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Strack, Johann Heinrich
Das altgriechische Theatergebäude: nach sämmtlichen bekannten Überresten dargest. — Potsdam, 1843

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https://doi.org/10.11588/diglit.4258#0006
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wie die neben den Grundplänen gezeichneten Nordlinien angeben, so scheint die Lage nur durch die ört-
liche Beschaffenheit der Abhänge, woran sie erbaut sind, und durch die schöne ausgedehnte Aussicht, die
man von den Sitzen geniefsen konnte, nicht aber durch die Himmelsgegend bedingt gewesen zu sein. Viele
Zuschauerräume sind sogar nach Süden, gegen die Vorschriften Vitruv's, gerichtet. — Was die Gröfse
der Griechischen Theater betrifft, so findet man sie von der verschiedensten Ausdehnung, wie die auf
Taf. IV bis Taf. VIII nach ein und demselben Maafsstabe dargestellten Grandpläne zeigen. Zur Verglei-
chung mit unseren jetzigen Theatergebäuden sind die Opernhäuser zu Berlin und Neapel nach gleichem
Maafsstabe beigefügt. Nimmt man die Sitzbreite für einen Zuschauer zu 2 Fufs an, so konnte das Theater
zu Epidaurus 10000 Zuschauer und das zu Syrakus 14000 Zuschauer fassen, und bei einer Sitzbreite von
1\ Fufs das erstere 16000 und das andere 22000. Indem nun das gröfste Griechische Theater, das zu
Megalopolis, fast einen doppelt so grofsen Flächenraum einnimmt, als dasjenige zu Syrakus, so konnte die
ungeheure Menge von 44000 Personen darin Platz finden.

Die Sitzstufen der Zuschauerräume sind durch einen Gang oder durch zwei breite Gänge, Dia-
zomata, Umgürtungen, in einzelne Stockwerke, BJinge, und durch strahlenförmige Treppen in einzelne
keilförmige Abschnitte, Kerkides, für die besonderen Klassen der Zuschauer, abgetheilt.

Die Sitzstufen, 1 Fufs 2 Zoll bis 1 Fufs 5 Zoll hoch und 2 Fufs 5 Zoll bis 3 Fufs 10 Zoll breit,
sind gewöhnlich aus dem natürlichen Felsen in den verschiedensten Profilen ausgearbeitet. Die vordere
Hälfte der Sitzstufen war zum Sitz der Zuschauer selbst, die hintere, etwas vertiefte für die Füfse der
höher Sitzenden bestimmt, wie Taf. IX zeigt. Nur bei dem Theater zu Tauromenium und zu Catanea
sind besondere Stufen für die Füfse, und andere für den Sitz bestimmt, gefunden worden. Die Sitze
wurden mit Brettern und mit Polstern belegt. Bei dem Theater zu Sparta sind die Sitze etwas ausge-
höhlt (s. Taf. IX Fig. 4), um die Polster festzuhalten. Die äufsersten Sitzstufen an den Enden des Zu-
schauerraumes nach der Bühne zu, an den sogenannten Hörnern, waren durch eine Brüstungsmauer be-
grenzt, welche in schräger Linie oder in Absätzen der Senkung der Sitze folgte, wie man am Theater zu
Epidaurus, zu Melos, zu Pinara und zu Patara (Taf. IX Fig. 3) gefunden hat. Aus dieser Figur läfst sich
auch die eigenthümliche Construction der hakenförmigen Steine, um das Hinuntergleiten zu verhüten,
deutlich bemerken. Eine auf der Brüstung aufgeführte höhere Mauer würde einen grofsen Theil der
Zuschauer am Sehen nach der Bühne hin gänzlich verniridert haben. Die Sitze waren durch Linien ab-
getheilt und numerirt, und die aufgefundenen Theaterbillets sind von Bronze mit erhöhter Schrift oder
von Elfenbein und enthalten den Namen des Dichters der aufzuführenden Schauspiele und die Nummer
des Platzes.

Die Gänge, Diazomata, sind entweder einfach oder doppelt neben einander, in welchem letzte-
ren Falle der eine höher liegt als der andere. Taf. IX Fig. 6 zeigt den einfachen Gang vom Theater zu
Syrakus, und Taf. IX Fig. 1 und Fig. 3 doppelte Gänge vom Theater zu Epidaurus und zu Patara. Der
erste Sitz unter dem Gange hat oft eine hohe steinerne Piücklehne, welche die Brüstung des Ganges bil-
det, wie zu Epidaurus, Segest (siehe Taf. 1) und Patara. Am Theater zu Syrakus hat dieser Sitz einen
schrägen Falz, Taf. IX Fig. 6, um die Piücklehne darin fest einzufügen. An der Mauer dieser Gänge
standen die Namen der einzelnen keilförmigen Abtheilungen, wie man sie noch am Theater zu Syrakus
und zu Xanthus bemerkt. Einen erhöhten Gang um die Orchestra neben der untersten Sitzstufe zeigen
noch die Theater zu Aizani, Myra und Side. Ueber den obersten Sitzreihen bildete entweder eine Mauer
oder eine Säulenhalle eine Umschliefsung. Eine Mauer ist noch an den Theaterruinen zu Egesta, Taf. VI
Fig. 6, und zu Knidos, Taf. VII Fig. 2, und eine Säulenhalle als alleiniges Beispiel an den Ptuinen zu
Tyndaris, Taf. VI Fig. 3, erhalten.

Die Anzahl der strahlenförmigen Treppen ist sehr verschieden. Es kommen in der untersten
Abtheilung 2, 4, 6, 8, wie Vitruv verlangt, oder 10, 11 und 14 vor; in der obersten entweder eben so
viel, wie z. B. am Theater zu Syrakus, oder doppelt so viel, indem zwischen den unteren durchgeführ-
ten noch andere Treppen gelegt sind, wie z. B. zu Epidaurus und Patara. In jeder Sitzstufe liegen zwei
Treppenstufen, also von 7 bis 8| Zoll Höhe und von so geringer Breite, dafs nicht zwei Personen neben
einander auf und niedersteigen können. Bei der Anlage der Treppen in den Umgängen, Diazomata, be-
merkt man vier verschiedene Anordnungen. Bei einem Umgange, wie im Theater zu Syrakus (s. Taf. IX),
 
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