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Steinraths, Felix J. F.
Albrecht Dürers Memorialtafeln aus der Zeit um 1500: Holzschuher-Epitaph - Glimm'sche Beweinung - Paumgartner-Altar; Rezeption, Forschungsstand und offene Fragen — Frankfurt am Main, Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Wien: Lang, 2000

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https://doi.org/10.11588/diglit.74231#0164
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Gedächtnisbild der Holzschuher festgestellt werden. Panofsky1463 kann nicht ge-
folgt werden, wenn er die Holzschuher-Tafel einem Nachahmer zuweisen will,
der versuchte, die unterscheidenden Züge des Holzschnittes mit denen der Tafel
in München zu kombinieren. Der Künstler hätte dazu die bereits vorbildlich
gestalteten Figuren »verschlechtern« müssen; wie hätte er - nach so genauer
Kenntnis des Vorbildes (Auftraggeber: der bürgerliche Goldschmied Albrecht
Glimm) - eine so bewegende Figur wie die des Nikodemus rechts in eine so we-
nig überzeugende, vergleichsweise flache Gestalt (zumal in einem Auftrag für
eine der angesehensten Nürnberger Patrizierfamilien) »zurückverwandeln« kön-
nen? Wäre die »Glimm'sche Beweinung« (mit ihrer besonderen Gestaltung
wertvoller Stoffe) von Dürer bereits im Auftrag des Goldschmiedes gemalt ge-
wesen, so hätten sich die im Tuchhandel tätigen Patrizier wohl kaum noch mit
einer solchen Gestaltung des Stoffes begnügt, wie sie uns etwa im Gewand des
Nikodemus begegnet; auch die Entschuldigung, daß dies eben die Gestaltung
eines Schülers sei, hätte sie - zu jenem späteren Zeitpunkt - wohl kaum noch
befriedigt. Umgekehrt1464 ist es dem künstlerisch gebildeten Albrecht Glimm zu-
zutrauen, das in einer Tafel wie der Holzschuher 'sehen Beweinung liegende Po-
tential zu erkennen und - auf die besonderen Fähigkeiten der »Hand« Albrecht
Dürers vertrauend - eine modernere, verbesserte Fassung (zum Gedenken an
seine verstorbene Frau) bei Albrecht Dürer in Auftrag zu geben. Auf diese Wei-
se hätte der reiche1465 Goldschmied Glimm zugleich in Konkurrenz zu den Ange-
hörigen einer höheren »Schicht« treten können. Inwieweit Dürer auch noch eini-
ge Jahre später bereit war, sich an bereits vorhandenen Lösungen zu orientieren,
um diese nach seiner eigenen Vorstellung zu verbessern, mag man an der Tafel
ersehen, die ihm offenbar als Vorbild für das Paumgartner'sche Epitaph vor Au-
gen gestanden hatte (Hierzu siehe die Seiten 198/199 dieser Arbeit). Panofsky1466
selbst wollte in der durchgreifenden und konsequenten Umwandlung der frühe-
ren Komposition des Holzschnittes durch die Glimm'sche Beweinung einen
Grund dafür sehen, daß sie nur dem Meister selbst zuzutrauen wäre. Es scheint
mir jedoch, als würde es gerade die Vorstellung der Existenz einer früheren,
zwischen Holzschnitt und Glimm'scher Beweinung vermittelnden Holzschuher-
Tafel erlauben, diese »durchgreifende« Umgestaltung (Panofsky) des Holz-
schnittes in der Glimm'schen Beweinung vielmehr als eine stetige Weiterent-
wicklung des von Albrecht Dürer ohnehin vielfach1467 variierten Themas (laut
Anzelewsky1468 sogar eines der häufigsten Themen im Werke des Meisters!) an-
zusehen. Dies kann auch gelten, wenn - wie nach bisheriger Vorstellung - die
Ausführung der Holzschuher-Tafel (»GNM«) noch einem Schüler übertragen
worden wäre. Das pauschale Argument, daß Dürer sich nie wiederhole, mag
 
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