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Strube, Christine
Baudekoration im nordsyrischen Kalksteinmassiv (Band 1): Kapitell-, Tür- und Gesimsformen der Kirchen des 4. und 5. Jahrhunderts n. Chr. — Mainz am Rhein: Verlag Philipp von Zabern, 1993

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https://doi.org/10.11588/diglit.71525#0024
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Grossmann11) sowie jüngste französische Arbeiten zu
einzelnen Gebieten der Baudekoration12), die über die Er-
gebnisse der großen Expeditionen der Jahrhundertwende
hinausführten. In jüngster Zeit ist Deichmann in einer
kleinen Abhandlung über die besondere Entwicklung der
nordsyrisch-spätantiken Architektur und in Konzentra-
tion auf die Bauten von Qalblöze und QaLat Sinüän noch
einmal auf Fragen der Baudekoration zurückgekom-
men13).
AlsichimJahrl971alsGastder»Missionarcheologique
de Haute Syrie« an einer Nacharbeitungskampagne für
das Bemabuch teilnehmen konnte, führte mich diese
Reise in alle Orte mit Bemakirchen. Begeistert und zu-
gleich geschockt traf ich in etwa 40 Orten auf einen Er-
haltungszustand, der alle Erwartungen weit übertraf und
mir klarmachte, daß die bisherigen Publikationen nur ei-
nen Bruchteil des Erhaltenen erfaßt haben. Überwälti-
gend war vor allem die reiche Überlieferung zur Haus-
und Grabarchitektur. An eine Untersuchung der Baude-
koration dachte ich damals noch nicht. Geplant war die
Aufnahme des Ortes Dehes im Gebel Bärlsä, in Zusam-
menarbeit mit G. Tchalenko. Als Ende 1972 feststand,
daß sie nicht stattfinden konnte14), waren es die Erfah-
rungen der Reise von 1971, die eine Bearbeitung der Ka-
pitellplastik sinnvoll erscheinen ließen.
In zwei Arbeitskampagnen wurden 1974/75 die Kapi-
telle der Kirchen des 4./5. und in Auswahl auch des 6. Jhs.
in Maßskizzen und Photos aufgenommen. Es entstand
eine Materialsammlung, die von den Bauten des 1.-3.
Jhs. ausging, alle ohne umfangreiche Freilegungsarbeiten
erreichbaren Kapitelle der Kirchen ohne Bema - darunter
vor allem die noch weitgehend unbekannten Kapitelle
des Gebel Zäwiye - aufnahm und auch einige Hauskapi-
telle der jeweiligen Region ergänzend mit einbezog. Auch
die von Tchalenko für das Bemabuch aufgenommenen
Kapitelle wurden noch einmal vermessen und photogra-
phiert, weil damals noch nicht feststand, welche Stücke er
in sein Buch aufnehmen würde. Den Arbeiten an Ort und
Stelle kam es zugute, daß ich vor der ersten Kampagne die
umfangreiche Kapitellsammlung von H. Pharaon in Bei-
rut vermessend aufnehmen konnte15).
Schon während der Kampagne von 1974 zeigte sich,
daß eine Beschränkung auf die Kapitellplastik nicht zu
rechtfertigen ist, da zum Beispiel dem Steinmetz einer be-
stimmten Werkgruppe nicht nur die Bearbeitung eines
Kapitells, sondern auch eines Türsturzes übertragen wer-
den konnte. Für die Genehmigung, Tür- und Gesimsfor-
men in Auswahl in meine Arbeit aufzunehmen, war ich
auch aus einem anderen Grund besonders dankbar: In
den leichter erreichbaren Orten waren schon vor Beginn
unserer Aufnahmen nicht nur mehrere Kapitelle, sondern
auch Türen in den Antikenhandel abtransportiert wor-
den.
In den Arbeitskampagnen der Jahre 1977 und 1979
wurden vor allem Tür- und Gesimsformen aufgenommen

und die Kapitellaufnahmen zu Kirchen des 6. Jhs. verbes-
sert und erweitert, das Schwergewicht meiner Untersu-
chung liegt jedoch eindeutig auf der Kapitellplastik. Die
Ergebnisse zur Baudekoration von circa 40 Kirchen des
6. Jhs. sollen in einem zweiten Band vorgestellt werden.
Da es für die meisten Kirchen dieses Jahrhunderts keine
dem Bemabuch vergleichbare Untersuchung und d. h.
keine über Butler hinausführenden Gesamtaufnahmen
der Architektur gibt, wird der zweite Band stärker auf die
Rekonstruktion der einzelnen Bauten eingehen müssen.
Mit dem vorliegenden ersten Band verbinden ihn jedoch
die zentralen Fragestellungen, die ich hier einleitend vor-
stelle:
Die Bauten des Bergmassivs wurden alle aus dem loka-
len Kalkstein und in reiner Quadertechnik, ohne Verwen-
dung von Mörtel, errichtet. Wesentliche Voraussetzung
für den hohen Stand dieser Architektur, den selbst einfa-
che lokale Werkstätten und Werkgruppen erreichen, ist
die enge Vertrautheit mit dem Material und die Tatsache,
daß der ständige Umgang mit ihm durch die Lebensbe-
dingungen des Bergmassivs gefordert wurde. Tchalenko
konnte nachweisen, daß in den jeweiligen Orten in der
Regel eigene Werkgruppen und Werkstätten arbeiteten,
die auch Aufträge außerhalb ihres eigenen Ortes annah-
men und, wie Inschriften überliefern, manchmal in weit
auseinanderliegenden Regionen tätig waren16).
Verhältnismäßig viele Bauten sind datiert und geben
der Chronologie des 4. bis frühen 7. Jhs. ein Funda-
ment17). Blicken wir über Syrien hinaus, so wird bewußt,
daß in keinem Bereich des Mittelmeerraumes so viele Kir-
chen des 4. Jhs. erhalten blieben und daß der einzigen ei-
nigermaßen gut erhaltenen Kirche des 5. Jhs. in Kon-
stantinopel, der Studiosbasilika, allein in den zentralen
Regionen der Antiochene mehr als 30 Kirchen des 5.
Jahrhunderts gegenüberstehen. Diese kontinuierliche,
von der Mitte des 4. zum Ende des 5. und darüber hinaus
bis an den Anfang des 7. Jhs. führende Bautätigkeit gibt
die einmalige Möglichkeit, die Um- und Weiterbildung
antiker Formen und die Tätigkeit verschiedener Werk-
gruppen und Werkstätten über fast drei Jahrhunderte hin
zu verfolgen.
n) Grossmann, S. Michele in Africisco 43ff.; Deichmann, Spolien
40 ff.
12) Eine Einführung in abgeschlossene oder laufende Arbeiten findet
sich bei Naccache-Sodini, Decor architectural 477 ff. Die dort genannte,
unveröffentlichte Arbeit von A. Naccache, Le decor des portes des egli-
ses du Massif calcaire, war mir nicht zugänglich.
13) Deichmann, Qalb Löze und QaPat SemLän passim.
14) Die nicht gerade positiven Erfahrungen dieser Zeit werden aufge-
wogen durch die Erinnerung an die Gespräche mit Henri Seyrig, der die
damals geplante Zusammenarbeit nach Kräften unterstützte. Allen, die
das Glück hatten, ihn kennenzulernen, wird er den Eindruck vermittelt
haben, daß das Wort »generosite« speziell für ihn erfunden wurde.
15) Der überwiegende Teil der rund 200 Kapitelle dieser Sammlung
stammt aus dem Gebel Zäwiye.
16) Tchalenko, Villages I 48 Anm. 1. 418 ff.
17) AAES I 423 ff.; PAES IIB 347ff.

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