeitlich nach der Harrichkopie in Nürnberg, also erst nach 1613 angefertigt wur-
den. Somit2712 wäre - und hier möchte ich diesen Exkurs schließen - auch die
"Londoner Zeichnung" erst in der Nachfolge der "Harrichkopie", also erst ab
1613 und somit keinesfalls in Dürers Werkstatt2713 entstanden. Da das Blatt als
fester Bestandteil des Sloane Albums 5218 mit dem Album im Jahre 1753 an
das Britische Museum kam2714, dürfte die »Londoner Nachzeichnung« somit in
den Zeitraum »1613 bis 1753« zu datieren sein. Als eine persönliche Abwei-
chung2715 des Zeichners vom Vorbild mag man die »verbessernde« Erweiterung
des Bildes nach unten betrachten: da der Zeichner auf die kleinen Stifterfiguren
verzichten konnte, war es nicht mehr notwendig, diese links durch den »Graben«
einer Stufe von der Figur des Hl. Josef zu trennen. Dabei entstand das übliche
Problem einer unbefriedigenden Leere. Der Kopist wandelte daher die lange
Kante der Stufe zu einem Stück Gewand der Josefsfigur und »verbesserte« das
vorsichtige Niederknien des Dürer 'sehen Josef zugleich durch das Zeigen seiner
nackten Füße. Interessant ist, daß der Künstler, der diese Zeichnung schuf, den
Paumgartner-Altar nicht als Ganzes (Mitteltafel und Flügel) aufgefaßt hatte, son-
dern sich in seiner Zeichnung auf die Mitteltafel beschränkt hatte. Daß auf allen
diesen heute bekannten Kopien, auch auf der Londoner Nachzeichnung, keine
Stifter mehr abgebildet wurden, mag diese Überlegungen nur bestätigen, da sie
einer Zeit angehören, der »die alten Stifter« nichts mehr bedeuteten, diese sogar
störten, wie es bereits die unter Herzog Maximilian I. erfolgte Übermalung der
 
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