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Tag für Denkmalpflege
Stenographischer Bericht: Vierzehnter Tag für Denkmalpflege — 14.1921

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Erste Sitzung, Donnerstag, den 22. September, vormittags 9 Uhr
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Erste Sitzung

Donnerstag, den 22. September, vormittags 9 Uhr.

Vorsitzender Geheimer Eat Protessor Dr. A. von Oechelhaeuser-
Karlsruhe: Meine hochverehrten Damen und Herren! Nach den am
gestrigen Ahend erfolgten eingehenden stimmungsvollen Begrüßungen darf
ich mich wohl heute darauf beschränken, Sie alle namens des Ausschusses
nochmals herzlichst willkommen zu heißen und wiederholt der Hoffnnng
Ausdruck zu geben, daß unsere Tagung, die ich hiermit eröffne, sich den
früheren würdig anreihen und in jeder Beziehung einen glü’eklichen und
anregenden Verlauf nehmen möge.

Wie im vergangenen Jahre bei unserer gemeinsamen Tagung für Denk-
malpflege und Heimatschutz in Eisenach auf der alten, vom Zauber der
Bomantik umwobenen Warthurg, so haben wir auch diesmal wieder das
Glück, an denkwürdiger, geschichtlich geweihter Stätte zu tagen.

Wenn auch nicht in diesem Saale, so doch unter diesem Dache gelangten
am 24. Oktober 164S die Verhandlungen zum Abschluß, die dem deutschen
Volke nach fmchtbaren, endlosen Krjegsleiden die so heiß ersehnte Erlösung
brachten. Wir tagen an der Geburtsstätte des Westfälischen Friedens.

Unwiilkürb’ch drängt sich uns da der Vergleich zwischen einst und
jetzt auf, eine Parallele, die das ganze Elend, in das wir durch den unglück-
seligen Ausgang unseres letzten großen Krieges geraten sind, mit furcht-
barer Deutlichkeit erkennen läßt.

Damals, als die Kuriers von hier aus die Freudenbotschaft „All’ Fehd’
hat nun ein Ende“ in die deutschen Lande trugen, von Glockengeläut überall
empfangen, mit Freudentränen in Stadt und Dorf begrüßt, damals ist es
wia ein Erlösungsscbrei duicli alle Schichten unseres schwer geprüften Volkes
gegangen, w Tie ein Erwachen nach schwerem, bösem Traum, ein Aufatmen
nach langer, unerträglicher Bedrückung. Durfte man doch nun endlich
auf eine alhnähliche Heilung der dem deuts.hen Volkstum, der deutschen
Volkskraft ein ganzes Menschenalter liindurch geschlagenen Wunden hoffen,
auf die Wiedergenesung des deutschen Volkskörpers nach langem Siechtum.

Und jetzt!

Auch wir leben jetzt wieder im Frieden. Das lange, unsagbar schwere
und blutige Eingen, in dem Deutschland sich einer ganzen Welt von Feinden
gegenüber vier Jahre hindurch tapfer und siegreich behauptet hat, bis es
endlich dem Hunger sowis der numerischen und technischen Überlegenheit
der Feinde hat erliegen müssen, der mörderische Krieg ist vorüber — aber
verdient das, was uns die Feinde nach verräterisch erzwungener Waffen-
streckung als einseitiges Machtgebot auferlegt haben, verdient das den
herrlichen Namen Friede? Leben wir jetzt wirklich im Frieden, oder ist
nicht vielmehr alles das, was wir jetzt, besonders unsere Brüder in den
hier benachbarten besetzten Gebieten fast täglich an unerhörten Zumutungen

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