Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
27

V.

Ein Wandbild im Strassburger Münster.

Von E. Polaczek.

Das Eisass ist arm an älteren Werken
der Wandmalerei. Während am mittleren
und niederen Lauf des Rheines zahlreiche
romanische Kirchenbauten des 12. und
i3. Jahrhunderts ihren ursprünglichen, für
die architektonische
Gesamterschei-
nung notwendigen
Farbenschmuck
noch besitzen, wenn
auch vielfach ver-
blasst oder, was
schlimmer ist, von
unberufenen Hän-
den « wiederher-
gestellt », hat sich
im Eisass kein ein-
ziger erheblicher
Rest romanischer
Wandmalerei er-
halten. Was vor-
handen war, liegt
entweder unter der
Tünche begraben
oder ist bei den
gelegentlich für
notwendig erach-
teten Reinigungen
zerstört worden.

Etwas zahl-
und umfangreicher
sind die Reste aus
dem 14. und i5.

Jahrhundert, aus
der Zeit des go-
tischen Stils, ob-
wohl dieser, die Flächen teilend und auflösend,
der Malerei die Möglichkeit zu einer Betätig-
ung im alten Umfange genommen hat. Immer-
hin hatte in Strassburg die alte Dominikaner-
kirche ansehnlichen malerischen Schmuck,
desgleichen die Jung St. Peterskirche. Nach-
dem jener mit dem ganzen Bau im Feuer
der Belagerung zu Grunde gegangen, dieser

ohne jede Notwendigkeit von gewalttätigen
Händen vollständig seines ursprünglichen
Charakters beraubt worden ist, bleibt als
erheblicher Rest älterer Wandmalerei in
Strassburg nur das Wandgemälde über dem

Eingang zur An-
dreaskapelle des
Münsters übrig, das
wir hier in einem
Lichtdruck Taf. VI
veröffentlichen.

Es ist ein drei-
teiliges Bild; in
seiner Gesamtan-
ordnung entspricht
es einem Trip-
tychon, also einem
dreiteiligen Flügel-
altar von einfach-
ster Form. In der
Mitte ist die ge-
wöhnlich als Geburt
Christi bezeichnete
Anbetung des
Christuskindes
durch Maria, Joseph
und die Hirten dar-
gestellt; auf dem
linken Flügel steht
ein heiliger Bischof,
auf dem rechten
der heilige Andreas,
als Patron der Ka-
pelle, über deren
Eingang das Ge-
mälde sich befindet.
Der Schauplatz der Anbetung ist eine
dürftige, verfallene Hütte, die mit Benutzung
von ruinenhaften Mauerresten erbaut ist.
Hier kniet Maria in blaugrünem Kleide und
graulichweissem Mantel — eine sehr diskrete
Harmonie — vor dem nackt auf einem Ende
des Mantels liegenden Kinde; das andere
Ende hat sie aufgenommen und presst es

Die Geburt Christi.

Kupferstich von Martin Schongauer. (B. 4).
 
Annotationen